Gemeinderat,
17. Sitzung vom 24.06.2002, Wörtliches Protokoll - Seite 31 von 145
das Jahr 2001 anschaut, so stellt man fest, die Stadt Wien
war wieder einmal sehr gründlich beim Einnehmen von Abgaben und beim Verbuchen
dieser Abgaben. Wenn es aber darum ging, ihren sozialen Verpflichtungen
nachzukommen, um dieses Geld wieder auszugeben für diejenigen, die das
brauchen, da war man dann schon etwas weniger gründlich, denn wie soll ich mir
sonst erklären, dass es möglich war, 250 000 Wienerinnen und Wiener
auszuschließen.
Man kann sagen, entweder man hat sie vergessen, oder
man kann sagen, man hat sie bewusst ausgeschlossen, und in beiden Fällen ist es
eher bestürzend. 250 000 Wienerinnen und Wiener, habe ich mir gedacht, das
ist eine ordentliche Gruppe. Wenn sie alle in ein und derselben Gegend wohnten,
wenn sie in einem bestimmten Bezirk wohnten, nun, welcher Bezirk könnte das
sein? - Ein einzelner Bezirk ist es nicht, es sind mehrere Wiener Bezirke.
250 000 dürfte in etwa der Bevölkerung von ganz Transdanubien entsprechen.
Ja, aber nicht nur Donaustadt, sondern Donaustadt und Floridsdorf. Jetzt habe
ich mir übrigens gedacht, ich rede eher über Floridsdorf, obwohl Floridsdorf
nur in etwa 110 000 Einwohner haben soll. Aber wie gesagt, wir reden hier
von 250 000, lassen Sie uns aber über Floridsdorf nachdenken.
Also, stellen Sie sich vor, Floridsdorfer und Floridsdorferinnen
bekommen keine Sozialhilfe, außer in Ausnahmefällen, zur Meidung extremer
Härtefälle. Stellen Sie sich weiters vor, Floridsdorfer und Floridsdorferinnen
bekommen kein Pflegegeld, außer zur Meidung von extremen Härtefällen. Stellen
Sie sich vor, behinderte Floridsdorfer und Floridsdorferinnen - also nicht
einmal vor Behinderten macht man da Halt - bekommen keine Behindertenhilfe,
außer zur Meidung von extremen Härtefällen. Stellen Sie sich weiters vor, dass
Pensionistinnen und Pensionisten aus Floridsdorf nicht die Möglichkeit haben,
in Pensionistenwohnhäusern zu wohnen, sie sind einfach unerwünscht. Stellen Sie
sich darüber hinaus vor, Floridsdorfer und Floridsdorferinnen sind in
Gemeindebauten unerwünscht und stellen Sie sich, last but not least, vor,
Floridsdorfer und Floridsdorferinnen haben auch nicht das Wahlrecht. Zur
Sicherheit, damit sie sich auch nicht im Wege von Wahlen über diese Tatsachen beschweren
können. Jetzt muss man sich fragen, was haben die armen Floridsdorfer und
Floridsdorferinnen verbrochen? (GR
Gerhard Pfeiffer: Sie verwechseln Äpfel mit Birnen!) Sie zahlen doch
genauso Steuern, sie tun dasselbe wie jeder andere in diesem Land, was haben
sie sich zu Schulden kommen lassen, und die Antwort darauf ist, Pech gehabt,
nein nichts, nichts, sie sind halt aus Floridsdorf, und das ist jenseits der
Donau und das ist halt da drüben und das gehört nicht dazu und irgendwie deswegen
schließt man sie aus. (GR Gerhard
Pfeiffer: Sie verwechseln Äpfel mit Birnen!)
Aber ihre Abgaben und ihre Steuern, die wollen wir
schon haben, die wollen wir schon haben, die kassieren wir, geben wollen wir
nichts. Nun, meine Damen und Herren, ich glaube, das sollte man so nicht
lassen.
Und somit haben wir eine Reihe von Anträgen vorbereitet,
um Ihnen die Chance zu geben, heuer doch noch Gerechtigkeit für Floridsdorf zu
schaffen. Wir werden also heute und morgen einen Antrag einbringen, den Wiener
Gemeindebau für alle Wienerinnen und Wiener ohne Wenn und Aber endlich zu
öffnen, wir werden den Antrag einbringen, die Sozialhilfe für alle Wienerinnen
und Wiener ohne Wenn und Aber zugänglich zu machen, wir werden den Antrag
einbringen, das Pflegegeld und die Behindertenhilfe für alle Wienerinnen und
Wiener ohne Wenn und Aber zugänglich zu machen, und im Übrigen in diesem
Zusammenhang auch sämtliche Rechtsbestimmungen im Bereich der Sozialleistungen
der Stadt Wien zu durchforsten, denn es kann schon sein, dass das eine oder
andere versteckt ist und dass da auch Diskriminierungen bestehen, von denen ich
jetzt noch nichts weiß. Wir werden auch den Antrag einbringen, die
Pensionistenwohnhäuser für alle Wienerinnen und Wiener ohne Wenn und Aber zu
öffnen und den Wahlrechtsantrag ... (GR
Rudolf Hundstorfer geht vorbei und stolpert über eine Stufe.) Der Herr
Vorsitzende scheint sehr beeindruckt von meiner Rede gewesen zu sein, das hat
ihn fast umgehauen.
Also, mein Klubobmann hat den Antrag bereits eingebracht,
auch das Bezirkswahlrecht, das wir ja in Wien für alle Wienerinnen und Wiener
beschließen können, bitte auch ohne Wenn und Aber, ohne Wartefrist von fünf
Jahren, ohne Einschränkung dessen, was möglich und was nicht möglich ist, wenn
man nachher Bezirksrat geworden ist. Also, diesen Antrag haben wir auch bereits
eingebracht.
Meine Damen und Herren! Auf Bundesebene soll Mitte
Juli in etwa der Integrationsvertrag beschlossen werden und der ist in seinen
Auswirkungen breitest diskutiert worden. Gerade die Kolleginnen und Kollegen
der Sozialdemokratie haben vielfach und sehr scharf kritisiert, dass dieser
Integrationsvertrag kein einziges der bestehenden Probleme löst, sondern im
Gegenteil nur neue schafft. Nun haben wir in Wien die Möglichkeit, morgen am
Abend bei der Abstimmung zumindest die bestehenden Probleme in Wien zu lösen,
und da möchte ich schon sehr hoffen, dass sich möglichst viele von Ihnen den
grünen Anträgen anschließen können und dass wir hier sehr wohl beweisen können,
dass es Wien wirklich besser und anders macht als der Bund.
Sie haben die Möglichkeit, die Hand zu heben und Sie
haben die Möglichkeit, vielleicht endlich einmal etwas weniger sanft zu sein in
der Integrationspolitik. Denn Sie preisen jahraus, jahrein den sanften Weg
Wiens in der Integrationspolitik. Da ist die Rede von der sanften Öffnung des
Gemeindebaus, jetzt haben wir das sanfte Wahlrecht, wir haben die sanfte
Sozialhilfe, wir haben das sanfte Pflegegeldgesetz, wir haben das sanfte Behindertengesetz.
Ich denke, es ist schon an der Zeit, dass Schluss mit sanft ist und dass
endlich einmal konsequent ist. Und, wie gesagt, ich hoffe sehr, dass Wien
morgen die Chance ergreift und wirklich beweist, dass wir anders sind als der
Bund.
Lassen Sie mich jetzt zu einem anderen Bereich
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