Gemeinderat, 61. Sitzung vom 19.12.2019, Wörtliches Protokoll - Seite 82 von 116
streichen, dass selbstverständlich sehr wohl die Forderung der Fraktion im Bezirk, die auch diesen Antrag in der Bezirksvertretung eingebracht hat - in diesem Fall die Sozialdemokratische Fraktion Währing -, aufrecht ist und wir diese Volksbefragung haben möchten. Es wird juristisch jetzt geklärt, ob sie stattfinden wird oder nicht. - Danke. (Beifall bei der SPÖ.)
Vorsitzender GR Mag. Gerald Ebinger: Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, stelle ich fest, dass StRin Nittmann ab 17 Uhr entschuldigt ist und GR Baron ab jetzt für den Rest der Gemeinderatssitzung entschuldigt ist.
Als Nächster zum Wort gemeldet ist GR Peter Kraus.
GR Peter Kraus, BSc (GRÜNE): Lieber Herr Vorsitzender! Kolleginnen und Kollegen!
Ich habe mich eigentlich zum Wort gemeldet, um unter anderem dem Herrn Niegl zu gratulieren. Er kann Wikipedia bedienen. Er dürfte auf Wikipedia „Polyzentrismus“ eingegeben haben und ist unter anderem auf eine der möglichen Definitionen dieses Worts gekommen, nämlich die Arbeitsbedingungen der Kommunistischen Partei. Also, er kann es bedienen. Er kann aber offenbar nicht damit umgehen, dass dann dort auch mehrere Begriffsdefinitionen vorhanden sind. Zum Beispiel wäre die nächste gewesen, dass Polyzentrismus im interkulturellen Bereich so etwas wie die Geisteshaltung der Offenheit gegenüber anderen Kulturen bedeutet. Es ist mir verständlich, dass der Herr Niegl ein Problem mit dieser Geisteshaltung hat. Aber gehen wir vielleicht wirklich ganz zurück auf das Altgriechische, also wirklich 800 Jahre vor Christus, wo die Kommunistische Partei laut meines Wissens noch nicht bestand. Schauen wir einmal, warum dieses Fachkonzept polyzentral heißt. Sie wissen, was ein Zentrum ist. Und poly bedeutet viele oder mehrere. Wien hat mehrere dieser Zentren. Dadurch heißt das Fachkonzept „Polyzentrales Wien“. Hier ist das Ende der Verschwörungstheorie.
Um jetzt auf die inhaltliche Ebene zu kommen, ich glaube, dass tatsächlich dieses Fachkonzept sehr wichtig ist und schon lange erwartet wurde, auch von jenen, die zum Beispiel Einkaufszentren entwickeln, die Handelsflächen entwickeln oder vermarkten, oder von Handelsbetrieben, weil es Klarheit gibt, weil es auch räumliche Klarheit gibt. Es sind drei Agenden. Nur kurz zusammenfassend: Das eine betrifft bestehende Zentren. Das andere betrifft neue Zentren in neuen Stadtentwicklungsquartieren, also, wo wir immer die Herausforderung haben, in Stadtentwicklungsquartieren bekommen wir die Erdgeschoßzonen so attraktiv und so lebendig, dass sie wirklich den Namen auch eines lebendigen Zentrums verdienen. Der dritte Teil sind sozusagen die großflächigen Einzelhandelsflächen, also eine räumliche Steuerung und Regulierung von EKZs, Einkaufszentren.
Jetzt ist es so, wenn ich dem Herrn Niegl vorher zugehört habe, dass man feststellen muss, dass die Zeit der Einkaufszentren, die nur mit dem Auto zu erreichen sind, und das sind dann die eingeschoßigen Schachteln mit genauso viel Fläche daneben, zubetoniert mit Parkplätzen, halt einfach vorbei ist. (GR Michael Niegl: In Ihren Träumen!) - Okay, Boomer! Aber die Zeit ist einfach vorbei! Wir sehen überall in der Stadt, wirklich überall in der Stadt, dass genau diese Handelsflächen nicht mehr nachgefragt werden. Ich gebe Ihnen jetzt ein Beispiel: Seyringer Spitz. Was ist dort passiert? Dort sind die Handelsbetriebe abgewandert, weg von der nur autoabhängigen Infrastruktur hin zur U-Bahn, weil dort die Frequenz ist und weil dort die Nachfrage ist. (GR Michael Niegl: Das ist aber schon etwas anderes! Das wissen Sie auch!) Da rede ich jetzt noch gar nicht von den ganzen ökologischen Fragen hinsichtlich Stadt der kurzen Wege, hinsichtlich Versiegelung von Boden. Es ist nicht effizient und ökologisch in einer Stadt, wo Grund und Boden ein knappes Gut ist, eingeschoßige Schachteln und daneben einen Parkplatz hinzuknallen. Es ist nicht effizient! Es ist effizient, dass man schaut, dass man diese Nutzungen entlang von bestehenden Zentren im urbanen bebauten Gebiet hat, dort konzentriert, damit sie sich gegenseitig auch befruchten können. Wenn man sich die Entwicklungen anschaut, der Motorisierungsgrad in Wien geht zurück. Wir haben in unserer Stadt mehr junge und mehr alte Leute. Das heißt, die Zusammensetzung der Bevölkerung ändert sich. Was vor allem die alten Leute brauchen, ist nicht, ein Shoppingcenter am Stadtrand, sondern in Fußgehweite eine qualitative Nahversorgung, die sie für ihre Lebensqualität brauchen.
Den Leerstand in den Schachteln habe ich schon angesprochen. Wenn Sie den Markt beobachten und wenn Sie wirklich mit Expertinnen und Experten, auch entwickler- und handelsseitig, reden, werden diese Flächen nicht mehr nachgefragt. Das Nächste ist, dass wir nicht nur über Handel reden, wenn wir über Zentren reden, sondern da geht es auch um die Verknüpfung unterschiedlicher Funktionen. Handel und Nahversorgung ist das eine. Es geht auch um Gesundheitseinrichtungen. Es geht um Ämter und Behörden. Es geht um Kinderbetreuungseinrichtungen. Es geht darum, dass möglichst alle polyzentral, also in mehreren Zentren in Wien, verteilt sind. Die Zeit der Einkaufszentren und dieser ausschließlich autofokussierten Planung von Einkaufs- und Handelszentren ist vorbei. Das waren die Neunziger. Auch in den USA, wo sozusagen die Mall überhaupt groß geworden ist und entwickelt wurde, haben die Mall-Betreiber die großen Probleme, dass sie umbauen, rückentwickeln und sich neue Strategien überlegen müssen. Wir sehen die gleiche Entwicklung auch in Wien. Nicht umsonst hat sogar die Wirtschaftskammer den Turnaround geschafft und fordert mittlerweile mehrere Begegnungszonen, unter anderem auch, weil sie gut für den Handel sind.
Also, das Fachkonzept „Polyzentrales Wien“ ist ein gutes. Es ist dringend notwendig. Ich danke allen, die an der Erarbeitung mitgewirkt haben. Ich glaube, wir sind alle gut beraten, wenn wir diese Punkte, die darin vorkommen, ernst nehmen, auch in der Umsetzung danach. - Danke schön. (Beifall bei den GRÜNEN und von GRin Mag. Nicole Berger-Krotsch.)
Vorsitzender GR Mag. Gerald Ebinger: Zum Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen. Der Berichterstatter verzichtet auf das Schlusswort.
Wir kommen zur Abstimmung über die Postnummer 101. Ich bitte jene Damen und Herren des Gemeindera
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