Gemeinderat, 11. Sitzung vom 23.06.2021, Wörtliches Protokoll - Seite 96 von 109
lung einzuleiten. - Trotz Geschäftsordnungsdebatte ist der Herr Neumayer etwas überrascht, aber hier ist er dann.
Berichterstatter GR Jörg Neumayer, MA: Aber er bittet um Zustimmung.
Vorsitzende GRin Dr. Jennifer Kickert: Danke. Zu Wort gemeldet ist GRin Berner. Ich erteile es ihr.
GRin Mag. Ursula Berner, MA (GRÜNE): Schönen guten Abend!
Wir sind jetzt alle ein bisschen überrascht, weil bei mir stehen noch drei Rednerinnen vor mir. Trotzdem freue ich mich, dass ich zu diesem Tagesordnungspunkt etwas sagen darf. Ich möchte erstens die Damen und Herren begrüßen, die sich erst jetzt zugeschaltet haben, ich möchte meine Kollegen und Kolleginnen nochmals für den heutigen Nachmittag begrüßen.
Ich beginne mit einer kleinen Geschichte. Ich persönlich habe den Lockdown dazu genutzt, um viel zu lesen. Ich lese besonders gerne Biographien, besonders gerne Biographien von Frauen. Und dabei fällt mir auf, wie oft und wie viel die Frauen eigentlich die Geschichte dieser Stadt geprägt haben und wie wenig sie dann doch im kollektiven Gedächtnis dieser Stadt vorkommen. Da müssen wir noch daran arbeiten, wir wissen es eh. Mein Thema, Stichwort Straßennamen, das werde ich jetzt nicht weiter ausführen, das ist nur eine Einleitung dazu, was für eine Biographie ich gelesen habe. Die Biographie, die ich letztens gelesen habe, war die von Emmy Werner. Die Leute, die sich jetzt schon ein bisschen in dem Zusammenhang auskennen, wissen, was das mit dem Tagesordnungspunkt zu tun hat, weil Emmy Werner, wie viele vielleicht noch nicht wissen, eigentlich die Drachengasse gegründet hat oder die Idee gehabt hat, die Drachengasse zu gründen und auch als Erste Prinzipalin dort war. Das finde ich schon sehr gut, denn damals war es in Wien nicht einfach, zu arbeiten, als Frau künstlerisch wahrgenommen zu werden. Auch Emmy Werner hat vorher jahrelang ihren Sohn betreut beziehungsweise ihre Kinder betreut und ihren Mann in seiner schauspielerischen Tätigkeit unterstützt und sie hat ihre schauspielerische Arbeit hintenangestellt. Sie hat dann doch die Drachengasse als ihr Refugium haben wollen und wollte einen Raum für sich. Sie wollte einen Raum für künstlerisch arbeitende Frauen bauen, und das hat sich bis heute durchgesetzt. Ich finde, das war damals eine großartige Tat von ihr. Sie wollte feststellen, wie es auch Virginia Wolf gesagt hat, dass Frauen einen eigenen Raum brauchen, wo sie sich selbst äußern können, wo sie selbst über sich nachdenken können. Sie wollte als Prinzipalin selbst feststellen, wer da spielt, was gespielt wird, welche Schauspielerinnen und natürlich auch Schauspieler das sind. Dieser Raum hat der Stadt eindeutig gefehlt. Sie war eine Vorreiterin, und ich finde das großartig, das jedes Mal, wenn wir diesen Akt besprechen, auch immer wieder zu nennen, damit zumindest hier in diesem Raum diese Erinnerung nicht vergessen wird.
Ja, auch die Drachengasse ist weiterhin ein großartiger Ort. Da werden weiterhin weibliche Theaterschaffende gefördert, aber Männer dürfen auch auftreten und auch manchmal Regie führen, das ist den Leiterinnen wichtig, das steht auch auf der Website. Im Moment sind die Leiterinnen Katrin Schurich und Beate Platzgummer, und was daran besonders wichtig ist, was ich an dem Haus besonders wichtig finde, ist auch die Nachwuchsförderung, die da stattfindet. Jedes Jahr gibt es Wettbewerbe für junge, für neu startende Künstler und Künstlerinnen, und das Publikum wird auch beigezogen und darf mitbestimmen, welches Projekt dann wirklich eine Basisfinanzierung bekommt. Ich finde, das ist ein großartiger Zugang, und allein dafür müsste man schon die Drachengasse fördern, deshalb stehe ich sehr dahinter.
Was ist noch toll an der Drachengasse? - Nicht nur, dass Talente hier entdeckt werden, sondern die Drachengasse hat viele Themen gesetzt, und oftmals schwierige Themen und Tabus angespielt, mit ihren Produktionen auch öffentlich gemacht. Und genau so eine Öffentlichmachung braucht es jetzt wieder. Ich würde jetzt nicht gleich ein neues Theater gründen, aber die Kunst im öffentlichen Raum könnte sich schon damit beschäftigen, und dazu werden wir auch einen Antrag einbringen. Das werde ich jetzt auch noch genauer ausführen.
Neben Corona gab es ein zweites nicht so schönes Thema, das in diesem Frühjahr bestimmend war, und das waren die Femizide. Das waren Morde an Frauen, die von Männergewalt ausgingen. Männergewalt, deren Selbstbild davon ausgeht, dass sie mehr wert sind und deshalb Frauen und Kindern Gewalt antun können, körperlich und seelisch, und das ist ein sehr schwieriges Thema. Das ist ein gesellschaftspolitisches Thema, ein Thema, das noch viel Diskurs und Selbstreflexion braucht, und ein Thema, das selbst die Opfer oft unter die Decke kehren wollen. Genau das wäre unsere Aufgabe, unsere politische Aufgabe, dass das nicht passiert.
Auch in Wien ist jede 5. Frau - es ist noch immer ein Thema -, jede 5. Frau ab dem 15. Lebensjahr körperlicher und/oder sexualisierter Männergewalt ausgesetzt. Das ist natürlich eine systematische Frage. Das ist nicht eine Frage von - das sage ich da nicht, weil dieses Framing will ich hier nicht haben -, nein, es ist eine Frage von patriarchaler Männergewalt. Es geht darum, dass strukturell gesamtgesellschaftlich davon ausgegangen wird, dass Männer mehr wert sind und deshalb andere Rechte haben als Frauen. Dagegen müssen wir auftreten, rund um die Uhr! - Sie dürfen auch klatschen. Danke.
Auch in Wien sind leider viele Frauen davon betroffen. 6 von den 14 Frauenmorden dieses Frühjahrs sind in Wien passiert, und die Zeitungen schreiben noch immer über Liebestaten oder Ehedramen, statt von dem, was es ist: Es ist Mord! Deshalb braucht es an einem zentralen, an einem gut sichtbaren Ort mitten in der Stadt etwas, das diese Männergewalt thematisiert, etwas, das sensibilisiert, das den Opfern die Stärke gibt, dass sie nicht selber schuld sind an dem, was da passiert ist, das eine Interaktion ermöglicht. Wir gehen davon aus, dass eine künstlerische Intervention im öffentlichen Raum eine gute Möglichkeit wäre, dieses Thema größer zu machen, öffentlich zu diskutieren und auch
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