Gemeinderat,
59. Sitzung vom 29.04.2010, Wörtliches Protokoll -
Seite 14 von 89
glaube ich, eine Frage und keine
Doppel-Conférence mit Herrn Wagner!
Vorsitzender GR Godwin Schuster
(unterbrechend): Er wird das auch
nicht provozieren.
GR Mag Gerald Ebinger (fortsetzend): Wir haben jetzt verschiedene Aspekte von
Frau Kollegin Vassilakou und Herrn Kollegen Dworak gehört.
Ich meine, wenn wir über Heizkostenzuschüsse
reden, sollten wir auch einmal von den Leuten reden, die gar keinen
Heizkostenzuschuss brauchen, weil sie wohnungslos sind.
Wir hatten jetzt den Beirat im Fonds Soziales
Wien, und in dem Wirtschaftsbericht steht: „Wiener Wohnungslosenhilfe: Anstieg
von 2008 auf 2009 um 8,3 Prozent.“ –
Das heißt: Die Auswirkungen werden natürlich von der Stadt Wien bezahlt, indem
wir mehr Geld ausgeben, um Wohnungen für die Wohnungslosen zur Verfügung zu
stellen.
Ich frage nun aber Sie als soziale
sozialistische Sozialstadträtin, sehr geehrte Frau Stadträtin, wieso es möglich
ist, dass in einem sozialistisch regierten Wien die Zahl der Wohnungslosen
jährlich ansteigt.
Vorsitzender GR Godwin Schuster:
Bitte, Frau Stadträtin.
Amtsf StRin Mag Sonja Wehsely:
Herzlichen Dank, Herr Kollege Ebinger, für die Frage! Es ist dies das übliche
Spiel der Verdrehung von Ursache und Wirkung.
Ich ziehe noch einmal Oberösterreich heran:
In Oberösterreich gibt es 5 000 Sozialhilfebezieher, in Wien gibt es
100 000. Jetzt könnte man daraus den falschen Schluss ziehen, dass sich
das deswegen so verhält, weil in Oberösterreich Honig und Milch fließen und es
dort keine Armut gibt. Man kann aber auch den richtigen Schluss ziehen, dass
dort die Non-take-up-Rate auch auf Grund der hohen Hürden so hoch ist, dass die
Menschen gar nicht zu ihrem Recht kommen.
Dasselbe gilt für das Thema der
Wohnungslosenhilfe. Die Wiener Wohnungslosenhilfe gilt europaweit als Best
Practice. Europäische Städte, aber auch österreichische Städte wie zum Beispiel
Graz –
und Graz ist bekanntlich nicht sozialdemokratisch regiert – bauen jetzt nach dem
Wiener Vorbild eine stufenweise Wohnungslosenhilfe auf, und der Anstieg ist
durch neue Angebote zu erklären.
Die damit zusammenhängende Problematik muss
man immer hinterfragen, und man muss diese Fragen auch beantworten. Ich
beantworte diese ganz klar im Sinne der Menschen, die Hilfe von dieser Stadt
brauchen. Würde ich das nicht tun, würden sich diese Fragen erübrigen. –
Diesfalls ist das zum Beispiel ganz stark dadurch erklärbar, dass wir stärkere
Angebote für obdachlose Frauen geschaffen haben, weil wir wissen, dass gerade
Obdachlosigkeit bei Frauen oft versteckt ist und sie es schaffen, sozial nicht
aufzufallen, auf diese Weise aber abhängig werden. Daher haben wir uns
entschieden, mehr Plätze zu schaffen, und erfreulicherweise werden diese Plätze
angenommen.
Wir sind das einzige Bundesland, das
Notschlafstellen für Jugendliche anbietet. Wir haben entsprechende
Einrichtungen und Angebote für obdachlose Jugendliche, die aus welchen Gründen
auch immer obdachlos sind, geschaffen, die erfreulicherweise angenommen werden.
Hätten wir diese Angebote nicht geschaffen, gäbe es keinen Anstieg, denn dann
hätten die Menschen nicht die Möglichkeit, das Angebot anzunehmen.
Mir ist es wichtig, mir immer wieder
anzuschauen, wo es Notwendigkeiten gibt, und es ist schlicht und ergreifend ein
Fehlschluss, dass die Investitionen einer Stadt in ihren Sozialstaat
beziehungsweise in ihre Sozialstadt ein Indiz dafür sein könnten, dass es den
Menschen dort besonders schlecht geht. Genau das Gegenteil ist der Fall! Diese
Stadt lässt niemanden allein! (Beifall bei der SPÖ.)
Vorsitzender GR Godwin Schuster:
Danke.
Wir kommen nun zur 5. Frage. (FSP – 01697-2010/0001 – KGR/GM). Sie
wurde von Frau GRin Cammerlander gestellt und ist gleichfalls an die Frau
amtsführende Stadträtin der Geschäftsgruppe Gesundheit und Soziales gerichtet. (Ab Juni soll es laut Medienberichten in der Westpassage am Karlsplatz
keinen Spritzentausch für schwer Suchtkranke mehr geben. Gerade diese
niederschwellige Einrichtung an einem zentralen Punkt der Stadt ist für
Betroffene, die den Weg in andere Betreuungseinrichtungen scheuen, unersetzbar.
Stellt die Stilllegung dieser gut etablierten und von den Betroffenen bestens
angenommenen Maßnahme der Einrichtung Streetwork in der Westpassage am
Karlsplatz den ersten Schritt zur Auflösung der Einrichtung Streetwork selbst
dar?)
Bitte, Frau Stadträtin.
Amtsf StRin Mag Sonja Wehsely:
Liebe Frau Gemeinderätin!
Ich zitiere Ihre Frage zur örtlichen
Verlegung des Spritzentausches wörtlich: „Stellt die Stilllegung dieser gut
etablierten und von den Betroffenen bestens angenommenen Maßnahme der
Einrichtung Streetwork in der Westpassage am Karlsplatz den ersten Schritt zur
Auflösung der Einrichtung Streetwork selbst dar?“ – Zitat Ende.
Die Antwort ist: Nein! Und ich unterstreiche
das dreimal und versehe es mit vielen Rufzeichen! Ganz im Gegenteil! Streetwork
wird durch die Maßnahmen, die wir jetzt setzen, aufgebaut und ausgebaut,
insbesondere durch die Schaffung von TaBeNo.
Wir haben all das im Drogenbeirat diskutiert,
und es wurde berichtet, dass es zukünftig mehr Menschen geben wird, die bei
Streetwork tätig sind. Das Einzige, was wir jetzt tun, ist, rechtzeitig auf
eine Situation zu reagieren, die es in Wien geben wird: Ab Anfang Juni des
heurigen Jahres wird die Passage auf dem Karlsplatz umgebaut. Es wird eine
Renovierung der WC-Anlagen und des Aufgangs zur Elisabethstraße erfolgen, und
wir wissen, dass sich sehr viele Suchtkranke in diesem Bereich aufhalten. Daher
müssen wir rechtzeitig jetzt reagieren, weil sich die Suchtkranken dann nicht
mehr dort aufhalten können werden.
Die eine Variante, die ich
für schlecht halte, wäre, sozusagen so zu tun, als gäbe es keine Veränderungen,
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular