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Mein Name ist Magic Christian, bekannt als Zauberkünstler. Bürgerlich war ich Christian Stelzel. Kennt niemand. Der Name ist verballhornt worden, wie vieles, wenn Leute nicht richtig zuhören. In der Schule hab ich Sturz geheißen. Ich bin geboren in Mauthausen. Nicht im KZ, sondern im Krankenhaus. Nachkriegskind. Meine Mutter hat in einem Bauernhof gewohnt, mein Vater war in Wien. Er ist im Lazarett gewesen, weil er aus Russland gekommen ist. Ich bin Zwilling. Meine Zwillingsschwester und ich, wir sind in Mauthausen geboren, im Krankenhaus. Und von einem Kutscher meines Großonkels über die Höhe, ins Krankenhaus von Perg nach Mauthausen gebracht worden. Der Arzt hat bis einem Tag vor der Geburt nicht gewusst, dass es Zwillinge werden. Meine Mutter hat es schon gewusst. Sie hat schon zwei Kinder gehabt. Im Gesamten vier Kinder. Vier-Kinder-Haushalt. Meine Mutter war akademische Malerin, mein Vater Jurist im Gemeindedienst. Er war zuerst bei der Theaterpolizei, später war er im Bezirk tätig. 15. und 16. Bezirk. Er war der Bezirksamtsleiter, also der nichtpolitische Teil der Bezirksleitung. Wir sind mit zwei Jahren nach Wien übersiedelt. Hier war es natürlich schwerer als am Land. Am Land konnte man viel besser mit Lebensmittel versorgt werden. Die Wiener Zeit war hier in der Nähe in einer Wohnung. Gumpendorfer Straße 4, Volksschule. Vier Klassen mit meiner Schwester. Die Klassenlehrerin war eine Frau Niebauer. Man hat viele Klassenkollegen gehabt, an die man sich ... nur schwer erinnern kann. Manche aber doch. Um das ein bisschen zu illustrieren: Unsere Familie hat immer "open house" gehabt, also wir konnten immer Freunde mitbringen. Das war sehr angenehm, weil nach dem Mittagessen hat's immer Kaffee zu trinken gegeben. Später auch, bis ich 18 oder bei meinem Studium 20 war, alle Freunde konnten immer kommen. Wir hatten damals große Kinderfeste, Faschingsfeste. Und Schulkollegen aus der Volksschule haben dort Rollen gespielt. Auch später in der Mittelschule. Ich kann mich nicht an viel erinnern aus der Zeit in der Volksschule. Weil man damals ohnehin nicht so aufpasste, was um einen herum passiert. Ich weiß nur, dass ich in diese Volksschule noch mit kurzen Hosen gegangen bin und mit langen Strümpfen und Strumpfbandgürtel gehabt habe. Es war einfach nicht möglich, lange Hosen zu bekommen. Die hat man nur für einen feierlichen Anzug gehabt. Das muss man sich vorstellen. Kinder mit langen Strümpfen, Strumpfbandgürteln... Das war normal. Heutzutage nicht vorstellbar. Heute geht man in Designerklamotten hin, und alle ärgern sich, wenn einer eine bessere Klamotte anhat als der andere. Es ist damals sehr viel anders gewesen, weil die Straßenbahn ist hier durch die Gumpendorfer Straße gefahren, hat über den Apolloberg Schwung geholt und musste dann auf der Station mit Sand gebremst werden. Ich weiß noch, damals aus dem Fenster schauend, dass irgendeine amerikanische Limousine damals einen unheimlichen Unfall verursacht hat mit einem alten 57er. Viele können sich nicht mehr erinnern, wie die ausgeschaut haben. Die hatten so vorstehende Fenster, schräge, und haben fürchterlichen Lärm gemacht. Die heutigen "Superflüster- straßenbahnen" gab's damals nicht. Das war so richtig "uäääh..." So ein Ton, der durch Mark und Bein gegangen ist. Man hat sich gewöhnt dran, hat auch tief geschlafen, obwohl man diesen Ton immer im Ohr hatte. Die Straßen waren gepflastert, nicht asphaltiert. Also war das auch für den Verkehr, der damals nicht so groß war, ein Rüttel-Erlebnis. Zurück zur Schule: Ich bin dann ins Akademische Gymnasium gegangen. Habe eine Aufnahmeprüfung machen müssen, das war normal. In der heutigen Zeit gibt's das nicht mehr. Jeder darf in die Mittelschule gehen. Aber es gibt talentierte und weniger talentierte. Und ich verstehe nicht, warum alle unbedingt in die Mittelschule gehen müssen, weil der Lehrberuf ist ... wenn man als Lehrling arbeitet, viel, viel interessanter. Mittelschule - fünf Jahre im Akademischen Gymnasium, mit Latein und Griechisch. War interessant. Ich bin froh, dass ich Griechisch gelernt habe. Ging dann in die Stubenbastei. In der Fünften hatte ich Mittelohrentzündung und war drei Monate lang nicht in der Schule. Die hab ich dann in der Stubenbastei wiederholt. Dann plötzlich ist einem der Knopf aufgegangen. Ich hab damals schon zu zaubern begonnen, mit 13. Hab bei den Landschulwochen schon gezaubert. Und wenn man dann englische Literatur bekommt, ich komm dann gleich drauf zurück, dann wird plötzlich das Englisch besser. Man lernt schneller in der Schule, um zu Hause mehr zaubern zu können. Ganz verständlich und logisch, und das hat mir geholfen. Ich hab mir eigentlich in der Schule dann immer leichtgetan. Ich hab später Mathematik- und Lateinnachhilfe gegeben, was mir zugutegekommen ist, weil ich Inschriften heutzutage noch lesen, übersetzen kann. Und griechische... In Griechenland griechische ... Wörter zu lesen, das ist überhaupt kein Problem. Und auch verstehen, zum Teil. In der Schule... Was ist vielleicht noch wichtig? In der Nähe hat's den Eislaufverein gegeben. Ich war dort immer eislaufen. Ich hatte eine Jahreskarte mit meinen Schulkollegen. Erst unlängst haben wir mit diesen 50-jähriges Maturatreffen gehabt. Und diese Schulkollegen sind mit mir damals alle Eislaufen gegangen. Das heißt, Vormittagsunterricht, zu Mittag zwei Stunden eislaufen, Nachmittagsunterricht. Das war auch üblich. Samstagsunterricht auch. Das kann man sich heute nicht mehr vorstellen. Wir hatten viel mehr Stunden als die Schüler heute. Meine Frau unterrichtet