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Gemeinderat, 31. Sitzung vom 15.12.2017, Wörtliches Protokoll  -  Seite 62 von 138

 

ansprechen. Es ist natürlich hoch bürokratisch, am meisten leiden darunter die Vereine und die Arbeit der Vereine, die nur in einem sehr strengen Rahmen stattfinden kann.

 

In Bezug auf die inhaltliche Differenzierung haben Sie es zum Teil ja selbst angesprochen, es gibt unterschiedliche Schwerpunktsetzungen: der Verein Orient Express, der einen Schwerpunkt zum Thema Zwangsverheiratung hat. Ich dachte eigentlich bis vor Kurzen, dass Ihnen das Thema sehr wichtig wäre. Sie haben das hier immer wieder debattiert, aber wenn es darum geht, tatsächlich eine Anlaufstelle dafür zu haben und zu finanzieren, dann machen Sie einen Rückzieher und dann ist Ihnen Ihre politische Symbolpolitik, die Sie heute in der Früh schon angesprochen haben, wichtiger, als tatsächlich eine Unterstützung zu geben und den Schutz der betroffenen Personen zu gewährleisten.

 

Und wenn Sie jetzt ansprechen, es gibt eine Dunkelziffer, die höher ist und über die es keine Datenlage gibt: Ja, das macht ja eine Dunkelziffer aus, das macht ja einen Graubereich aus, dass er sehr schwierig zu erfassen ist, sowohl für eine NGO, aber auch für eine Behörde, für die Polizei, die auch in dem Bereich tätig ist, da bleibt immer ein Bereich von einer Dunkelziffer über. Und wie nähern wir uns diesem Bereich an? In dem viel mehr Einblick in den Bereich möglich ist, mehr Vertrauen da ist, eine Zusammenarbeit mit den betroffenen Personen. Und das ist etwas, was eine langjährige Arbeit ist und was wirklich viel braucht, viel Engagement, zum einen eine Niederschwelligkeit und zum anderen einen ganzheitlichen Zugang. Deswegen liegen so viele ähnliche Angebote bei diesen Vereinen. Sie haben ja kritisiert, dass die Vereine ähnliche Angebote haben, alle würden Beratungen anbieten, alle würden telefonische Beratung anbieten, alle würden persönliche Beratung anbieten. Ja, ich verstehe schon, dass es vielleicht ein wenig eintönig sein mag, in den Berichten dann immer wieder Zahlen zu finden, Statistiken, wie viele persönliche Beratungen stattgefunden haben, wie viele telefonische, und so weiter. Aber das ist ja nur das Mittel, das ist ja ein Werkzeug. Worum ginge es? Bei einem Verein geht es um Zwangsverheiratung, bei einem anderen Verein geht es um etwas anderes, geht es um FGM oder geht es um eine psychosoziale Beratung, eine Scheidungsberatung, Obsorgefragen, Gewaltschutz und Ähnliches. Also, die Frage, ob jetzt telefonische Beratung ein Mittel ist, das nur bei einem Verein zur Anwendung kommen soll oder sich eigentlich in all diesen Vereinen wiederfindet, ist wirklich auf einer anderen Ebene, hat nichts mit der Förderwürdigkeit zu tun oder mit der inhaltlichen Bedeutung und Wichtigkeit dieses Themas.

 

Ich möchte kurz zum Verein NACHBARINNEN etwas sagen, da Sie den auch angesprochen haben. Dieser leistet eine ganz besonders wichtige Arbeit und ist ganz ausdifferenziert, denn der macht sehr viel aufsuchende Arbeit. Das heißt, es gibt hier Frauen, die als Nachbarinnen - das ist tatsächlich so eine Art der Berufsbezeichnung - tätig sind und mit ihren Nachbarinnen tatsächlich in einem übertragenen Sinn auch arbeiten und hier Unterstützung anbieten, und damit sehr niederschwellig agieren können, sehr viel in die Communities hineinwirken und gleichzeitig auch sehr viel Vertrauen herstellen können. Das ist der Zugang, der es dann tatsächlich ermöglicht, bildungsferne, bildungsbenachteiligte, marginalisierte Frauen, Familien und junge Menschen zu erreichen und zu unterstützen. Und das ist einer der Schwerpunkte, den wir als Stadt in diesem Bereich auch setzen, und deswegen ist uns Zusammenarbeit mit den Frauenvereinen und mit den Migrantinnenvereinen ganz besonders wichtig. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)

 

Die Frage danach, wie viele Personen eigentlich einen Deutschkurs erfolgreich abschließen, ist eine Möglichkeit der Betrachtung. Aber es ist nur ein Element und es lässt ganz viele andere begleitende Faktoren außer Beachtung, nämlich: Wie gestaltet sich die Lebenssituation von Personen, die einen Deutschkurs besuchen? Was sind die begleitenden Faktoren dieser Frauen? Wie sieht es aus mit Kinderbetreuungspflichten, wie sieht es aus mit der Gesundheit, wie sieht es aus mit Traumatisierungen? Wenn eine Frau von FGM betroffen ist, wie belastend ist diese Situation, wie möglich ist es ihr, darüber zu sprechen und sich auch Unterstützung zu suchen, vom medizinischen Bereich angefangen hinein in einen langfristigen psychologischen Unterstützungsbereich? Wie relevant ist dann der Punkt, ob eine Prüfung erfolgreich abgeschlossen wird, beziehungsweise wie sehr verweist das dann darauf, wie viel Handlungsbedarf in anderen Bereichen eigentlich besteht? Also was können wir daraus herauslesen, wenn einige Menschen Deutschkurse nicht positiv abschließen können? Dass nämlich genau die begleitende Arbeit, die die Vereine anbieten, umso wichtiger ist, um die Frauen so weit zu unterstützen und zu ermächtigen, dass sie nicht nur Deutschkurse abschließen können, sondern dass sie auch eine gute Gesundheitsversorgung haben, dass sie einen guten Bildungszugang haben, für sich selbst und auch für ihre Familien, und zwar langfristig.

 

Das heißt, die Arbeit, die diese Vereine machen, ist auch nicht nur eine Notarbeit, eine punktuelle Arbeit, sondern ist tatsächlich eine langjährige Arbeit, die ganz viel Vertrauen erfordert, Vertrauensaufbau und insgesamt den Aufbau dieser Arbeit. Das ist schon über eine lange Zeit von diesen Vereinen geleistet worden, mit Unterstützung auch von der Stadt Wien, worauf ich sehr stolz bin, und auch auf die Arbeit dieser Vereine. Ich hoffe, dass sie diese noch lange fortführen können, denn tatsächlich sind das alles Puzzlestücke, die dazu beitragen, dass die Integrationsarbeit in Wien umfangreich ist, verschiedene Personengruppen auch mitbedenkt, und auch die besondere Rolle, die Frauen in der Integration zukommt, hier in den Fokus nimmt. Und in diesem Sinne hoffe ich doch auf Ihre Unterstützung und bedanke mich bei denen, die die Projekte unterstützen. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)

 

Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, freue ich mich, eine Delegation von Sozialdemokraten aus Bosnien bei uns im Gemeinderatssitzungssaal begrüßen zu dürfen, an der Spitze Generalsekretär Irfan Cengic. Recht herz

 

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