Gemeinderat, 32. Sitzung vom 14.12.2012, Wörtliches Protokoll - Seite 28 von 133
hauptstadt Wien): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Besucher auf der Galerie! Sehr geehrte Damen und Herren!
Wir wissen, dass wir eine hohe Jugendarbeitslosigkeit haben, nicht nur in Österreich, sondern im Speziellen auch in Wien, und wir wissen auch, dass das eine Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise ist, die uns seit 2008 in Europa beschert worden ist. Ich denke, gerade deshalb ist es wichtig, dass die Betriebe, die Ausbildungsstätten, die Lehrer, die Pädagogen hier zusammenarbeiten und schauen, dass wir das duale Bildungssystem – wo wir uns glücklich schätzen können, so etwas in Österreich zu haben –, vorantreiben sollten und nicht gegeneinander ausspielen.
Wir wissen, dass seit Juli 2012 zirka 1 900 Lehrstellen am AMS als offen gemeldet sind, 623 davon sind sofort verfügbar. Das ist der höchste Stand seit 10 Jahren. Das heißt, die Wiener Betriebe, die Klein- und Mittelbetriebe, haben in dieser Hinsicht ihre Aufgaben gemacht und puncto Fachkräfteausbildung Lehrstellen geschaffen. Wir brauchen diese Klein- und Mittelbetriebe und wir brauchen auch die Fachkräfte. Es ist uns bekannt, dass Fachkräfte momentan Mangelware sind, und dass es auch in den nächsten Jahren in dieser Hinsicht einen enormen Bedarf geben wird, den es zu decken gilt.
Es gibt eine Statistik, wonach es bis zum Jahr 2025 einen massiven Anstieg der BerufsaussteigerInnen geben wird, nämlich durch Pensionierungen; und auf der anderen Seite wird es bis 2016 einen deutlichen Rückgang der 15-jährigen BerufseinsteigerInnen haben werden.
Warum ist dieser Rückgang da? Auf Grund der stagnierenden Geburtenraten, die wir in den letzten Jahren in Wien hatten. Deswegen brauchen wir das Potenzial der Jugendlichen. Wir brauchen die Lehre, wir brauchen die Ausbildungsstätten, wir brauchen die Betriebe, und da kann nur ein Miteinander funktionieren. Es ist wichtig, auch die Jugendlichen mit Migrationshintergrund besser mit einzubinden. Sie werden in den Betrieben benötigt. Wir sehen es auf alle Fälle als Chance, als Asset, diese Jugendlichen in den Betrieben zu integrieren; denn damit erreichen wir viel mehr Internationalität, damit wir exportorientiert in Österreich und in Wien agieren können. (Beifall bei der ÖVP.)
Deswegen ersuche ich Sie – auch meine Kollegin Isabella Leeb hat es schon erwähnt –, hier keine SPÖ-Wahlkampfparolen zu rufen und Wahlkampfauftakte zu veranstalten. Wir sollen vielmehr zusammenarbeiten. Das zeigen auch die Zahlen, wo jeder versucht, in seinem Rahmen und in seiner Tätigkeit das Beste daraus zu machen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)
Vorsitzender GR Mag Dietbert Kowarik: Als nächster Redner ist Herr GR Akkilic zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.
GR Senol Akkilic (Grüner Klub im Rathaus): Herr Vorsitzender! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher auf der Galerie!
Wenn wir über Lehrlinge reden, denke ich mir, dass es an erster Stelle um Folgendes geht: Wie geht es einem Lehrling in einem Betrieb? Fühlt sich diese Person in seiner oder ihrer Ausbildung wohl oder nicht? Welche Maßnahmen beziehungsweise welche Schritte werden gesetzt, damit diese Lehrlinge ihre Lehren nicht abbrechen, sondern auch abschließen und auch weiterhin in ihrem Beruf bleiben?
Wenn wir unseren Lehrstellenmarkt anschauen, so muss man sagen, dass es da leider, leider sehr große Defizite gibt, dass sehr viele Lehrlinge mit ihren Ausbildnern und Ausbildnerinnen und Betrieben nicht zufrieden sind. Wir wissen aber gleichzeitig, dass die Wirtschaft qualifiziertes Personal sucht und dass der Bedarf nach qualifiziertem Personal in Zukunft in unterschiedlichsten Berufen steigen wird.
Die Arbeiterkammer Wien hat am 7. Oktober 2011 eine Umfrage präsentiert, die unter 720 Lehrlingen geführt worden ist. Das Ergebnis dieser Umfrage war, dass 2 von 5 befragten Wiener Lehrlingen, also 37 Prozent, über häufige Überstunden klagen. Sie müssen, obwohl es gesetzlich nicht möglich ist, Überstunden machen. Das ist eine sehr, sehr schwierige Situation für Lehrlinge, über die sie sich beschweren.
Zweiter wichtiger Punkt ist, dass sie immer wieder zu Unrecht kritisiert werden, dass sie von ihren Ausbildnern und Ausbildnerinnen schlecht behandelt werden. Bei dieser Umfrage gaben sie oft an, dass die Kritik unter der Gürtellinie ist, dass da keine qualifizierte Kritik kommt, beziehungsweise dass man sie nicht unterstützt, wenn es darum geht, den Beruf besser zu erlernen. Ich glaube, wenn die Wirtschaft ernsthaft daran interessiert ist, Fachkräfte zu behalten, Fachkräfte auszubilden, müsste sie dort ansetzen, wo die Probleme liegen, damit die Jugendlichen aus dem Beruf nicht sozusagen herausfallen. Es ist Aufgabe der Wirtschaft, das zu tun.
Meine Damen und Herren! Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat gezeigt, dass, wenn die öffentliche Hand nicht da gewesen wäre, sprich, die Stadt Wien, sprich, die Steuern, die wir alle einbezahlen, viele Lehrlinge, die jetzt in der Ausbildungsgarantie sind – und das versuchen die Freiheitlichen und die ÖVP immer kleinzureden –, ohne Job, ohne Ausbildungsstätte dastehen würden. Ich glaube, es ist ganz, ganz wichtig, darauf hinzuweisen, dass diese Jugendlichen in einer sehr wichtigen Lebensphase von der öffentlichen Hand unterstützt werden, damit sie eben etwas lernen und einer Beschäftigung nachgehen können.
Die öffentliche Hand in Wien tut ihre Aufgabe. Aber was haben wir? Was müssen wir machen, um mehr Arbeitsplätze schaffen zu können? Wir müssen in die Realwirtschaft investieren, und die Betriebe müssen die Möglichkeit bekommen, Kredite zu bekommen, damit sie eben in die Realwirtschaft investieren können.
Was derzeit in Österreich und in Europa passiert, ist Bankenrettung. Und diese Bankenrettung, meine Damen und Herren, führt nicht dazu, dass die Wirtschaft belebt wird, sondern viele Banken verweigern Kredite an die sogenannten Klein- und Mittelbetriebe. Das ist eine sehr, sehr kontraproduktive Situation, die nicht dazu führt, dass mehr Arbeitsplätze geschaffen werden. Die Lösung ist also, nicht Banken retten, sondern in die Realwirtschaft investieren, damit mehr Arbeitsplätze geschaffen
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