selbst, und wenn man heute denkt, dieses ganze Wissen in fünf Tagen, in circa 32 Wochenstunden einzubläuen... Wir haben damals sicher auch 36 gehabt mit Literaturgeschichte und Turnen am Nachmittag und allen möglichen Freigegenständen, die man eigentlich besuchen sollte. Vom Akademischen Gymnasium wären viele Geschichten zu erzählen, weil es Lehrer gegeben hat, die eigentlich gar nicht auf Schüler eingegangen sind. Die waren noch so schlechte Didaktiker, die den Schülern eigentlich nichts beigebracht haben, nur vorgetragen haben, wie es an der Uni auch passiert. Es ist schlecht, wenn ein Lehrer nicht auf die Schüler eingeht. Heute ist das vielleicht besser geworden. Man kann sich dann an die Lehrer erinnern, die einen dann nachher durchgetragen haben durch die Schule, und interessant waren, interessant vorgetragen haben. Da war in der Stubenbastei ein Fall. Ein Dr. Tögel, der Deutsch unterrichtet hat. Der war ein junger, ambitionierter Lehrer. Wir haben dem alle an den Lippen gehangen, weil der hat Deutsch und Geschichte unterrichtet und das interessant gemacht. Genauso der Lateiner, der im Lateinunterricht nicht nur stur übersetzt hat, sondern auch die Geschichten, die damals passiert sind, in Rom und im Römischen Reich, illustriert hat. Einem beigebracht hat, warum das so heißt und warum die Verbindungen zu deutschen Wörtern noch so sind. Es ist in der Schule interessant... Ich muss einen Sprung machen zum Zaubern, weil ich mit 13 angefangen hab zu zaubern, über ein kleines Zauberbuch. War in der Bibliothek von meinem Vater, er hat's aus dem Krieg mitgebracht. Hanns Friedrich, "Kartenkunst ohne Fingerfertigkeit". Wenn man so ein Buch liest, dann schaut man sich das an, die Erklärung, dann denkt man, das kann nicht möglich sein. Dann probiert man's mit Spielkarten aus, den Patience-Karten meiner Mutter und denkt sich: "Wieso funktioniert das?" Dann kommt man drauf. Ich kann mich noch erinnern, mit 14 hab ich dann bei der Silvesterfeier für meine Eltern und die Bekannten, Freunde, die da waren, gezaubert. Und plötzlich wird man als pubertärer Jugendlicher interessant. Die sagen: "Ah, was hast denn da gemacht?" Und: "Wie geht das?" Und da beginnt man halt auch genau... Was ich damals noch nicht gewusst hab: Der alte Goethe hat schon gesagt: "Zaubern ist ein wunderbares Mittel, um sich körperlich und geistig zu ertüchtigen." Und es ist wirklich so. Zaubern hat alles in sich, was man braucht: Sprache, Schauspielerei, Psychologie, Mathematik, Chemie. Nicht umsonst wird gesagt, dass alle Wissenschaften der Zauberkunst Pate gestanden sind. Zauberkünstler waren seit den alten Sumerern immer diejenigen, die die Weisen des Volkes gewesen sind. Und wer mehr gewusst hat, der hat die Macht gehabt, ein Volk zu dirigieren. Das ist heute auch noch so. Wahrscheinlich auch bei den einfachen Völkern. Aber auch Politiker, die ein Charisma haben, denen wird geglaubt. Auch wenn man zurückgeht in die Nazizeit, wie viele Leuten haben sich scheu- klappenmäßig nur an etwas gehalten und plötzlich einen charismatischen Führer gehabt. Und nicht einmal gesehen, was alles so nebenbei passiert und was alles Schreckliche passiert. Da kann ich auch den Sprung nach Mauthausen machen. Weil ich habe die Erfahrung gemacht als kleines Kind, dass eigentlich viel zu wenig Leute genau gewusst haben... Man muss wissen, dass das Lager in Mauthausen sechs Kilometer außerhalb ist in der Nähe von Gusen. Und viele Leute in Mauthausen nicht gewusst haben, was wirklich dort passiert. Wieso? Weil die Bewacher des Lagers alle aus Deutschland gekommen sind und keinen Kontakt haben dürfen zu der Mauthausener Bevölkerung. Erst bei der berühmten "Hasenjagd" ist den Mauthausenern aufgegangen, was da alles so passiert. Das ist ... eigentlich traurig aber auch wahr. Und vieles wird vermischt. Man muss auch heute sagen, Jugendliche können sich gar nicht vorstellen, wie es zu der Zeit, die ich auch nur aus Erzählungen kenne, zugegangen ist. Über die Besatzungszeit in Mauthausen muss man auch noch sehr vieles erzählen, weil man weiß ja vielleicht heute nicht, dass die Russen erst später ins Mühlviertel gekommen sind. Die Amerikaner haben das Mühlviertel besetzt, und erst im Juli, ich glaube, kurz vor meinem Geburtstag, wurden die Russen im Tauschverfahren dort eingelassen, während die Amerikaner Donawitz, die Obersteiermark, besetzt haben. Das wissen die wenigsten Leute, dass Amerikaner zuerst dort waren. Also praktisch das Lager befreit haben, aber dann sind die Russen gekommen. Und man hat den großen taktischen Fehler gemacht, find ich als politisch Interessierter, dass man den Russen den Zugang zur tschechischen Grenze, praktisch diese Vereinigung mit Tschechien zugelassen hat. Man hat nämlich damals doch ... gedacht, es wird Europa geteilt, und die Donau ist dann die große Teilung. Es ist dann nicht dazu gekommen, durch oberösterreichische und österreichische Politiker. Zur Besatzung muss man sagen, sie waren alle immer sehr nett. Wir hatten immer im Sommer dort eine Wohnung, waren im Sommer in Mauthausen. Ich hab dort auch im Fußballklub gespielt. Und die Russen haben den Kindern Butterbrote gegeben. Aber sie waren immer betrunken. Wodka war in Strömen... Und wenn sie betrunken waren, waren sie unangenehm, zu den Frauen. Sie haben den Kaufmannsladen... Dazu muss man sagen, der hat zufällig "Kaufmann" geheißen und war ein Kaufmannsladen. Sie haben diesen geplündert, den Zucker gestohlen und in die Donau gestreut, weil sie im Rausch geglaubt haben, sie müssen die Donau süß machen. Und mit großen Brotlaiben blatteln versucht. Das ist so, wie man Steine