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Ich heiße Horst Chmela und bin in Wien Ottakring geboren. Ich bin also ein richtiger Vorstadt-Gassenbub. Ich bin in kleinen Verhältnissen in einer kleinen Gasse aufgewachsen. Mein Vater war Schuhmacher, meine Mutter war Hausfrau. Das war nicht anders möglich bei sechs Geschwistern. Ich habe versucht, mein Leben nicht nur als Gassenbub, sondern auch als Künstler zu manifestieren. Aber davon etwas später. Ja, 1939 geboren in Wien - das sagt ja schon was. Als ich zur Welt kam, war der Weltkrieg schon im Gang, der Zweite Weltkrieg. Ich selber war ein Baby und wurde, als die Bomben auf Wien fielen, evakuiert. So wie viele Kinder und reiche Familien damals aufs Land transportiert wurden, um vor den Bomben sicher zu sein. Ich glaube, auf diesem Weg habe ich auch den sogenannten ländlichen Kern mitbekommen. Ich war im Waldviertel damals, und da habe ich mit Kühen und den Pferden zu tun gehabt. Das ist mir als Mensch in Erinnerung geblieben, denn in der Wiener Stadt hat man das ja nicht gehabt. Da war man ein Straßenbub und hat versucht, als junger Mensch das Seine zu machen aus dem Leben, das man halt hat. Fußball spielen, herumzigeunern und so weiter. Ja, und meine Mutter hat oft sehr, sehr viel mitgemacht mit mir. Als der Krieg vorbei war, und die Stadt mehr oder weniger sehr demoliert war, auch Ottakring hat einiges abbekommen, sind wir als sieben-, achtjährige Kinder schon in den Ruinen herumgeklettert und haben versucht, ein Abenteuer zu erleben. Und zwar sind wir da runter, haben ein Stück Messing, Kupfer oder Zinkblech ergattert und haben das dann verkauft. So wurde ich der erste Buntmetallsammler mit sieben Jahren. Das hat mich schon ein bisschen am Leben erhalten, denn ich hab mir wenigstens ab und zu eine Schokolade leisten können. Für meine Mutter kann ich sagen ... Mein Vater wurde ja im Ersten Weltkrieg schwer verletzt. Er ist zwar dann genesen, hat aber Splitter im Körper gehabt. Er ist 1944 elendiglich gestorben an einem Splitter, den er im Gehirn hatte. Und so hat uns die Mutter, meine Mama, ganz einfach als Witwe aufgezogen. Mein ältester Bruder war schon im Krieg. Mein jüngerer Bruder und ich sind dann, wie gesagt, ins Waldviertel aufs Land gekommen. Meine Schwester war beim Arbeitsdienst auch schon, bei der Bundesbahn. Und die Mutter hat sehr, sehr viel arbeiten müssen, um uns Kinder zu ernähren. Hunger hab ich nie gehabt. Sie hat erstens einmal für Herrschaften gekocht, geputzt und gewaschen. Und da hat sie für uns auch immer ein Scherflein mitbekommen. Ein bisschen etwas zu essen, ein paar Schilling und so weiter. Ich muss sagen, ich hab nichts Bitteres in der Jugend erlebt, was Hunger oder Not betrifft. Meine Mutter war auch eine blendende Schneiderin. Aus alten Tischtüchern hat sie uns Hemden und Hosen gemacht. So hat sie sich und uns über dem Wasser gehalten. Als der Krieg vorbei war, war ich natürlich noch mit dem Waldviertel verbunden. In den Ferien waren wir da draußen, da war ich, wie soll ich sagen, ich habe am Land geholfen, mitzuarbeiten. Wir haben auf die Kühe aufgepasst. Der erste Ottakringer Cowboy war ich praktisch. Und beim Mähdreschern hab ich da mitgeholfen. Dafür hab ich einen Tiegel Schmalz gekriegt und Eier. Nur damals wurden die Getreidebündel noch auf dem Feld aufgestellt. Das war nicht so wie heute, wo ein Mähdrescher durchfährt, und dann liegen die Ballen herum. Da waren noch die Bündel aufgestellt wie Männchen. Das war wunderhübsch anzusehen. Auf alten Gemälden sieht man das noch. So habe ich einiges gelernt. Bei der Drescherei ... Diese Kornspitzen mussten wir ja händisch in die Maschine