Gemeinderat,
59. Sitzung vom 29.04.2010, Wörtliches Protokoll -
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Sie schaffen hier keine neue Beschäftigung, Sie schaffen hier keine
nachhaltigen Struktureffekte, wie es die Aktion 8000 damals getan hat. Da
hat man nämlich Arbeitsplätze subventioniert - im Kulturbereich, im
Sozialbereich, im Arbeitsmarktbereich, in NGOs, in Vereinen, zum Teil auch in
Unternehmen -, die bis heute noch bestehen, die positive, nachhaltige
Struktureffekte hatten. Das war damals noch Beschäftigungspolitik, meine Damen
und Herren - ohnedies unter anderem von Ihrer (in Richtung SPÖ) Partei. Aber Sie schauen ja nicht einmal darauf,
was Sie einmal wirklich gut gemacht haben, nein, Sie feiern übermorgen wieder
den 1. Mai.
Ich sage Ihnen ehrlich: Ihre Arbeitsmarktpolitik, meine Damen und Herren
von der Sozialdemokratie, ist schwach. Und diese Schwäche ist der eigentliche
Verrat an der Geschichte der Sozialdemokratie. Merken Sie sich das am
1. Mai! (Beifall bei den GRÜNEN.)
Vorsitzende GRin Inge Zankl: Als Nächste zum Wort gemeldet
ist Frau GRin Praniess-Kastner. Ich erteile es ihr.
GRin Karin Praniess-Kastner (ÖVP-Klub der
Bundeshauptstadt Wien): Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Wir sprechen heute über die leidige Situation auf dem Wiener
Arbeitsmarkt, und Herr Kollege Bacher-Lagler hat von uns Lösungskonzepte
eingefordert. Diese werden wir Ihnen jetzt als Opposition vorstellen.
Der Schwerpunkt der Debattenbeiträge liegt ja bei den
Arbeitslosenzahlen, die ja leider sehr, sehr hoch sind, bei den Jahreszahlen,
bei der Streitfrage, ob die Arbeitsuchenden, die in Schulungen sind,
dazugerechnet werden oder separat gerechnet werden, bei Armut, bei Kinderarmut.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, von der Arbeitslosigkeit
von Menschen mit Behinderung wird hier nicht gesprochen. Darüber wird von
Seiten der SPÖ weder diskutiert noch wird es erwähnt. Das wird von Seiten der
Stadtregierung regelmäßig unter den Tisch fallen gelassen. Und das ist im
sozialen Wien, meine Damen und Herren, ein Armutszeugnis! Im sozialen Wien gibt
es da einiges, das von Ihrer Seite her korrigiert werden müsste.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum Beispiel die Integration von
behinderten Menschen in den ersten Arbeitsmarkt. Ja, Sie haben richtig gehört:
in den ersten Arbeitsmarkt. Wir haben Zahlen des FSW zum Thema Gleichstellung
auf dem Arbeitsmarkt. Da gibt es noch einen Riesenaufholbedarf, denn: Es gibt
4 000 Menschen in Wien, die in Beschäftigungstherapie untergebracht sind.
Das ist aber nicht ein Beschäftigungsverhältnis im herkömmlichen Sinn, wie wir
es verstehen, wo man Lohn und Gehalt bekommt und einen Pensionsanspruch
erwirbt, sondern behinderte Menschen werden mit einem Taschengeld abgespeist,
das auch seit Jahren nicht valorisiert wird, seit Jahren nicht angepasst wird,
und sie sind auch nicht pensionsversichert. Das heißt, diese 4 000
Menschen scheinen in keiner Arbeitslosenstatistik auf, und Ihr Engagement für
diese Gruppe vermisst man leider auch.
Meine Damen und Herren! Wir haben bereits 2008 einen Antrag im
Gemeinderat zur Schaffung der Rahmenbedingungen für den Erwerb von
Versicherungszeiten für behinderte Menschen, die in Beschäftigungstherapie
sind, eingebracht. Wir haben damals einen Beschlussantrag eingebracht. Die
Reaktion der SPÖ: Abgelehnt! - Das brauchen wir anscheinend in dieser Stadt
nicht. Die Betroffenen bleiben somit weiter Bittstellerinnen und Bittsteller.
Sie nehmen lieber Budgetmittel aus dem Sozialhilfetopf, anstatt dafür zu
sorgen, dass diese Menschen im Alter eine reguläre Pension bekommen. Hier
bilden leider die Finanz- und die Sozialstadträtin eine traurige Allianz, und
zwar gegen die Interessen der behinderten Menschen in Wien. Das ist für Wien
ein weiteres Armutszeugnis.
Und der Paradigmenwechsel, der von mir immer wieder in der Politik für
behinderte Menschen eingefordert wird, wird sehr langsam vollzogen. Das sieht
man auch daran, dass die Erfüllung der Behinderteneinstellungspflicht nach dem
Behinderteneinstellungsgesetz im Bereich der Landeslehrer, aber auch im Bereich
der Wiener Stadtwerke eine große Lücke aufweist. Und die Gemeinde Wien als
Dienstgeberin stört das anscheinend nicht im Geringsten. Die Ignoranz gegenüber
den bestehenden Problemen geht sogar so weit, dass behinderten Menschen in
dieser Stadt selbst die Schuld daran gegeben wird, dass sie keinen Arbeitsplatz
finden.
Ich zitiere dazu einen Satz aus der Anfragebeantwortung von StRin
Wehsely, die auf die simple Frage, was die Stadt Wien zu tun gedenke, um ihrer
Einstellungspflicht nach dem Behinderteneinstellungsgesetz nachzukommen, sinngemäß
sagt: Trotz Sonderaktion ist die Zahl der Dienstposten eben nicht beliebig zu
vermehren, und man müsse außerdem berücksichtigen – und hier zitiere ich
wörtlich –, dass die Behinderten in der Regel die erforderliche Ausbildung
nicht aufweisen.
Also diese Behauptung, meine Damen und Herren, spricht Bände, denn es
sind nicht behinderte Menschen, die auf diese Ausbildung von sich aus
verzichten, sondern es sind Sie, die SPÖ-Stadtregierung, die ihnen die
Möglichkeit verwehren, diese Ausbildung zu erhalten.
Meine Damen und Herren! Wenn Sie endlich die Inklusion in allen
Bereichen leben würden - Kindergarten, Schulausbildung und so weiter -, dann
würde sich auch die Arbeitsmarktsituation für behinderte Menschen erheblich
verbessern.
Und dort, wo es erste Ansätze zu einer nachhaltigen
Verbesserung gibt, nämlich durch die Pflegegeldergänzungsleistung, fehlt mir
die notwendige Entschlossenheit, diesen Weg auch wirklich fortzusetzen. Denn:
Die Pflegegeldergänzungsleistung für behinderte Menschen zielt ja darauf ab,
behinderte Menschen wieder in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Und wie
es mit der Pflegegeldergänzungsleistung nach 2011 weitergeht, steht in den
Sternen. Ich habe auch nicht den Eindruck, dass Sie intensiv daran arbeiten,
denn sonst würden Sie sich nach der Bundesleistung „persönliche Assistenz am
Arbeitsplatz" richten und sich daran ein Beispiel nehmen
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