über das Wasser springen lässt. Also das war sehr unangenehm. Zu den Kindern waren sie immer freundlich und haben gelächelt. Wie gesagt, Butterbrote etc. Mein Onkel hat eine Villa dort gehabt, wo die Russen gehaust haben, die Kommandantur, wie das genannt wurde. Und sie haben sich gewundert, dass es im Winter kein warmes Wasser gegeben hat oder die Heizung eingefroren ist. Dann wollten sie meinen Großonkel an die Wand stellen und erschießen, bis der Kommandant dann die Entschuldigung und Erklärung angenommen hat, dass die Russen selber die ganzen Verkleidungen herausgerissen haben und einfach im Wohnzimmer auf dem Marmorboden ein Lagerfeuer gemacht haben. Kann man sich nicht vorstellen. Diese Soldaten waren alle aus Sibirien. Die haben alle Verkleidungen von den Rohren runtergerissen, und die sind im Winter eingefroren. Die Villa war total demoliert. Sie wurde in der Zwischenzeit renoviert, nach dem Abzug. Ich kann mich noch erinnern, dass eine Tochter, eine Tante von mir, also die Tochter meines Großonkels, dann Fotos gemacht hat beim Abzug, das war '55. Ich bin daneben gestanden, und da ist einer gekommen, hat das Gewehr angehalten, die Kamera genommen und aufgemacht, den Film rausgenommen und gesagt: "Wo sind die Bilder?" Sie sagte: "Jetzt haben Sie die Bilder kaputtgemacht, weil die müssen erst entwickelt werden." Er wollte sie erschießen. Man muss sich vorstellen, unter welchen Umständen manche Leute Todesangst gehabt haben. Bis wieder ein Kommandant gesagt ... ihn weggeschickt hat. Vielleicht, weil ich dort als Kind gestanden bin, hat er sie nicht erschossen. Aber das war damals so. Das ist schrecklich. Kommen wir wieder zurück zur Schule. Ich bin natürlich in die Schule gelaufen. Das ist nicht so ... kurz. Vom sechsten Bezirk über den Naschmarkt, Resslpark, ins Akademische Gymnasium. Später in die Stubenbastei, die noch weiter in der Stadt liegt. An der Stubenbastei, Wollzeile. Und wenn man heutzutage über den Naschmarkt geht, das ist ein Restaurantviertel, wenig Grünzeug. Damals war das "der Naschmarkt". Da hat man überall einkaufen können. Da hat's wirklich noch diese Naschmarktstandln gegeben. Die Wienerinnen und Wiener, die verkauft haben. Heute gibt's dort sehr viele Migranten, Ausländer. Vielleicht schon verösterreichischte Türken und Serben, Kroaten, die verkaufen. Aber man kann sich nicht vorstellen, dass in den 60er und 70er Jahren der Plan gewesen ist, die Autobahn, die geplant war, und die nur kurz gebaut wurde, die hat's nur bis zu Strengberg gegeben in den 60er Jahren. Der Plan war, sie bis zum Karlsplatz zu führen. Man hat überlegt, ob man sie unterirdisch im Wienflussbecken führt oder den ganzen Naschmarkt abträgt, um sie bis zum Karlsplatz zu bringen. Die Leute können sich das nicht vorstellen, man wollte eigentlich Klein-Frankfurt machen. Am Karlsplatz ein Verteilerring. Wie das hätte gehen sollen, weiß man nicht. Sind wir froh, dass es nicht gewesen ist. 1975, weiß ich noch, da hab ich schon meine eigene Wohnung gehabt, in der Nähe vom Naschmarkt, da hat man den Großmarkt am Naschmarkt warm abgetragen. Plötzlich in der Nacht hat der ganze Großmarkt gebrannt. Das ist später dem Flohmarkt zugute gekommen, der in der Innenstadt zu groß geworden ist, und den man hier ausgelagert hat. Der Großbrand war eigentlich dazu da, dass man angefangen hat, alle diese Standln, die nicht benützt worden sind, abzutragen. Heute werden die mit viel Geld wieder aufgebaut. Damit man den Naschmarkt wieder so macht. Man hat erkannt: Der Naschmarkt ist eine Begegnungszone, die man erhalten muss. Man kann sich nicht vorstellen, wenn hier Linke und Rechte Wienzeile als Autobahnen fungiert hätten. Das wär schrecklich gewesen. Eine Autobahn beim Schloss Schönbrunn vorbei zu führen, direkt in die Stadt hinein. Kann sich heutzutage niemand mehr vorstellen. Damals hatte man aber diese Idee: Fußgänger unter die Erde. Die ganzen Passagen, die gebaut worden sind, bei der Oper, Bellaria, das, was wir "Jonas-Reindl" nennen, beim Schottenring. Dort wollte man Fußgänger hingeben. Der Plan war noch, dass man alle Passagen miteinander verbindet, eine Einkaufsmeile unter der Erde. Alle Autos oben drüber. Heute ist das total anders, alle Autos weg aus der Stadt. Die Passagen sind Restaurants oder Einkaufszonen, oder für U-Bahnen genützt. Aber, außer der Opernpassage und dem Schotten-Reindl dort, gibt's eigentlich keine Passage, die von Fußgängern benützt wird. Damals war das der große Trend: Fußgänger weg, Autos oben drauf. Vielleicht ist das für manche heutzutage nicht nachzuvollziehen, was alles dem Kultobjekt "Auto" geopfert wurde in Wien. Die Rauchfangkehrerkirche war eine berühmte Hochzeitskirche. Die stand auf der Wiedner Hauptstraße auf einem kleinen Platz. Heute gibt's eine hässliche Kirche daneben. Die Rauchfangkehrerkirche war eine Barockkirche. Sehr hübsch, nicht beschädigt im Krieg. Und sie wurde wegen der Unterpflasterstraßenbahn, die man heutzutage noch hat, die bis zum Gürtel hinauf reicht und natürlich nicht den Südbahnhof erreicht hat, sondern nur, ich glaub, den Südtiroler ... nein, den Matzleinsdorferplatz. Dort wurde diese Kirche geschliffen. Von einer Firma, die ganz schnell noch den Auftrag ausführen wollte. In der Nacht sind die Leute noch hingegangen und haben Bänke und was in der Kirche gewesen ist an Flexiblem rausgeräumt. Antiquitätenhändler haben sich dort bedient. Vieles ist aus dieser Kirche verschwunden. Plötzlich, über Nacht. Und die Kirche ist gleich demoliert worden innerhalb von kürzester Zeit. Schade. In Wien hat man sehr viel demoliert. Alles. Viele Palais, die heutzutage