geben. Und diese Maschine wurde von Hof zu Hof mit Ochsen gezogen, denn die Pferde haben die Russen schon alle aufgegessen. Als ich zur Schule ging, war das in Wien Ottakring noch. Und zwar die Volksschule in Ottakring und die Hauptschule auch. In der Volksschule war ich in der Grubergasse, wo auch eine Polizeistation war, die ich dann kennenlernen durfte im späteren Leben. Aber nicht wegen großer Schwierigkeiten, sondern wegen Fußball spielen und Scheiben kaputt schießen oder mit der Steinschleuder eine Taube vom Dach schießen. Da hat mich die Mutti dann müssen auslösen. Wie gesagt, ein Gassenbub ist nicht anders. In der Schule habe ich auch schon im Schülerchor gesungen. Der Lehrer sagte, ich müsse unbedingt immer kommen, weil ich die schönste Stimme habe und wir bei den Schulkonzerten sehr weit kommen können. Ich, der Junge von der Straße, hab natürlich viel lieber gekickt oder sonst irgendwelche Sportarten gemacht. Schwimmen und vom Zehnmeterbrett springen. Und natürlich hab ich auch so manchen kleinen Raufhandel ausgefochten. Mit Freunden gegen andere ... Banden. Das Wort "Bande" stimmt nicht. Wir haben uns maximal eine Watschen oder einen Kinnhaken gegeben, aber dann haben wir uns wieder vertragen. Sonst hat es nichts gegeben. Da habe ich das erste Mal in meinem Leben gespürt, dass ich standhaft und ehrlich sein muss und zu den Freunden halten, die zu mir stehen. Das habe ich mein Leben lang gemacht. Wie gesagt, der Sport, Fußball spielen, war für mich sehr wichtig. Die großen Vorbilder von der Straße, vom Grätzl, vom Park - wir haben immer im Park gespielt - waren schon einige prominente Fußballer dabei. Vom Wiener Sportklub, von Rapid und so weiter. Aber einige davon leben nicht mehr. Der Büllwatsch Heini lebt noch, der Samwald Rudi ist erst kürzlich gestorben. Die waren natürlich Vorbilder. Und so hab ich dann bei den Vereinen begonnen. Bei Rapid in der ganz kleinen Knabenmannschaft von zehn bis zwölf. Und dann beim Wiener Sportklub von 14 bis 16. Aber da ich ein bisschen auf Rock 'n' Roll abhängig war und Musik machen wollte, habe ich auch da Nein gesagt und bin zur Musik gegangen. Das hab ich schon in der Schule so gemacht. Ich wollte lieber Fußball spielen als Singen. Und beim Fußball habe ich gesagt: Nein, ich gehe singen! Meine Musik, die ich am meisten mochte, war immer Rock 'n' Roll, Blues und Rhythm and Blues. Es hat bei uns ja kaum einen Radiosender gegeben, wo man ausländische oder amerikanische Musik gehört hat. Es gab damals den EFN, den amerikanischen Rundfunk. Den gab es auch bei uns. Da hat man dann schon Bing Crosby und Elvis Presley gehört. Und dann die ganzen Rock 'n' Roller, bei Bill Haley angefangen. Aber ich bin auch auf Sänger wie Frank Sinatra, Andy Williams oder Tony Martin gestanden. Das hab ich dann später ganz, ganz gut ausnützen können, denn als ich mit meiner Berufsmusik begann, habe ich diese Lieder alle schon intus gehabt. Es war für mich dann leichter, den sogenannten Schlagerschmarrn zu lernen und zu spielen, was die Leute halt hören wollten. Aber meine guten Sachen von Andy Williams oder die Platters oder Tom Jones später dann, das hab ich natürlich viel lieber gemacht. Einen Beruf zu wählen, fällt nicht so schwer in kleinen Verhältnissen. Mein Vater und mein Bruder waren Schuhmacher, oder Schuh-Oberteilherrichter sagt man auch dazu. Die den oberen Teil eines Schuhs machen. Und so hab ich diesen Beruf auch ergriffen. Es gab ja für uns Kinder nichts anderes als Handwerker. Studieren hab ich nicht ... hat man nicht können. Man musste ja einen Beruf ergreifen, um ganz einfach schon mit 18 der Familie zu helfen, zu überleben und zu ... ja, sich am Leben zu halten. Und da hab ich versucht, im Beruf auch wieder das Beste zu machen. Ich hab mit 18 Jahren mit Vorzug die Gesellenprüfung geschafft. Ich hab mit 22 die Meisterprüfung mit Vorzug gemacht und in dieser Zeit schon kreative Schuhmodelle entworfen. Ich war Schuhmodelleur und hab das später in Mailand mit einigen Kursen aufgefrischt. Ich war lange Schuhmachermeister in einer Schuhfabrik und hab aber nebenbei schon meine Musik gemacht. Wir waren so gut, wir haben in der Tenne und im Chattanooga gespielt. Die Bambis gab's damals schon. Ich hab nach den Bambis immer die Vertretung dieser Band gemacht. Wir waren so bekannt dann schon in Wien und Umgebung, dass eines Tages eine Agentur auf mich zukam und gesagt hat: "Willst du nicht bei uns Tirol spielen?" Mach ich gerne, hab ich gesagt. Und er hat mir und meiner Band auf Anhieb eine Gage geboten, die dreimal so hoch war, wie die, die ich als Schuhmachermeister verdienen konnte. Seit damals bin ich Künstler. Das Wort Schuhmacher hat nicht so einen großen Wert, den es haben sollte. Es gibt wirkliche Künstler. Heute noch gibt es eine Schuhkunst, in Italien und auch in Frankreich, die unerreichbar war. Es gibt heute noch einzelne Meister, die horrende Summen Geld bekommen. So viel Geld für ein Paar Schuhe, wo man heute ein kleines Auto dafür bekommt. Die gibt es, die das machen. Ich war immer daran interessiert, meinen Freunden - und vor allem Damen - Schuhe zu machen, die auf der Welt noch nicht erfunden waren. Vom Modell her natürlich. Schuhe hat's überall gegeben. Aber immer ein bisschen anders. Da ein Plissee dabei, eine Rose, ein tiefer Zehenausschnitt, wie beim Dekolletee. Das hat den Menschen so gut gefallen, dass die eine oder andere Dame, die schon über 20 oder 30 war, zu mir kamen und auch Schuhe entworfen haben wollten. Mit dieser Arbeit, diesen Modellen, dieser Kreation habe ich versucht, mir mein erstes Moped und später dann mein erstes Auto zu kaufen. Die Schuhmacherei an sich von sogenannten Reparaturen ... Früher hat man sich Spitzen und Absätze richten lassen. Das gibt es heute nicht mehr. Es gibt diese Plastikpatschen, die die Leute und auch ich selber trage. Das hat aber mit Schuhwerk nichts mehr zu tun. Das ist eine zweite Fußsohle, die man sich draufpickt. Und wie das oben drauf ausschaut, ist fast egal. Hauptsache, es ist recht bunt und so weiter. Keiner hat wirklich mehr Ahnung, was ein schöner Schuh ist. Wenn man dann diese Marken ... Ich will die gar nicht in den Mund nehmen. Die dann von den sogenannten Rappern und Rockern und so gemacht werden. Die echten Cowboy- und Countryleute und Bluessänger tragen solche Patschen nicht. Die tragen noch immer Countrystiefel und Boots, you know. Als ich zum Bundesheer kam, so 1959, habe ich gerade angefangen, mit meiner Frau anzubandeln. Sie war knapp 16 Jahre alt und ein sehr bezauberndes Dirndl. Da sind mir die 9 Monate natürlich noch schwerer gefallen, in der Kaserne sein und manchmal keinen Ausgang zu bekommen. Aber ich war, wie gesagt, so verliebt, dass ich das durchgestanden hab. Auch sie hat das durchgestanden. Mit meiner Musik, die ich damals schon gemacht habe, als Amateur, hab ich im Jugendclub musiziert, im Schwarzen Panther in Hernals. Das war ein Club, der sich mit anderen Clubs in Wien immer duelliert hat. In Form von Preis-Tänzen und Preis-Singen. Ich muss ehrlich sagen, ich hab zweimal beim Tanzen gewonnen. Beim Singen war ich sowieso Lokalmatador. Es war gar nicht so leicht, andere Mädchen wegzulassen und mich nur mit meiner Frau zu beschäftigen. Aber Gott sei Dank hat sie mich dann geheiratet. 