Gemeinderat,
36. Sitzung vom 25.06.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 70 von 108
den Verbraucherpreisindex anschaut, zeigt sich, dass die Gebühren viel stärker als die Inflationsrate gewachsen
sind.
Im selben Zeitraum sind
auch die Energiekosten exorbitant gestiegen. Die Haushalte zahlen um 45 Prozent
mehr, und das, obwohl sie in den meisten Fällen von einem Versorgungsbetrieb,
der im hundertprozentigen Eigentum der Stadt Wien steht, versorgt werden. Hier,
das muss ich ganz deutlich sagen, trägt der Herr Bürgermeister die politische
Verantwortung! (Beifall von Bgm Dr Michael Häupl: Bravo!)
Wenn Sie hier applaudieren,
dann freue ich mich schon auf Ihre positive Anfragebeantwortung in unserem
Sinne, dass ausgegliederte Betriebe dann als vogelfrei dargestellt werden und
vor allem Sie nicht mehr das Durchgriffsrecht für sich in Anspruch nehmen
möchten. Ich denke, das politische Durchgriffsrecht gibt es allemal. Es ist
leichter durchzusetzen als vieles andere. Es muss wieder sichergestellt werden,
dass sich alle in Zukunft auch die Energiekosten leisten können. Der Bund hat
bereits einen Beitrag geleistet und die Stadt Wien muss ihren dazu leisten! (Beifall
bei der ÖVP.)
Ein letzter Punkt noch: Die Statistik Austria, auch,
glaube ich, unverdächtig, der ÖVP besonders nahezustehen, weist den Inflationsanstieg
zu zwei Drittel den Bereichen Wohnen, Wasser und Energie zu. Auch hier keine
globalen Einflüsse, sondern sehr lokale und spezifische, die mit Wien zu tun
haben.
Sehr geehrte Damen und
Herren, wie gesagt, wir haben hier eine ganz dramatische Situation vor uns! Wir
akzeptieren, dass sich Wien natürlich nicht vom Weltmarktphänomen abkoppeln
kann. Bei unserer Dringlichen Anfrage geht es aber, und das ist ganz deutlich
hervorzuheben, nicht darum, die globalen Erscheinungen der Inflation zu
diskutieren, sei es Ölpreis, sei es Nahrungsmittelsituation oder was auch
immer, uns geht es darum, die lokalen Auswirkungen und die lokalen Verursacher
zu diskutieren und was die Stadt Wien tun kann. Wien muss nämlich handeln! Wer
jetzt nicht handelt, handelt unsozial, sehr geehrte Damen und Herren! Es ist
eine ganz dramatische Entwicklung gegeben!
Ich hoffe, und die
Körpersprache des Herrn Bürgermeisters lässt mich noch weiter hoffen, dass Ihre
Anfragebeantwortung in eine Richtung geht, dass Sie heute hier einen Kurswechsel
einleiten und der Gebührenabzocke Ihrer Stadtratsriege ein Ende setzen! (Beifall bei der ÖVP.)
Vorsitzende GRin Inge Zankl:
Zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage hat sich der Herr Bürgermeister zum
Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.
Bgm Dr Michael Häupl: Frau Vorsitzende!
Sehr geehrte Damen und Herren Gemeinderäte! Insbesondere Herr Spartenobmann der
Wiener Wirtschaftskammer!
Zu Ihrer Dringlichen Anfrage der ÖVP-Gemeinderäte
betreffend „Wiener Maßnahmenpaket zur Inflationsbekämpfung", wonach die
Wiener Gebühren und Tarife gehörig mitverantwortlich sein sollen für die
Inflation in Wien, möchte ich zunächst einmal darauf hinweisen, dass es sich
bei der Inflationsproblematik selbstverständlich in keinster Weise um ein
lokales oder gar Wien-regionales Phänomen handelt.
Dass in der Begründungseinleitung auf eine Aussage
des Experten und Vorstandsmitglieds der Oesterreichischen Nationalbank, Josef
Christl - nicht unbekannt, wohlgemerkt -, die er bereits im Rahmen eines am
15. Februar 2008 im „WirtschaftsBlatt" erschienenen Artikels aus dem
Anlass einer Studienpräsentation der Oesterreichischen Nationalbank getätigt
hat, abgestellt wird, lässt auf einen eher schwerfälligen Diskussionsprozess
schließen. Anders erscheint die gegenständliche Dringliche Anfrage nunmehr Ende
Juni beziehungsweise deren Begründung kaum erklärbar.
Das äußerst selektive Zerren von Teilen
beziehungsweise Passagen dieses Artikels in den von ihm selbst ausgehenden
Kerzenschein giert nun förmlich nach einem leuchtstarken und grellen
Suchscheinwerfer, sodass ich mir eine kurze Vorlesung aus dem zitierten Artikel
des „WirtschaftsBlatts", ähnlich wie die Zitierungen vorhin auch gewesen
sind, wohl schwer verkneifen kann. Unter anderem steht dort geschrieben: „‚In
Sachen Inflationsbekämpfung kritisiert die Nationalbank die
Wirtschaftspolitiker des Landes. Das Budgetdefizit ist uns eindeutig zu hoch
und wirkt inflationstreibend.', vermisst Christl mehr Ambition bei der Senkung
des Defizits."
Sehr geehrte Gemeinderäte von der ÖVP, angesichts des
erst gestern beschlossenen und somit sehr frischen Rechnungsabschlusses 2007
der Stadt Wien mit einem ausgeglichenen Haushaltsergebnis erlaube ich mir davon
auszugehen, dass die Oesterreichische Nationalbank und der Experte, Herr
Direktor Univ-Doz Mag Dr Josef Christl mit dieser Aussage wohl eher nicht die
Stadt Wien gemeint haben kann.
Weiters steht in diesem Artikel des
„WirtschaftsBlatts" zu lesen: „Als hausgemachte Inflationsfaktoren nannte
die Nationalbank die Anhebung der Mineralölsteuer zur Jahresmitte 2007, die
immerhin für 2,5 Prozentpunkte des Energiepreisanstieges und sogar
6 Prozentpunkte der Treibstoffinflation verantwortlich sei. Ebenfalls
stark verteuert haben sich Nahrungsmittel mit einem Inflationsbeitrag von etwa
0,9 Prozentpunkten sowie Industriegüter, vor allem bei Kleidung und
Schuhen und Dienstleistungen, mit je 0,7 Prozentpunkten." - Ende des
Zitats.
Sie werden mir zu diesen Sachverhalten wohl
beipflichten müssen, dass hinter dieser Entwicklung in diesen Tätigkeitsfeldern
nicht die Stadt Wien steht beziehungsweise stehen kann. Die von Ihnen prominent
durch Kursivsetzung in den Vordergrund gestellte Passage mit der behaupteten
überdurchschnittlichen Steigerung der Gebühren, den Kosten für Müllabfuhr
lautet in der Tat wörtlich: „Die Kosten für Müllabfuhr, Abwasserbeseitigung,
Arztrezepte, Post, Bahn, Bus und ORF seien deutlich gestiegen und hätten
immerhin 0,3 Prozentpunkte zur Jahresinflation beigetragen." -
Gestatten Sie mir dazu eine ganz kleine Randbemerkung: Für die Müllabfuhr und
die Abwasserbeseitigung zeichnet die Stadt Wien verantwortlich. Die restlichen
in dieser Aufzählung enthaltenen Lebensbereiche fallen sicherlich nicht in die
Ingerenz der Stadtverwaltung.
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