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Gemeinderat, 61. Sitzung vom 19.12.2019, Wörtliches Protokoll  -  Seite 19 von 116

 

die Österreichische Gesundheitskasse tatsächlich ihren rechtlichen Betrieb aufnimmt und wir am 31. Dezember den letzten Tag haben, wo es eine Wiener Gebietskrankenkasse gibt. Man kann unterschiedlicher Meinung sein über die Frage, ob die Zusammenführung der Krankenkasse ein positiver oder negativer Schritt war, ob nachvollziehbar oder nicht nachvollziehbar, bemerkenswert finde ich schon, dass unter der Ansage, man vereinheitlicht das System, dann am Ende des Tages nicht wirklich eine Krankenkasse herauskommt, sondern es trotzdem Sonderkrankenkassen etwa für die Selbstständigen und die Bauern gibt. Das ist etwas, was ein bisschen unlogisch ist, dass im Wesentlichen nur die Gebietskrankenkassen zusammengezogen sind, und da möchte ich Ihnen schon über ein paar Punkte berichten, die mir wirklich Sorgen machen.

 

Erstens einmal ist darauf wirklich zu achten - und darüber werde ich mit Argusaugen wachen -, dass die Österreichische Gesundheitskasse das Erbe der Wiener Gebietskrankenkasse, nämlich im positiven Sinne, nämlich das Versorgungserbe, die Kultur, sich wirklich um die Patientinnen und Patienten in unserer Stadt zu kümmern, mit der nötigen Wertschätzung annimmt. Klar ist, das zentrale Ziel als Sozialversicherungssystem muss es sein, die öffentliche Versorgung mit Gesundheitsdienstleistungen voranzutreiben, denn - und das erleben wir ja schon in Wien, wird diskutiert auch in der Öffentlichkeit, aber wir erleben es vor allem auch in den Bundesländern sehr stark, in manchen Bundesländern unerträglich in der Zwischenzeit - wenn die öffentliche Gesundheitsversorgung durch die Krankenkasse nicht mehr gewährleistet ist, selbst für Regelbehandlungen und Regeluntersuchungen, die Patienten in die teure Privatmedizin getrieben werden. Und das ist eine ganz zentrale Grundsatzfrage: Wollen wir ein öffentliches Gesundheitssystem oder wollen wir eines haben, wo es halt ein bisserl öffentliches Gesundheitssystem auch gibt, aber dort, wo die wirkliche Qualität stattfindet, die Leute extra noch zuzahlen müssen? Und dazu habe ich ein klares Bekenntnis: Ich bin dagegen, dass die Menschen für ihre Gesundheitsversorgung zahlen müssen. Die Österreicherinnen und Österreicher zahlen 16 Milliarden EUR Sozialversicherungsbeiträge, und ich finde, wir brauchen ein klares Statement, dass wir um dieses Geld auch eine ordentliche, qualitätsvolle, am Stand der Zeit befindliche und verfügbare und erreichbare öffentliche Gesundheitsversorgung haben. Und da werden wir erst sehen, ob die Österreichische Gesundheitskasse sich wirklich unmissverständlich mit diesem Grundsatz assoziiert, oder ob wir da plötzlich konfrontiert sind mit Menschen, die ihre Excellisten und ihre Durchschnittswerte lieben.

 

Ich habe gerade vor einer Stunde mit einem Arzt telefoniert - hervorragender Urologe -, der mir erzählt hat, zum ersten Mal seit vielen Jahren kriegt er plötzlich Nachfragen, warum Menschen, wo es den Verdacht gibt, dass sie möglicherweise Krebs haben, überhaupt ein MRT brauchen, weil in der Statistik die Wahrscheinlichkeit eh gering ist, dass das ein Patient mit Karzinom ist. Das sind Entwicklungen, da müssen wir genau hinschauen, sehr vorsichtig sein, sehr aufmerksam sein, weil es kann nicht sein, dass plötzlich an Durchschnittswerten die Qualität der Behandlung gemessen wird.

 

Es kann auch nicht sein, dass es einen Sparzwang gibt, der dann letzten Endes zu nichts anderem führt, als auf dem Rücken der Patienten die Leistungen zu reduzieren. Ich gehöre auch zu denen, die ganz klar sagen, ich halte überhaupt nichts von diesen kaufmännischen Diskussionen in den Sozialversicherungen, eine gute Sozialversicherung habe hohe Rücklagen. Eine Sozialversicherung hat grundsätzlich keine Rücklagen zu haben, denn sie ist keine Bank. Eine Sozialversicherung hat die Erlöse, die sie aus Beiträgen von Versicherten erzielt, in Gesundheitsdienstleistungen umzusetzen. Ich kann also daher die Euphorie - vor allem in den westlichen Bundesländern - von manchen Gesundheitspolitikern überhaupt nicht nachvollziehen, warum das ein Leistungsausweis sein soll, wenn eine Krankenkasse Rücklagen hat. Ehrlich gesagt, völlig falsche Orientierung, eine Krankenkasse hat das Geld, das ihr zu Verfügung steht, sofort in die ordentliche Gesundheitsversorgung der Bevölkerung und der Versicherten umzusetzen.

 

Klar ist, dass die Österreichische Gesundheitskasse eine zentralisierte Einheit sein wird. Das merken wir auch schon und das macht mir auch Sorge, denn klar ist, Österreich ist zwar nicht riesengroß, aber wir haben sehr große regionale Unterschiede. Denken wir nur an die Industriezonen in Oberösterreich, die Industriezonen in der Steiermark, die haben ganz andere Voraussetzungen auch in den Bedürfnissen der Gesundheitsversorgung als - keine Ahnung - der Seewinkel. Also macht es auch Sinn, dass in der Gesundheitsversorgung entsprechende Unterschiede dann auch in den Angeboten für die Versicherten gestellt werden. Und um diese regionalen Spezifika mache ich mir, ehrlich gesagt, ein bisschen Sorgen. Ich gebe zu, im Moment vernünftige Gespräche mit der Spitze der Österreichischen Gesundheitskasse zu führen. Das muss man auch sagen. Es sind sehr vernünftige Gespräche, und ich sage auch dort ganz klar und unmissverständlich, ich gehe davon aus, dass es zu keiner Schieflage gegen Wien kommt. Wenn es zu dieser Schieflage kommt, sollen die Herren und Damen dort auch wissen, dass sie da nicht auf Stillschweigen stoßen werden. Aber die Gespräche sind vernünftig, sind verständnisvoll.

 

Aber während die Gespräche sehr positiv sind, haben wir auch echte Erlebnisse: Ich habe vorher über die Beschlüsse berichtet, die wir in der letzten Sitzung der Landeszielsteuerung gefasst haben, und schwuppdiwupp, so schnell kann man gar nicht schauen, gibt es schon den ersten Einspruch. Denn der Überleitungsausschuss, sozusagen das Vorlaufgremium des echten Vorstandes in der Österreichischen Gesundheitskasse, nimmt einfach einen Akt von der Beschlussfassung innerhalb der Krankenkasse herunter. Also da denke ich mir, daran sieht man offensichtlich, dass da jetzt Mittelhierarchien eingezogen werden, wo wir sehr aufmerksam sein müssen, ob da nicht gegen die eigentliche Intention gearbeitet wird. Und es braucht dann letzten Endes ein Telefonat zwischen dem Generaldirektor und mir, damit dieser Akt wieder auf die Tagesordnung kommt.

 

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