«  1  »

 

Gemeinderat, 45. Sitzung vom 01.07.2004, Wörtliches Protokoll  -  Seite 20 von 93

 

Stadträtinnen zu reden. Ob das gestern ergangene Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs gerade ein besonders guter Hinweis darauf ist, dass wir es bei der Frau StRin Brauner mit einer Stadträtin zu tun haben, die mit besonderer Sensibilität mit den Fragen umgeht, wage ich zu bezweifeln. (Amtsf StRin Mag Renate Brauner: Lassen Sie sich überraschen!) Ich hoffe, dass wir eines Besseren belehrt werden. Ich hoffe, dass Sie dann, wenn es um die Pflegebedürftigen in dieser Stadt geht, wenn es um die geht, die sich nicht wehren können ... (GR Godwin Schuster: Wie Sie hier Geschichten erzählen, ist es wirklich schlecht, dass Sie das sagen!) Bitte da keine Zwischenrufe, sondern lieber zuhören, Kollege Schuster, weil da geht es um ernste Dinge. Da geht es um sehr ernste Dinge, und da geht es letztlich auch um die Sozialkompetenz dieser Stadt und das ist etwas, wo wir alle die Verantwortung haben. Da geht es nicht um Machtspiele, da geht es nicht darum, dass man mit schönen Worten von Demut redet und die Realität lebt.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieser Untersuchungsausschuss war ja eine Chance, aber wenn wir uns den Bericht ansehen, den die SPÖ mit Mehrheit hier beschließt, mit Mehrheit, dann ist dieser Bericht nichts anderes als das Zeichen, dass Sie es nicht verstanden haben oder nicht verstehen wollen, worum es geht, dass Sie nicht verstanden haben, dass es letztlich um eine Systemfrage geht, dass es um die Frage geht, ob wir in dieser Stadt ein System der Unverantwortlichkeiten, oder ob wir ein System klarer Zuständigkeiten haben, gerade auch im Pflegewesen.

 

Dass beispielsweise 100 Nachbarschaftshilfezentren in Wien, so wie wir das als Wiener Volkspartei seit vielen Jahren verlangen, ein weit menschlicheres System wäre, das dazu führen würde, dass die Menschen so lange wie möglich in ihrer gewohnten Umgebung bleiben können und dass sie nicht in riesige zentralistische Einrichtungen eingewiesen werden. Hier liegen Unterschiede, ideologische Unterschiede, und die gilt es herauszuarbeiten. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie werden jetzt, heute, durch Neuwahl einer Stadtregierung und durch das Drüberfahren den Versuch unternehmen, hier einfach das alles wegzuschieben, um was es geht. Die Probleme bestehen weiter. Die Probleme, mit denen gerade die Älteren in dieser Stadt konfrontiert sind, die Probleme, mit denen die Bürgerinnen und Bürger in dieser Stadt konfrontiert sind.

 

Hier handelt es sich um einen Pflegeskandal und hier handelt es sich darum, dass Änderungen vor sich gehen, dass so etwas nicht mehr möglich ist.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren, aber es geht auch um die politische Kultur in dieser Stadt. Und es ist kein Zeichen politischer Kultur, wenn eine so wesentliche Einrichtung wie der Verfassungsdienst dieser Stadt - und wir merken das schon in den letzten Wochen und Monaten immer häufiger -, als Keule verwendet wird, dass, wenn Bezirksvertretungen Anliegen haben, diese einfach nicht zugelassen werden, dass in Bezirksvertretungssitzungen das nicht zugelassen wird, dass beispielsweise auch jetzt in dieser Untersuchungskommission der SPÖ die Mauer gemacht wird, dass nicht mehr weiter diskutiert wird.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren, hier ist der Appell von unserer Seite an die Stadträtinnen, an die Stadträte, vor allem an den Bürgermeister, gehen Sie mit Einrichtungen wie dem Verfassungsdienst dieser Stadt sorgsamer um. Was passiert, wenn Sie das nicht tun, haben Sie gestern gesehen. Das war jene schallende Ohrfeige, die Sie dafür bekommen haben, dass man im Rechtsstaat nicht die Sensibilität aufbringt, die ihm gebührt. (Beifall bei der ÖVP)

 

Vorsitzende GRin Renate Winklbauer: Für weitere Wortmeldungen bringe ich in Erinnerung, dass sich die Damen und Herren des Gemeinderates nur einmal zu Wort melden dürfen und ihre Redezeit mit fünf Minuten begrenzt ist.

 

Als nächste Rednerin hat sich Frau GRin Dr Pilz gemeldet. Ich erteile ihr das Wort.

 

GRin Dr Sigrid Pilz (Grüner Klub im Rathaus): Meine sehr geehrten Damen und Herren!

 

Die zu Ende gegangene Untersuchungskommission ist ein Lehrstück für Demokratie, wie die SPÖ sie versteht und sie ist ein Lehrstück dafür, dass die SPÖ eine hartherzige, eine selbstgerechte, eine selbstgefällige Partei in dieser Stadt ist, für die ausschließlich das zählt, was ihr dient und die nicht sehen will, was sie in Misskredit bringen könnte und was ihre Politik in Frage stellen würde.

 

Der Bericht, der von der Mehrheitsfraktion vorgelegt wurde, könnte ein Bericht aus dem Orwell’schen Wahrheitsministerium sein, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Da drinnen sind selektiv nur die Dinge zu lesen, die der SPÖ in den Kram passen und es passt zum Verhalten der SPÖ-Abgeordneten während der Ausschusssitzungen, nix sehen, nix hören und vor allem nix kapieren. (GR Godwin Schuster: Ja, ja!) Nicht einmal, werte Kollegen, die Aussagen des Herrn Bürgermeisters finden Niederschlag im Bericht, (GR Godwin Schuster: Wir haben gar nicht genug Zeit gehabt!) denn die Aussagen des Herrn Bürgermeisters waren ein Betriebsunfall. Der Herr Bürgermeister hat nämlich gesagt, es gäbe nichts zu beschönigen, nur 20 Prozent der Beschlüsse seien umgesetzt, es sei nicht gehandelt worden. Nun, diesen Betriebsunfall wollen wir im Bericht nicht sehen. Ich frage mich, was der Herr Bürgermeister eigentlich davon hält, dass seine Aussage nicht berücksichtigt wurde.

 

Dafür verlassen wir uns auf StR Dr Rieder, der schreibt nämlich: 80 Prozent seien erledigt. Offensichtlich gibt es hier zwei unterschiedliche Wahrnehmungen und die SPÖ nimmt zur Kenntnis, was ihr gefällt und nicht, was an Tatsachen auf dem Tisch liegt. (GR Kurt Wagner: Sie haben auch nicht ausgesagt!) Und die Tatsachen, die auf dem Tisch liegen, sind niederschmetternd genug. Mehr als 3 000 Menschen leben nach wie vor in den kasernenartigen Großheimen der Stadt, sie leben auf engstem Raum in Großraumzimmern, ihre Intimsphäre ist ein Bett und ein Nachtkastel.

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular