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Gemeinderat, 58. Sitzung vom 30.06.2005, Wörtliches Protokoll  -  Seite 73 von 104

 

Bohmann-Verlag sagen.

 

Es geht also hier um eine Medien-Cross-over-Strategie, wobei diese Sprache eigentlich eine gigantische Propagandalawine verhüllt, die hier auf die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt herniederprasseln wird.

 

So wie schon beim Compress Verlag haben wir es mit einem Schmalspurausschreibungsverfahren zu tun, und es darf nicht wundernehmen, dass auch bei diesem mehr als lukrativen Auftrag sich die Zahl der Bewerber – welch Wunder! – in einem überschaubaren Rahmen gehalten hat. Abermals hat es der Lokalmatador geschafft, der ja auch in seinem Bewerbungsschreiben darauf hingewiesen hat, dass er auf bestehende Medienmechanismen aufbauen kann, auch auf die guten Kontakte zur Gemeinde Wien verweist. Also das dürfte offenkundig doch schon die halbe Miete für diesen sehr lukrativen Vertrag sein.

 

Worum geht es? Also es geht hier um die Herstellung verschiedenster Drucksorten. Die Zeitung "wien.at", zwölfmal jährlich mindestens, plus Sonderbeilage und "wien.at. aktuell", 130 000 Auflage – im ersten Fall waren es eine Million Stück –, verschiedene Mitarbeiterzeitungen, eine Fülle von Direct Mails – bis zu 50 Direct Mails pro Jahr sind hier avisiert – und die Einrichtung eines Call-Centers, um so genannte Lebenslagenmagazine für alle möglichen Zielgruppen. Es geht weiters auch um die Herstellung etwaiger Themenmagazine. Also man kann sich schon vorstellen, welch ungeheure Propagandalawine da auf uns zukommt, und das rechtzeitig zu Beginn eines angeblich so kurzen Wahlkampfes.

 

Frau Kollegin Novak, auch ich bin des sinnerfassenden Lesens mehr als mächtig, und als Jurist schaue ich mir eigentlich so Verträge recht gern an. Ich werde in einer meiner kommenden Vorlesungen – ohne natürlich die Anonymität und die Verschwiegenheit, zu der ich mich verpflichtet fühle, zu enthüllen – diesen Vertrag mit dem Bohmann Verlag als den Prototyp eines Knebelungsvertrages meinen Studenten darstellen, denn was hier teilweise vom Auftragnehmer abverlangt wird, das kann man wohl wirklich nur als eine sittenwidrige Vertragsgestaltung darstellen. Ich darf dann noch ganz kurz darauf zurückkommen.

 

Was ist also hier alles interessant, das dargestellt wird? Auf der einen Seite geht es Ihnen offenkundig wirklich darum, dass der Verlag denselben Personen oder im Naheverhältnis zu diesen Personen stehenden Personen gehört, die jetzt den Verlag beherrschen. Nicht anders ist es zu erklären, dass Sie sich in diesem Vertrag eine fristlose Kündigungsmöglichkeit für den Fall ausbedungen haben, dass sich die Anteils- oder Beherrschungsverhältnisse maßgeblich ändern. Und das ist schon sehr eigenartig, wenn man davon ausgeht, dass es sich hier um einen Dienstleistungsvertrag oder auch um eine Art Werkvertrag handelt. Also wenn ich mit meinem Installateur einen Werkvertrag abschließe und bei dem ändern sich die Firmen- und Beteilungsverhältnisse, ich wüsste nicht, warum ich diesen Vertrag kündigen könnte. Es geht doch nur darum, dass das Produkt, das ich bestellt habe, auch vertragsgemäß hergestellt wird. Ihnen geht es offenkundig um politische Zuverlässigkeit, und insofern fühlt man sich bei der Lektüre dieses Vertrages wirklich in die 60er Jahre, aber nicht diesseits, sondern jenseits des Eisernen Vorhanges zurückversetzen. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Des Weiteren haben Sie so Klauseln drin wie verschuldensunabhängige Vertragsstrafen, bei denen ein richterliches Mäßigungsrecht von vornherein ausgeschlossen wird. Als Jurist darf ich Ihnen sagen, solche Klauseln haben überhaupt keinen Sinn, sie sind nur Beweis für die Sittenwidrigkeit des Inhaltes. Ein richterliches Mäßigungsrecht besteht nämlich genau darin, das der Richter solche sittenwidrigen Klauseln, unabhängig von einem Ausschluss des Mäßigungsrechtes, auch mäßigen kann. Möglicherweise ist der Auftragswert aber so hoch, dass offenkundig hier die Vertragsstrafen schon einkalkuliert sind.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vollends interessant wird es aber, wenn man sich dann anschaut, welche Qualitätskriterien des Redaktionsbüros Sie diesem Vertrag zu Grunde gelegt haben.

 

Im Punkt 1 wird darauf verwiesen, dass das Redaktionsbüro schon eine langjährige Erfahrung in der Zusammenarbeit mit der Stadt Wien hat – also auch das ist wieder typisch, man muss hier entsprechende Zuverlässigkeit schon durch jahrelange Tätigkeit für die Gemeinde Wien unter Beweis gestellt haben –, dass es flexibel ist und so weiter. Das lasse ich mir ja noch einreden.

 

Aber dann unter Punkt 4 steht Loyalität: „Alle Mitarbeiter des Redaktionsbüros verstehen sich als verlängerter Arm der Kommunikation der Stadt Wien und sind dem Auftraggeber gegenüber absolut loyal." Also das muss man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen, dass man hier ein Medien-Fullservice auslagert und sich dann sozusagen zugestehen lässt, dass man sich als verlängerter Arm des Auftraggebers sieht, und absolute Loyalität verlangt.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das sind wahrhaft Liebesgrüße aus Moskau, aber nicht aus dem Moskau des Jahres 2005, sondern aus den 60er Jahren. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Des Weiteren legen Sie Ihrem Auftragnehmer Geheimhaltungspflichten auf, dass man hier Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse wahrt. Man könnte diesen Punkt Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse vielleicht noch einmal um einen Punkt, nämlich "Parteigeheimnisse" erweitern, denn dann wäre es wahrscheinlich genau das, was Sie sich in Wirklichkeit vorstellen. Und wenn der Auftragnehmer eine Geheimhaltungspflicht trotz aller erdenklichen Bemühungen verletzt hat, auch dann gibt es Vertragsstrafen, auch dann gibt es entsprechende fristlose Kündigungsmöglichkeiten.

 

Da stellt sich dann schon die Frage, wenn es wirklich nur darum geht, ein Journal wie das "wien.at" oder ein paar Themenmagazine zu versenden, welche Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse offenbaren Sie denn da Ihrem Vertragsnehmer, dass Sie ihm derartige Geheimhaltungspflichten, derartige Loyalitätsversprechungen abverlangen.

 

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