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Gemeinderat, 47. Sitzung vom 22.10.2004, Wörtliches Protokoll  -  Seite 61 von 82

 

Unwahrheit verbreiten.

 

Es sind auch Fremdlieferungen zu erwarten, das heißt, es ist Mülltransport zu erwarten. Da steht hier - damit wir ein bisschen an Details haben: „die auf das Entgelt entfallende Umsatzsteuer sowie der Altlastenbeitrag für das Verbrennen von Abfällen" - und jetzt kommt es, das steht im Akt drin -, „soweit von der MA 48 angeliefert". Das ist ja klar: Was nicht von der MA 48 angeliefert wird, wird die MA 48 nicht zahlen; aber da gibt es eben Fremdlieferungen, die sind nicht ausgeschlossen. (Amtsf StRin Mag Ulli Sima schüttelt den Kopf.)

 

Na, dann können Sie eben keine Verträge lesen, oder Sie wollen sie nicht lesen. Ich weiß schon, Sie können ja nicht einmal das Statistische Handbuch lesen: Was mehr oder weniger ist, was steigend oder fallend ist. Wer das nicht kann, soll sich doch auch in Vertragswerken lieber auf die Opposition verlassen, das ist sicher hilfreicher.

 

In vielen Presseaussendungen beklagt Bgm Häupl, dass Wien vom Bund zu wenig aus dem Finanzausgleich erhält. Immer hören wir von Häupl: Der böse Bund, es ist schrecklich mit dem Bund, immer ist der Bund schuld! Wieso lässt dann der Herr Bürgermeister zu, dass ein Projekt in der Größe - jetzt können wir streiten: Sind es 180 Millionen, sind es 222 Millionen EUR? -, wieso lässt dann dieser Bürgermeister zu, wenn Wien so sparen muss und der Bund uns so fürchterlich aushungert, dass ein Projekt in dieser Größe ohne EU-weite Ausschreibung vergeben wird? Bitte sagen Sie den Wienern: Ist Ihnen das wirklich nicht EU-weit eine Ausschreibung wert? Das kann doch durch eine EU-weite Ausschreibung nicht teurer werden! Das kann mir niemand einreden, dass es der Sinn und Zweck der EU ist, wenn wir gesamteuropäisch ausschreiben, dass dann so ein Werk plötzlich teurer wird. Das heißt, Wien muss offensichtlich im Geld schwimmen, dass wir uns diese Ausschreibung ersparen können! Wenn das Projekt technisch wie auch wirtschaftlich erstklassig wäre, dann brauchte Wien sich vor so einer Ausschreibung nicht zu fürchten und brauchte sich auch sonst nicht vor so einer Ausschreibung zu drücken.

 

Eines ist heute schon klar: Wien braucht mehr Mist, sonst ist diese Anlage total sinnlos. Ich habe Ihnen gesagt, wir haben drei Müllverbrennungsanlagen, Sie bauen jetzt die vierte. Wir haben keinen Gemeinderatsbeschluss, das war eine geheime Kommandosache, wobei man mit einer privaten Gesellschaft die Opposition niedergedrückt hat und uns nichts erklärt hat. Wenn wir nachgefragt haben - und die gesamte Opposition wollte im Umweltausschuss nachfragen -, war die Frau Stadträtin nicht bereit, uns eine anständige, ehrliche Antwort zu geben.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich sage Ihnen, man kann über den Inhalt dieses Aktenstückes geteilter Meinung sein, nicht aber über diese Vorgangsweise, einfach alles - und das wird jetzt System - in private Gesellschaften zu verpacken, obwohl in Wirklichkeit über Wien°Kanal, EBS und MA 48 natürlich die Stadt Wien - und das ist eine Tatsache, die ist identisch mit der SPÖ -, obwohl also die Stadt Wien und die SPÖ das Sagen hat. Ich empfinde dies als demokratiepolitische Sauerei, nämlich die Methode, die jetzt in dieser Stadt immer mehr Platz greift: Die Methode, so genannte private Gesellschaften zu gründen, diesen durch amtsführende Stadträte ohne Information im Ausschuss Aufträge zu erteilen und die Opposition - und zwar die gesamte Opposition - blöd sterben zu lassen. Es ist dies vielleicht gut für kurzfristige Erfolge für Sie, aber schlecht fürs politische Klima.

 

Ich sage Ihnen: Treten Sie die demokratischen Spielregeln nicht so mit Füßen! Und ich sage Ihnen, so einen Antrag müssen wir ablehnen. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer: Nächster Redner: Herr GR Hufnagl. - Bitte.

 

GR Heinz Hufnagl (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtags und Gemeinderats): Herr Vorsitzender! Frau Berichterstatterin! Meine sehr verehrten Damen und Herren des Wiener Gemeinderates!

 

Der Bogen der hier von der Opposition dargebotenen Meinungen und Einschätzungen ist schlicht und einfach so breit, dass er auch von der gutwilligsten Regierungspartei nicht unter einen Hut gebracht werden könnte. Auf der einen Seite steht da die neuerliche Verzögerungs- und Verhinderungstaktik der GRÜNEN mit einem Antrag auf Vertagung des Geschäftsstückes: In Wirklichkeit brauchen wir keine Müllverbrennungsanlage. Die ÖVP wiederum reklamiert die Großanlage, die in der SUP als Denkansatz, als Empfehlung drinsteht. Ich werde auf diese beiden Extrempositionen in meinen Ausführungen noch en détail eingehen können.

 

Lassen Sie mich, um hier die Verwirrtheit der oppositionellen Debattenbeiträge ein bisschen zu entflechten, einmal ein wenig in die Genesis der Wiener Abfallwirtschaft hineinblicken. Ich glaube, dass dieser bedeutende, heute zu beschließende Vertrag zwischen der MA 48 und der Wiener Kommunal-Umweltschutzprojektgesellschaft es in der Tat rechtfertigt, sich ein bisschen mit der Zeitleiste der Müllsammlung und Müllentsorgung in Wien zu befassen.

 

Die wichtigsten Meilensteine sind dabei relativ rasch aufgezählt. 1839 - und bis dahin hatte die Kommune den Bürger mit seinen Entsorgungsproblemen allein gelassen - wurde der Mülltransport erstmalig mit städtischen Kehrichtwagen vollzogen. 1923 gab es erstmals die Staubfreiheit der Müllentsorgung in Wien, indem das aus Köln stammende Colonia-System statt der bis dahin offenen Pferdewägen eingesetzt wurde. 1934 war ein Jahr nicht nur mit bedeutungsschwerem politischen Inhalt, sondern auch ein Jahr, in dem die Müllentsorgung per Landesgesetz kostenpflichtig gemacht wurde.

 

1963 wiederum erfolgte die Inbetriebnahme des Müllfernheizwerks am Flötzersteig. Man kann sagen, dass der Urgroßvater dieses Projekts bereits ein Jahrhundert vorher in England das Licht der Welt erblickt hatte. In Leeds beispielsweise wurde bereits 1875 die Müllentsorgung mittels Verbrennungsprozessen vorgenommen. 1971 kam es zur Errichtung des Müllfernheizkraftwerks Spittelau, das bekanntlich 1987 infolge eines Vollbrands

 

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