1965. In dieser Zeit, als ich mit Sunset Four, meiner Band, schon sehr viel Erfolg hatte, hatten wir die Gelegenheit, die Bambis in Wien zu vertreten. Annagasse, die Tenne war ein sogenannter In-Tempel. Wie auch Chattanooga oder Volksgarten und so weiter. Und da hab ich mir schon einen Namen gemacht. Und die Band Sunset Four hat damals schon einen Namen gehabt, der sie bekannt gemacht hat von Kärnten bis Tirol. Es waren einige Agenten bei uns, die haben gesagt, ob wir nicht bei ihnen spielen möchten. Ich habe das meinen Burschen natürlich gesagt. Einer war Lehrling, der Zweite war Student, der Dritte war Handelskaufmann, und der Horsti war Schustermeister. Dass zu unserer Musik getanzt wurde, ist eh klar. Denn wir waren ja eine Tanzband. Wir mussten alles spielen von English Waltz über Cha-Cha-Cha, von einem Tango bis zum Rock'n'Roll, von einer Ballade bis zu Evergreens. (singt:) Only you can make this change in me ... Das musste ich genauso singen wie einen Cha-Cha oder Spanisch oder Italienisch. * Er singt auf Italienisch. * All das haben wir gemacht. Und die Menschen haben dementsprechend dazu getanzt. Beim Rock'n'Roll einen Rock'n'Roll. Bei einem schönen Blues hat man sich einfach mehr aneinandergedrückt. Aber in Wirklichkeit wird heute nicht mehr getanzt. Die Leute stehen vis a vis, schauen sich in die Augen und versuchen, ungelenk die Hüften zu schwingen. Madeln oder Burschen, Männer oder Frauen, eigentlich fast keine Bewegungstalente dabei. Sie sind ... stoisch, chaotisch. Grad, dass sie nicht in einer Hand ein Red Bull und in der anderen ein Bier tragen. Die heutigen Tänze mag ich gar nicht. Ich habe dann einen sogenannten Berufsmusikervertrag unterschrieben, der 1963 ... zum Antreten war. Das heißt, ich musste wegfahren. Meine Frau musste monatelang auf mich warten. Einmal im Monat konnte sie mich besuchen. Es war eine ... heiße und harte Zeit. Eine Zeit der Prüfung. Ich würde das jedem wünschen heute, diesen jungen Leuten, die sich schnell verheiraten. Ich habe dann mit meiner Musik in Seefeld, in Kitzbühel, in Arosa, in Davos versucht, zu leben und zu ... Geld zu verdienen, wie man sagt. Ich hab aber damals schon begonnen, wieder eigene Musik zu schreiben. Und diese eigene Musik war mir natürlich näher. Wir bekamen dann endlich von Polydor einen Schallplattenvertrag. Und den haben wir mit guten Liedern bestückt, die ich geschrieben hab. Wir waren sogar einige Monate lang in der Hitparade. Bei Eva-Maria Kaiser. An zweiter Stelle, vor mir nur die Beatles. Trotzdem haben wir aber nie Fuß gefasst in den sogenannten österreichischen Medien. Geht mir heut noch so. Aber ich ließ mich nicht unterkriegen. Und, äh, 1969 war's ... Die Jungs von mir, zwei davon, müssen zum Bundesheer. Ich habe gesagt, geht zum Bundesheer, wir machen neun Monate Pause. Und dann machen wir weiter. Die wollten lieber in Schweden oder in der Schweiz spielen. Das kann ich als Bandleader nicht mittun. Wenn die an der Grenze suchen und sagen, der Mann gehört zum Bundesheer, hätten die Grenzbeamten meine Musiker eingezogen. Und ich wär in Seefeld allein gestanden und hätte vielleicht sogar die Konventionalstrafen zahlen müssen. Da hab ich gesagt, ich hör auf. Ich hab mich hingesetzt, traurig, verbittert, und ein Lied geschrieben: "Ana hod immer des Bummerl". Mit dem ist es losgegangen. Dass dieses Lied natürlich von vielen nachgespielt wurde, 206 verschiedene Male auf Schallplatten gecovert wurde, hat nicht nur mir Ruhm und Geld verschafft, sondern auch sehr viel Freude. Dieses Lied wurde von österreichischen, deutschen und schweizerischen Musikern gecovert. In ihrer Muttersprache. (singt:) Ana is immer des Bummerl ... Alpenland Quintett