herrliche Fassaden hätten und wunderbar Straßenzüge ergänzen würden. Dafür baut man halt in der Kärntner Straße ganz hässliche große Objekte und glaubt, das ist moderne Architektur. Ich war selber nach der Schule Industriedesigner. Hab an der Akademie für angewandte Kunst studiert, das wurde Hochschule genannt ab meiner Zeit. Design, das war modern. Ich wollte Architektur studieren, war an der Technik, hab mich erkundigt, waren 600 ... .. wie sagt man? 600 Studenten, die lernen wollten. In der Design-Klasse auf der Akademie waren nur 30. Das war viel angenehmer. Man hatte individuellen Unterricht, sich wirklich damit beschäftigen können, vom Professor und den Assistenten Feedback bekommen, intensiv. Interessiert mich heute noch immer. Ich hab damals nie gedacht, dass ich Berufszauberkünstler werde. Und ... dachte, Design ist ein neues Gebiet. Man kann alles machen: Einrichtungen, Häuser, Autos, Verpackungen. Verpackungen war mein Spezialgebiet. Meine Diplomarbeit hab ich über Containerverkehr gemacht. Das war damals ganz neu, ich hab eigene Lastwagen konstruiert, mit Containermöglichkeiten und Schnellablademöglichkeiten. Hätte ich patentieren lassen sollen, ist auch heute noch nicht auf dem Markt, ist noch ein Geheimtipp. Kommen wir zum Zaubern. Ich habe mit 16 Jahren eine Show im Fernsehen gesehen. Oder knapp 17. Ich glaube, es war 16, es war mit 16 Jahren. Wir haben keinen Fernseher zu Hause gehabt. Ich war im Café Museum, eine Zaubershow aus Deutschland anschauen. Da haben berühmte Zauberkünstler gezaubert, der Fred Kaps aus Holland, der damals als Vorbildzauberer galt. Der hat mich interessiert. Ich bin dort gesessen und hab mir Notizen gemacht. Da kam plötzlich ein Herr herein mit einer ätherisch ausschauenden Dame. Diese Dame hat ... sofort wie eine Künstlerin ausgeschaut. Er hatte einen leichten Spitzbart. Er hat sich hingesetzt und diese ... Show auch angeschaut. Ich habe kurz aufgeblickt, ihn aber nicht zu sehr beachtet. Er ist später auf mich zugekommen, hat gesagt: "Zaubern Sie auch?" Hab ich gesagt, ja. Er sagte: "Kommen Sie, ich arbeite gerade im Moulin Rouge." "Erzählen Sie mir, wie das Ende von dieser Show ist." Für mich war das natürlich eine große Herausforderung. Ich war 16, durfte damals eigentlich noch gar nicht ins Moulin Rouge. Und bin nachher, um zehn, ins Moulin Rouge gegangen. Ja, Hintertüre, geklopft. War alles sehr interessant. Die vollbusigen Mädchen waren interessant, der Zauberkünstler auch. Für mich war's aufregend. Aber das war ... der richtige Klick, nicht Zauber zu sehen, wie man mit Federn oder Zylindern oder mit irgendwelchen 08/15-Gegenständen zaubert, sondern sich manipulativ zu beschäftigen und mit Fingerfertigkeit zu zaubern. Ich hab den nachher regelmäßig besucht im Moulin Rouge. Mein Vater hat mich immer gefragt, wann ich nach Hause gekommen bin. Die Standardantwort war: Um halb. Das ist in den Raum gestellt, um halb ... Meistens war es so halb zwei. Oder halb eins, halb zwei. Ich musste natürlich am nächsten Tag in die Schule gehen. Aber es war ein intensives Erlebnis. Ich habe von dem englische Zauberliteratur bekommen. Ich hab sie studiert. Ich konnte damals fast alles dann auswendig. Ich bin zum Herrn Reichmann gegangen auf der Wiedner Hauptstraße. Das Geschäft gibt's noch heute. Ich konnte mir Zauberbücher nicht leisten, hatte kein so großes Taschengeld, bin aber dort gestanden und hab nachgeblättert, ein bisschen geschmökert, mir ein paar Kunststücke durchgelesen und bin nach Hause gegangen. Ich war mindestens zwanzigmal bei dem Herrn Reichmann und hab Zauberbücher gelesen. Das war für mich interessant und ein einschneidendes Erlebnis. Wenn sich jemand dafür interessiert, der Name ist "Dr. Nemo" gewesen. Er war der Sohn von einem Wiener Friseur, der bei der Wiedner Hauptstraße ein Geschäft gehabt hat. Er war damals um die 40. Ist leider viel zu früh an einem Herzinfarkt verstorben. Seine Frau war Amerikanerin, und er ist meist auf Schiffen von Amerika gekommen, hat hier mehrere Monate in Nachtklubs gearbeitet und ist wieder zurück nach Amerika gefahren. Er hat mir diesen Zugang zu dieser englischen Literatur geschaffen. Ich muss ehrlich sagen, er war der Doyen in der Zauberkunst für mich, weil er mir das gezeigt hat, was man heute als Zauberkünstler können muss. Und ich bin in diese Sparte - dazu muss ich sagen: mit 17 - in den "Magischen Klub" gekommen, hab meine Aufnahmeprüfung gemacht, mich unbeliebt gemacht. Viele haben nachher im Klub gesagt: "Ich hab ein neues Kunststück, darf ich das vorführen?" Dann hab ich gesagt: "Das steht bei Jean Hugard, Card Manipulations, Seite 334." Da macht man sich natürlich unbeliebt, wenn man genau weiß, wo dieses Kunststück steht. Aber mir war diese Unehrlichkeit schon immer zuwider, wenn jemand nicht sagt: "Ich hab das gelesen", sondern sagt: "Das ist mein Kunststück." Macht nichts. Ich habe draus gelernt, man soll nicht gleich mit dem Stell- wagen jemandem ins Gesicht fahren. Aber ich habe begonnen, eine Nummer zusammenzubauen. Tischzauberei und auf der Bühne. Und hab in einem Sommer ... Wann war das? Ich glaube, '63. Da hab ich in der Hausverwaltung gearbeitet, mir Geld verdient und bin zu meinem ersten Zauberkongress nach Italien gefahren. Mit 18 Jahren. Nach Saint-Vincent nahe Turin. Hab dort Zauberkünstler gesehen, den Fred Kaps kennengelernt. Diesen berühmten Zauberkünstler aus Holland, der damals schon dreimal Weltmeister war und Grand-Prix-Sieger. Ich war so fasziniert von dieser Sparte, von ihm, von dieser Art der Vorführung. Diese Leichtigkeit, diese Lockerheit, die man sich aneignen muss. Ich hab dann