Gemeinderat, 61. Sitzung vom 19.12.2019, Wörtliches Protokoll - Seite 89 von 116
Jetzt möchte ich einmal mit einer falschen Geschichte, die immer wieder kursiert, aufräumen. Es heißt immer: Es wird ja alles zugebaut. - Dazu sage ich: Schauen wir uns Wien an! Gerade die kompakte, dichte Siedlungsstruktur in einer Stadt ist ja eigentlich die größte Chance, um klimaschonend und ressourcenschonend bauen und wohnen zu können. Dazu nur ein Vergleich: Mit dem Energieaufwand für den Bau eines Einfamilienhauses inklusive Infrastruktur in einer Streulage, also typischerweise irgendwo im Speckgürtel, kann eine Wiener Neubauwohnung rund 100 Jahre lang geheizt werden.
Das erwähne ich nur, damit wir ein Gefühl dafür bekommen, wie effizient eine dichte urbane Bauweise und Siedlungsstruktur überhaupt ist. Wien hat derzeit auch den geringsten Bodenverbrauch aller Bundesländer. Das ist natürlich auf Grund unserer Siedlungsstruktur und Bevölkerungsgröße im Durchschnitt leicht. Aber wenn man sich die Entwicklung seit 2005 anschaut, dann sieht man, dass der durchschnittliche Bodenverbrauch pro Kopf zurückgegangen ist, nämlich, wie ich glaube, um 15 Prozent beziehungsweise etwa in dieser Größenordnung. Das heißt, wir werden effizienter und effektiver. Pro gebaute Wohneinheit verbrauchen wir in Wien weniger Platz, und genau in diese Richtung soll es gehen.
Klima und Baukultur sind aber nicht nur im Neubau ein Thema. Dabei geht es auch um die Bestandsstadt, das heißt, es geht auch um die Frage, wie man eine sanfte Stadterneuerung vornehmen kann. Ich glaube, dass die Bauten aus den 50er bis 80er Jahren eine große Herausforderung im Hinblick darauf darstellen, wie wir mit dieser Baukultur auch hinsichtlich Effizienz und Klimafragen umgehen, und es geht auch um den öffentlichen Raum und die Frage, wie wir diesen nutzen.
Es gab vorher schon viele Diskussionen um Parkraum und Parkflächen. Aber wenn in den Leitlinien jetzt steht, dass die Zahl der Bäume in der Stadt massiv zu erhöhen ist, dann werden wirklich mutige Entscheidungen notwendig sein und wird es viele Diskussionen in diesem Haus geben. Dann wird das nämlich bedeuten, dass jeder dritte oder vierte Parkplatz in dieser Stadt zukünftig ein Baum wird. Das brauchen wir einfach, um die Klimawandelfolgen in dieser Stadt bewältigen zu können.
Es wird also sehr viele mutige Entscheidungen brauchen. Ich glaube, dass schon die Erarbeitung der Leitlinien und die Beschäftigung damit ein sehr wichtiger Prozess sind, weil es natürlich auch sozusagen ein Agenda Setting in der Verwaltung ist, wenn die Fachdienststellen gemeinsam an diesen Leitlinien arbeiten und Standards festsetzen. Dann haben sie gemeinsam daran gearbeitet und haben auch ein Awareness für diese Fragen. Insofern ist es, glaube ich, wichtig, dass wir die Leitsätze hier heute beschließen und ein ganz klares Zeichen setzen, in welche Richtung die Reise gehen soll. - Danke schön. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)
Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Zum Wort gemeldet ist der GR Irschik. Ich erteile es ihm.
GR Wolfgang Irschik (FPÖ): Herr Vorsitzender! Damen und Herren des Gemeinderates!
Postnummer 105 betrifft zehn baukulturelle Leitsätze zu Klimaschutz und Klimawandelanpassung.
Eine kurze Replik wiederum auf Kollegen Gara: Betreffend die 40 Grad, die wir tatsächlich im heurigen Jahr hatten, kursiert etwas im Internet, und das ist nicht immer ein Blödsinn, sondern das ist ganz interessant. Die deutsche „Bild“-Zeitung titelte 1975: „Rekordsommer. 40 Grad.“ - Neu ist das nicht!
Denken wir ein bisschen zurück! Der September des heurigen Jahres war sehr heiß, das ist unbestritten. Aber wie war es eigentlich im Mai? Könnt ihr euch daran noch erinnern? Da mussten wir heizen, so kalt war es da. Und auf dem höchsten Berg Deutschlands, der Zugspitze, an der Grenze zwischen Bayern und Tirol, gab es eine Rekordschneemenge seit 40 Jahren von 6 m. Das war im Mai.
Das ist der Klimawandel. Ja, natürlich: Das Klima ändert sich ständig, das ist ja unbestritten.
Meine Damen und Herren! Wir haben uns jetzt diesen Akt ein bisschen angeschaut. Der Klimawandel ist eine große Herausforderung. Gleichzeitig stellt gerade die dichte urbane Siedlungsform eine gute Basis dar, um dem Klimawandel zu begegnen. Bei Neubauten durchaus: Ich nehme ja nicht an, dass das jetzt heißt, dass wir bestehende Wohnbauten wegreißen und begrünen müssen, denn das wäre ein bisschen skurril! - „Die dichte urbane Siedlungsform ist eine gute Basis, um dem Klimawandel zu begegnen.“ Der Satz klingt schon ein bisschen skurril! Dann geht es weiter. Wir kommen von den baulichen Tätigkeiten weg, und es wird die Etablierung nachhaltiger Mobilitätskonzepte angesprochen. Das lesen wir dann ein paar Mal: Reduktion des PKW-Verkehrs und Umstieg auf Verkehrsmittel des Umweltverbundes.
Meine Damen und Herren! Das ist hier ja schon einige Male besprochen worden: Floridsdorf und die beiden U-Bahn-Linien. - 1976 wird das U-Bahn-Grundliniennetz einstimmig vom Wiener Gemeinderat beschlossen. Was hat man damals gesagt? - Die U-Bahn-Endstellen sollen bitte jenseits der Stadtgrenze sein! Das ist eine gute Geschichte.
Bleiben wir jetzt in Floridsdorf: Wo hört die U6 auf? - Am Franz-Jonas-Platz! Das ist weit entfernt von der Stadtgrenze, da gibt es nichts! Wo hört die U1 bei uns bei auf? - In Leopoldau.
Ich habe es schon einige Male gesagt, und das ist durchaus ein Kompliment an die ÖVP beziehungsweise an die damalige Landesregierung in Niederösterreich! Etwa Mitte der 90er Jahre hat man gesagt: Wisst ihr was? Wir schenken euch ein großes Grundstück jenseits der Seyringer Straße - Dort ist übrigens auch die Wendeschleife der U-Bahn, und diese ist ja nicht mehr in Wien, sondern eigentlich schon in Niederösterreich. - Macht dort ein großes Parkhaus für 8.000 bis 10.000 mehrspurige Kraftfahrzeuge!
Was hat die Gemeinde Wien gesagt? - Nein! Das brauchen wir nicht! Das war etwa Mitte der 90er Jahre.
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