nachher sehr viel trainiert. Ich wurde dann 1966 eingeladen nach Saint-Vincent und hab dort meinen ersten Preis gekriegt. In Saint-Vincent. Den dritten Preis in Manipulation. Hab auch 1967 in Bad Schallerbach, in der "Close-up-Zauberkunst", einen Preis gemacht. Und so hat das begonnen, an Wettbewerben teilzunehmen, Preise zu machen. '67 hab ich in das erste Mal bei Weltmeisterschaften teilgenommen, in Baden-Baden. War nur Siebter in dieser Hierarchie. Man muss sich da hochdienen wie beim Eislaufen. Man muss sich das vorstellen: Man muss sich einen Namen machen, dass die Leute dann sagen: "Ah, jetzt kommt der im Wettbewerb, jetzt kommt ..." Wie man damals gesagt hat: "Jetzt kommt die Witt, die Olympiasiegerin!" Oder: "Jetzt kommt die ... Ingrid Wendel, die muss man sich unbedingt anschauen!" Die war Europameisterin. Und jetzt hat man sich die berühmten Leute angeschaut. Und die weniger berühmten haben bei der Jury weniger Punkte bekommen, man wusste nie, ob die wirklich so gut sind. Da hab ich mich etwas hochgedient. 1970 einen zweiten Preis gemacht für Manipulation. Und habe '73, '76 und '79 hintereinander, ich sag immer, in der Kreisky-Ära, ersten Preis gemacht in Manipulation. Dreimal hintereinander Weltmeister ist auch nicht schlecht. Ich hab eigentlich als Zauberkünstler reüssiert, weil ich keine solchen 08/15-Requisiten gehabt habe. Und in der Kartenkunst mit Spielkarten gearbeitet habe, die immer größer wurden. Ich habe dann beeindruckt, weil die Leute andere Manipulationen gesehen haben. Vom Dr. Nemo hab ich gelernt, Spielkarten auf einem Spazierstock aufzubreiten, ohne Hilfsmittel, hoch zu werfen und zu fangen. Das war ein Schwierigkeitsgrad, den die damals nicht gekannt haben. Man kann sich dann vorstellen, wenn man bei Zuschauern und so einem Weltkongress ... Ich war damals bei mehreren Kongressen dazwischen auch engagiert, hab meine Nummern gezeigt. Ich hab mir dann einen Namen gemacht. In einem amerikanischen Magazin hat der Herausgeber Bill Larson, den ich später kennengelernt habe, der hat mich zufällig in Salzburg, 1966 bei einem Kongress gesehen. Er hat 1967 in dem Magazin in einem Report über Salzburg geschrieben. "Christian Stelzel, ein Name, den man sich merken muss." So war es. Ich hab später im "Magic Castle", im Mekka von Hollywood, dem Mekka der Zauberei, immer wieder gearbeitet. Und mit dem Bill Larson ein sehr freundschaftliches Verhältnis gehabt. Leider ist er schon verstorben. Zurück in diese Zeit. Die war sehr zauberintensiv. Es hat in Wien einen Zauberkünstler gegeben, wir haben von dem nichts gewusst. Aber ein Mitglied unseres Klubs war Psychiater, hat in Lainz gearbeitet. Er hat von dem berühmten Valentino Graziadei gesprochen. Zu dessen 65. Geburtstag hat der Klub eine Feier veranstaltet. Ich war dann dort in Lainz, er hat im Altersheim gewohnt. Graziadei war ein Kartenkünstler in den 30er, 40er und 50er Jahren. Er ist von seiner Frau verlassen worden. Die Mary hat er sie genannt, und er hat Vally geheißen, Valentino Graziadei. Er ist verrückt geworden. Er war manisch-depressiv. Sein Gesichtsausdruck war dann nachher, wenn er gesprochen hat, immer so ... "Muss Ihnen sagen, Herr Stelzel, das können Sie auch machen!" Es war interessant, mit ihm zu reden und ich hab ihn dann regelmäßig getroffen im Café Wortner an der Wiedner Hauptstraße. Freitags hatte er Ausgang. Ich hab ihm immer von meinem Taschengeld Kaffee gezahlt und von ihm Kartenkunststücke gelernt, seine Art zu präsentieren. Ich hab ihm versprochen, ein Buch zu schreiben. Ich habe sehr, sehr viele Unterlagen von ihm gesammelt. Und bin dabei, ein Buch über ihn zu schreiben. Ich hab so viele Bücher dazwischen geschrieben. Über meine eigenen Sachen müsste ich Bücher schreiben. Ich hätte bis zu meinem 100. Lebensjahr genügend zu tun. Aber zurück zu Graziadei. Er war ein berühmter Künstler, auch amerikanische Künstler haben ihn gekannt. Er war auch einer, der mit einem Kartenspiel als "King of Cards" und 52 Assistenten - ein normales Kartenspiel, Rommé oder Poker, hat 52 Karten - in ganz Europa reüssiert hat. Er war auch ein Teil meines Backgrounds. Ich möchte nicht missen, dass ich ihm so viele Kaffees bezahlt habe. Weil er trotz seiner Art und Weise, seiner exaltierten Weise, mir viel beibringen konnte. Zu dieser Zeit, '68, war ich in Weymouth und wurde Mitglied vom britischen magischen "Circle" und vom IBM-Club. Das hat nichts mit "IBM Büromaschinen" zu tun, sondern "International Brotherhood of Magicians". Da hab ich an einem Wettbewerb teilgenommen und ich kann mich gut erinnern, ich war der Letzte im Wettbewerb. Bin auf die Bühne gegangen, hab meine Nummer gemacht. Es ist nicht schlecht gelaufen, die Leute haben applaudiert. Und dann sind sie aufgestanden. Nachher war das Bankett angesagt. Ich hab mir gedacht, na, blöd! Wenn ich das sagen darf: "Scheiße", sagt man da zu sich. "Die stehen auf und gehen jetzt zum Bankett. Haben nicht einmal Zeit ..." Ich ging in die Garderobe und hab mich geärgert. Dann ist einer gekommen und sagte: "Komm, komm heraus!" Hab ich gesagt: "Die sind ja schon alle weg!" Ich hab nicht gewusst, was eine "Standing Ovation" ist. Das war die erste Standing Ovation, die ich bekommen habe. Als, wie man so sagt ... Wie alt war ich damals? Ach, da war ich 23. Da steht man dann und alle Leute applaudieren. Und wenn ich jetzt dran denke, rinnt es mir noch kalt über den Rücken. Weil es ein erhebendes Moment gewesen ist für mich damals. Ich hab gesagt: "Nein, das geht nicht." Ich hab damals den "British Ring Shield" gewonnen und den "Disher Shield" für Manipulation. Das waren zwei große ... wie sagt man ... große Preise, wo überall so Plaketten drauf waren, wo die Namen dann eingraviert wurden. Man hat mir gesagt, ich fahr nach Wien, ich soll jetzt nur die kleinen Repliken mitnehmen und die großen da lassen. Da hab ich gesagt: "Nein, ich nehme sie mit!" Und bin mit zwei Koffern und den großen Preisen nach Haus gefahren. Wenn man mit so viel Vorschuss- lorbeeren zu einem Kongress kommt, dann ist man schon ein Favorit. 1970 war in Amsterdam der Weltkongress. Da wurde ich aber nur Zweiter, weil der lokale Favorit, Tel Smit, zwar viele Fehler gemacht hat, aber von der Jury höher bewertet wurde. In diesen Weltkongressen hab ich dann ab '73 in Paris eigentlich reüssiert, weil ich andere Sachen, keine Tauben, keine Tiere, sondern Rosen verwendet habe, die immer zwischen den verschiedenen Manipulationen erschienen sind. Und die Karten sind immer größer geworden. In Wien hab ich große Kartenhäuser erscheinen lassen auf der Bühne. Und in Brüssel, '79, hab ich das dritte Mal gewonnen. Und auch den Preis für Erfindungen in Close-up-Zauberei gewonnen. Das war damals der Entschluss, '79, sich berufsmäßig umzuschauen, ob ich als Zauberkünstler reüssieren könnte. Und in der Tat, Raiffeisen ist auf mich zugekommen und hat mich gesponsert. Und mich in den nächsten drei Jahren für 100 Vorstellungen eingeladen. Wenn man sich vorstellen kann, 100 Vorstellungen in drei Jahren, das ist ziemlich viel. Da hat man jede Woche zwei-, dreimal zu tun. Das Design ... Ich hab damals schon ein Designbüro gehabt. Mein Diplom hab ich '69 gemacht, dann war ich beim Bundesheer. Kurz. Auch lustig, beim Bundesheer. Da gibt es auch eine Geschichte, komme ich auch noch drauf zurück. Wenn man Design macht, das ist ein sehr interessanter Beruf, und versucht, Fuß zu fassen ... Ich hab damals viele Fernsehspots betreut. Trickmäßig. In der ... Wie sagt man? In der Dekoration. Auch als Handmodell gearbeitet, weil manche gar nicht gut waren, die man engagiert hatte, etwas genau zu platzieren. Denn man muss sich vorstellen, damals hat man überhaupt keine ... Da hat man alles an einem Tricktisch gemacht, überkopieren müssen. Und keinen Computer gehabt, wo das so einfach geht wie heute. Heute ist das ja locker. Wenn man aber damals etwas nicht genau in den Fokus gestellt hat, wo der genau auf der Schärfe gewesen ist, das Handmodell ... Hab ich gesagt: "Schicken 'S das Handmodell nach Hause, ich mach's." "Und es geht in zwei statt in 23 Takes." Das hat natürlich Material gekostet, man hat keine digitalen Aufzeichnungen gehabt, sondern alles ist Filmmaterial gewesen. Es gibt ja auch eine lustige Geschichte beim Bundesheer, ich war dort nach meinem Studium. Und beim Bundesheer, muss man sagen, das ist ja auch vergleichsweise ... .. eine Fundgrube für Geschichten. '68 hab ich diesen Preis in England gewonnen. Dann ist das "Wiener Wochenblatt" auf mich zugekommen und hat eine große Reportage über mich gemacht. Und dann ist der Zugsführer ... Ich bin im Jänner '69 zum Bundesheer gekommen und bin dort neun Monate gewesen. Ich war in der Fasangassenkaserne. Dort hatten wir einen Ausbildner, einen Zugsführer, der hat gestottert. Das war herrlich, ihn zu sehen. Er ist mit dem "Wiener Wochenblatt" gekommen und hat gesagt: "Sch-sch-sch-sch-stelzel, s-s-s-san das S-s-s-s-sie?" Und ich hab gesagt: "Jawoll!" "M-m-m-m-müssen wir f-f-feiern!" "Ho-ho-holen 'S a Cola!" Das war typisch. Wenn er "Habt Acht!" gesagt hat, hat er's nicht herausgebracht und sich einmal um die eigene Achse gedreht. Und hat nachher gesagt: "Ha-a-a-abt Acht!" So hat er sich fokussiert, dass er es herausgebracht hat. Eine unwahrscheinliche Type. Ich war beim Bundesheer und einen Teil von dieser Zeit hab ich bei der Landes- verteidigungsakademie verbracht. Hab dort Modelle und Aufmarschpläne gezeichnet. Dann wurde ich zum Ministerium abkommandiert, hab dort Aufmarschpläne als Sandmodell gemacht, Zu Hause im Atelier von meinem Bruder, der Grafiker gewesen ist. Ich hab für diese Sandmodelle zwei Monate Ausgangszeit gehabt, von null bis 24 Uhr. Hab mich immer in der Früh gemeldet: "Melde mich zum Dienst!" Um acht Uhr. Per Telefon. Ich musste nicht ins Bundesheer einrücken. Und ich hab nachher diese Ausstellung betreut. Hab dann 14 Tage früher abrücken dürfen, weil ich keine freien Tage gehabt habe, kein Wochenende. Ich bin, glaub ich, alle Märkte Österreichs mit der Bundesheerausstellung abgefahren. Hab - ohne Stern - alle Truppen- transporter zum Aufstellen gehabt, die ganze Ausstellung aufgestellt. Hab dort die grafischen Sachen ausgebessert, die passiert sind, hab angemalt, alles gemacht. Und dann meinem Oberstleutnant gemeldet: Ausstellung ... Ich war eigentlich nichts anderes als "Schütze mit besonderer Verwendung". Man kann sich natürlich vorstellen, dass Zauberei auch ... einen um die Welt bringt. Ich habe das Glück gehabt, mit der Zauberei sehr viel zu reisen. Ich war fünfmal in Japan, in Australien, in Neuseeland, ich war in Hawaii für AMD, eine Computerfirma. Die haben mich in München gesehen und mich gleich fürs nächste Jahr nach Hawaii engagiert. In München hab ich für die damals auch etwas erscheinen lassen, wo sie bass erstaunt waren, dass man ihre Produkte miteinbeziehen kann. Und ich war in Chile in einer Fernsehshow und in Brasilien, ich war in Mexiko, ich war in Südafrika einen Monat lang für Toyota tätig. Auch sehr interessant! Weil diese Show ... .. heutzutage wahrscheinlich nicht stattfinden würde. Weil man diese Leute nicht findet, die dort wirklich hart arbeiten, ein ganzes Ballett. Eine super Ausstattung. Und das Geld sicher in Südafrika heutzutage nicht mehr vorhanden ist. Damals, in den 70er Jahren, war Rhodesien noch ein blühendes Land. Heute ist es verarmt. Ich hab in Rhodesien mein bestes Chateaubriand gegessen. Heutzutage würde man das dort nie mehr finden. Ich war in Ägypten für die öster- reichische Fremdenverkehrswerbung. Ich kann mich erinnern, dass ich die Show vor 500 Leuten gehabt habe. 300 haben zugeschaut, 200 haben auf der Rückseite (ahmt arabischen Sprecher nach) Geschäfte gemacht. Das ist dort so üblich. Dann hab ich Leute - suggestive Manipulation war immer mein Renner - angeklebt an eine Wand, oder damals an eine Säule. Meine Frau hat mir damals assistiert. Meistens ist es so, dass die Stühle heiß werden und alles mögliche passiert mit den Leuten. Zum Schluss hab ich einen vergessen, hab mich verabschiedet - und der ist immer noch mit der Hand an der Säule geklebt. Meine Frau sagte: "Da klebt noch einer!" Das war der große Renner. Den hab ich dann befreit. Die Kellner haben in der Küche die Sessel durchgeschnitten, um zu sehen, ob da ein Trick war. Das war köstlich! Köstlich! Eigentlich habe ich außer in Russland fast überall gearbeitet. Russland und Indien. In China war ich ein paarmal. Das war interessant, weil ich mit einem chinesischen Comedian, einem sehr berühmten Zauberkünstler ... Er konnte kein Englisch, ich kein Chinesisch. Wir haben uns nur zusammen in die Augen geschaut und durch die Körpersprache sofort gewusst, was der andere macht. Toll! Der war ein toller Vorführender. Und für mich war das der richtige, die richtige Bestätigung, dass man keine Sprache braucht, um sich mit jemandem zu verstehen, ad hoc, um eine super Show zu machen. Von den Reisen war natürlich, muss man sagen, Amerika oft dran. Ich kenn fast jede amerikanische Stadt vom Flughafen aus. Weniger das Zentrum. Oder sehr viele Leute, sehr viele nette Leute. In Amerika bin ich jedes Jahr ein-, zweimal. Was mich am meisten interessiert: Dort hat man historische Kongresse gemacht. Ich hab mich schon immer interessiert für die Geschichte der Zauberkunst. Und die Zauberkunst hat Geschichte. Wenn man bedenkt, dass in Wien selbst vier Straßen nach Zauberkünstlern benannt sind. Z. B. der Kratky-Baschik-Weg im Prater. Der hat ein großes Theater gehabt im Prater für 1000 Leute, und und hat Geistererscheinungen gemacht. Und diese Geistererscheinungen waren so toll, dass jedes Wochenende Tausende von Wienern die Show sehen wollten. Oder der Herr Döbler, ein Biedermeier-Zauberkünstler. Die Döblergasse im siebten Bezirk. Ein berühmter Zauberkünstler, der später sogar Bürgermeister wurde, in der Nähe von Mariazell, einem kleinen Ort, und sich dort auf ein Landgut zurückgezogen hat. Döbler hat dem Publikum aus seinem leer gezeigten Hut, das war kein Zylinder, sondern ein ganz normaler Hut, auf den er gestiegen ist, um zu zeigen, dass nichts drin war, Hunderte von Blumen gereicht. Und immer ein Blumensträußchen für die Damen. Das war so ... "Hier ein Sträußchen, dort ein Sträußchen, noch ein Sträußchen!" Und zum Geburtstag vom Kaiser hat er das ganze Josefstädter Theater in ein Blumenmeer verwandelt und auf der Kaiserloge Blumen erscheinen lassen für den Kaiser. Das war so um 1839. Es gibt die Hofzinsergasse im 16. Bezirk. Der Herr Hofzinser war ein berühmter Kartenkünstler. Der hat dort, wo jetzt an der Wollzeile ... .. ein gut gehendes Tafelspitz-Restaurant steht, in dem Haus, im zweiten Stock, hat er einen wunderbaren Salon gehabt. Hat zweieinhalb Gulden - das war ein halber, nein, ein Dukat damals - als Eintritt verlangt. Hat dort die Crème de la Crème der Österreicher beziehungsweise der Wiener bezaubert. Und da war der Ludwig Viktor, das war ein berühmter Herzog, oder die Kaiserin Elisabeth hat er dort bezaubert. Er hat die großen "Zelebritäten", wie die VIP damals geheißen haben, bezaubert und für sie spezielle Kunststücke gemacht. Für die Rosa Kastner, eine berühmte Klavierspielerin, hat er ein eigenes Kunststück machen lassen, wo Blumen aus einem leer gezeigten Becher gesprießt sind und sich über den Blumen dann lauter Karten formiert haben, mit dem Namen "Rosa Kastner". War ein interessantes Kunststück. Für den Moritz von Saphir hat er ein Kunststück gemacht, wo Spielkarten, die verschwunden sind, plötzlich im Bild vom Moritz von Saphir erschienen sind, in einer Lithografie. Der Hofzinser war auch für mich dann ein ... Hier sind die Bücher, die ich dann geschrieben habe. Ich hab 1991 begonnen zu recherchieren. Der Anhaltspunkt war ein Kongress in Wien, die "Merlinale", wo mich ein Reporter gefragt hat: "Ich hab vom Herrn Hofzinser gehört, dass er Finanzbeamter gewesen ist." "Ich schreibe fürs Finanzministerium-Magazin, können Sie mir etwas sagen? Eine Lebensgeschichte?" Damals hat's mich getroffen wie der Blitz. Ich hab gesagt: "Ah, Sie sind im Finanzministerium, gibt's da irgendwelche alte Akten? Vielleicht gibt's noch einen Akt über den Herrn Hofzinser." Ein paar Wochen später hat er mich angerufen und gesagt: "Gehen sie ins Archiv zum Herrn Renner, der weiß Bescheid." Und der gab mir dann einen solchen Stoß alter Akten über den Herrn Hofzinser, damals "Doktor Hofzinser" genannt. Zauberkünstler und vorher Finanzbeamter. Ähnlich wie Grillparzer vom Graf Stadion unterstützt, hat er dort in der Registratur gearbeitet. Der Grillparzer war Direktor vom Archiv, der Herr Hofzinser in der Registratur. Wie ich später herausgefunden hab, ein Beamter, der sich hochgedient hat. Vieles hat nicht gestimmt, was in der Allgemeinheit kolportiert wurde, Geburtsdatum etc. Ich hab mich da hineingetigert, Zeitungsberichte gesucht und seit 20 Jahren recherchiere ich über den Herrn Hofzinser. Ich habe eine Trilogie geschrieben in vier Bänden, die liegt hier am Tisch. Letzten Dezember ist der vierte und letzte Band erschienen, die letzten zwei Bände. Es sind 1500 Seiten über das Leben vom Herrn Hofzinser, was jetzt auf Englisch herauskommt in diesem Jahr. Hofzinser war der Doyen der Kartenkunst, der Vater aller Kartenkünstler. Und er ist in jedem amerikanischen Zauberbuch mindestens einmal erwähnt. Hier in Europa, hier in Wien gar nicht bekannt. So, wie das halt so üblich ist, die Propheten sind immer im Ausland. In Amerika habe ich selber auch einen viel besseren Namen, oder in Japan, als hier in Wien. Wenn ich in Japan bin, kommt einer und sagt: "The legend! The legend!" Ja. Da kommt man sich richtig alt vor. So fühlt man sich eigentlich gar nicht, Zaubern hält sehr jung. Zur Geschichte muss man sagen, ich hab sehr viel geschrieben, für viele Fachmagazine. Ich war für den "Aladin", eine österreichische Zauberzeitschrift, elf Jahre lang Herausgeber und Redakteur. Ich hab mich beschäftigt mit Zauberkunst. Es wurden in vielen Fachzeitschriften Artikel über mich und von mir geschrieben. Was mich am meisten gefreut hat: 2005 wurde mir eine "Performing Fellowship" verehrt, vom "Magic Castle" in Hollywood. Das ist sozusagen ein Oscar der Magie. Für besondere Verdienste gerade in der "Performing Art". Das heißt, einen neuen Stil zu kreieren. Ich war der erste Zauberkünstler, der auf der Bühne seine Aufführung zur Musik gemacht hat. Nicht nur mit Trommelwirbel, so wie im Zirkus, brrr, bumm-bumm, dass ein Effekt passiert, sondern abgestimmt zur Musik wie ein Eisläufer. Das habe ich aus meiner Eislaufzeit als Kind erfahren und erfasst, dass man einen Effekt wunderbar illustrieren kann, so dass er noch zauberischer wirkt. Das war auch der Grund, warum ich dreimal Weltmeister geworden bin in Manipulation. Weil die Musik genau auf die Effekte gestimmt hat. Das war ein ... kann man sagen, ein Highlight. Und für mich eine besondere Auszeichnung. Wenn man mit der Zauberei Erfolg hat, kommen auch Firmen auf einen zu, für die man arbeiten soll. Nicht nur einen Fernsehspot einspielen oder so, was ich auch gemacht habe. Wo man präsentiert wird als Testimonial. Sondern auch Firmen, für die man etwas macht. Seit '71 arbeite ich mit der Firma "Piatnik" zusammen. Habe für sie viele Zauberkästen gestaltet und Bücher geschrieben, Kartensets zusammengestellt, wo man Kunststücke lernen kann. Die kann man in diversen Kaufhäusern oder bei Piatnik direkt kaufen. Piatnik hat mich immer unterstützt mit Plakaten etc. Auch in der Organisation von Kongressen. Wer einmal die Gelegenheit hat, zu Piatnik zu gehen und das Museum an Spielkarten zu sehen, das die dort in dem Firmengelände haben, sollte das nicht versäumen. Weil es ist sehr interessant, alte Spielkarten zu sehen. Daran kann man genauso Entwicklung sehen wie in der Malerei oder in der Kunst, der Bildhauerei. Wie sich etwas entwickelt hat. Die gemalte Spielkarte bis zur gedruckten. Oder die patronierte Spielkarte, das heißt, die Spielkarte wurde mit Schablonen bemalt. Von sogenannten Kartenmachern. Und erst viel später kalandert, glatt, und mit einem Lack versehen. Das ist schon sehr interessant, sich damit zu beschäftigen, mit Spielkarten. Nicht nur zum Spielen. Die hat eine lange Geschichte. Vielleicht weiß niemand, dass eine Spielkarte im 16. Jahrhundert als "des Teufels Gebetsbuch" bezeichnet wurde. Weil die Kirche hat das Glücksspiel verboten, auch Spielkarten überhaupt. Denn viele Leute haben Haus und Hof verloren beim Glücksspiel. Wien ist eine wunderbare Stadt. Wenn man sehr viel reist, so wie ich, überall in der Welt war - das Schönste ist, wenn man wieder am Flughafen landet, wieder zurückkommt. Weil man hier wirklich ... .. ein geborgenes Gefühl hat. Die Lebensqualität hier ist einzigartig. Die Möglichkeit, hier zu wohnen, zu arbeiten, bekannt zu sein - das spielt alles eine Rolle. Ich hatte einmal für "Siegfried & Roy", die berühmten Künstler aus Las Vegas, die jetzt schon aufgehört haben, weil Roy einen Unfall auf der Bühne gehabt hat ... Über die hab ich geschrieben. Las Vegas ist wunderbar, wenn man dort arbeitet. Ich war selber in Las Vegas im "Riviera-Hotel" tätig. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich dort jahrelang arbeite. Wenn man nach Wien kommt, hat man ein geborgenes Gefühl, hab ich gesagt. Und ich hab damals über "Siegfried & Roy" geschrieben: "In Wien hat jede Gasse mehr Kultur als der Strip in Las Vegas." Und das bewahrheitet sich. Ich komme immer gern zurück. Ich habe sehr viele Angebote, auch in Brasilien, für sieben Jahre nach Brasilien zu gehen. Oder weiter in Südafrika zu arbeiten. Aber da muss ich sagen, ich wohne in Wien viel lieber und fliege von hier weg. Weil Wien ist eine super Stadt.

Archiv-Video vom 12.08.2014:
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Magic Christian (Zauberkünstler)

Christian Stelzel wurde 1945 in Mauthausen geboren und wuchs in Wien-Gumpendorf auf. Nach seiner Volksschulzeit in der VHS Stubenbastei maturierte er am Akademischen Gymnasium Wien und absolvierte seinen Magister Artium an der Universität für angewandte Kunst Wien im Fach Industrial Design.1966 gewann er seine ersten Preise als Zauberkünstler und erkämpfte 1968 beim Zauberwettbewerb in Weymouth als erster Kontinentaleuropäer den begehrten Titel des British Ring Shield. 1969 wurde der Künstlername Magic Christian, der aus der graphischen Auflösung seiner Spielkarten stammt, zur Marke.

Länge: 53 Min. 32 Sek.
Produktionsdatum: 2013
Copyright: Stadt Wien

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