hat das genauso gesungen wie die Kasermandln. Und die Fenneberg-Moser genauso. In Deutschland zum Beispiel, in Bremen, Stephan Remmler mit Trio. (singt:) Einer ist immer der Loser, einer muss immer verlier'n. Das wertet natürlich den Künstler auf, der das erfunden oder groß gemacht hat. Das Naabtal Duo, der Karl Moik, der Hias und viele andere Leute haben dieses Lied, wie gesagt, gecovert. Und ... für mich ist es ein Markenzeichen geworden. Kinder deuten mit dem Finger auf mich und sagen: Ist das nicht der Bummerl? Als wir mit der sogenannten Berufsmusik begonnen haben, haben zur gleichen Zeit die Rolling Stones begonnen. Und die Beatles und so weiter. Auch die Beach Boys waren schon da, die mir sehr nahe waren. Viel näher als die Stones oder so. Da haben wir vom Outfit her ein bisschen etwas getan. Die Haare ein bisschen länger gehabt, die, die, die ... Die Bühnengarderobe war auch schon ... schräg zugeschnitten. Sogar mit ein bisschen Rüschen drauf und so. Aber im Prinzip haben wir bei guten Galas Smoking getragen. Wir waren verhältnismäßig sehr jung. Wenn man im Hospiz in St. Christoph zum Beispiel ist, dann kann man sich nicht als Dandy hinstellen. Da muss man ganz einfach entsprechend gekleidet sein. Auf das hab ich geschaut. Und aus dem Grund haben wir bei den Veranstaltern, oder Patrons in der Schweiz, immer einen guten Eindruck gemacht. Wie oft ich als Amateur gespielt hab mit meiner Musik, ich möchte die Nächte gar nicht zählen. Ich könnte es auch nur schätzen. Wie oft ich als Berufsmusiker ... als Berufsmusiker nächtelang gesungen und gespielt habe, werden sein 10.000 Mal mindestens. Als ich später mit der Band aufgehört hab, bevor ich das Bummerl geschrieben hab, hab ich gedacht: Was mach ich denn jetzt? Ich dachte mir, ich mach ein Wirtshaus auf. Ich mach ab Schafberg oben ein Wirtshaus auf. Beziehungsweise vorher noch in der Zieglergasse am Brillantengrund. Das hab ich genannt nach meinem Lied. Heuriger zum Bummerl. Und das ist so gut gegangen. Und die Leute haben gefragt, warum ich ein Lokal aufmache. Und ich hab gesagt: Ich muss ein Lokal haben, denn wenn ich da sing, kann mich keiner rausschmeißen. Vielleicht analysieren Sie das, dass ich sehr lange mit der Band gespielt habe. Und jetzt seit 1969/70 der Horst Chmela vom "Bummerl" war. Dass ich zehn Jahre später wieder einen Hit hatte. "Der depperte Bua". Wieder Goldene und Platin-Schallplatte. Dass das nachgespielt wurde von Alpenland Quintett, Alpentrio Tirol, von den Klostertalern, von AlpenRebellen und wie sie alle heißen. Und ich selber war damit eigentlich nie im Fernsehen. (lacht) In den Medien. Und zehn Jahre später wieder ein Hit. "Her mit meinen Hennen, der Goggala ist da". Und das war wieder so, von Achim Mentzel bis rüber, alle Leute haben das gespielt. Ja, und in den 40 Jahren war ich im österreichischen Fernsehen ... Darf ich dir das sagen? Acht Mal. In 40 Jahren. Glauben Sie mir das, meine Damen, meine Herren? Ist wahr. Mittlerweile sind es über 600 Titel, die ich geschrieben hab. Und wenn ich nur die drei nehme, die x-mal gecovert wurden ... So wie das "Bummerl" 206 Mal, "Der depperte Bua" 109 Mal, äh, der "Goggala" 115 Mal. Verschiedenen Versionen, das ist unglaublich. Von Teneriffa Aufnahmen bis rüber. Von diesen, äh, kompletten Versionen meiner sogenannten Hits gibt es vier oder fünf Millionen verkaufte einzelne Titel, die dann verbraten wurden in Covers, in Samples and so on. Da gibt es nicht das große Geld. Da kriegst du ein Dreizehntel von einem Dreizehntel. Du bist ja die Nummer 13 auf der Platte. Das große Geld gibt's eigentlich nur über Rundfunk und Fernsehen. Ein bissl hab ich noch Zeit. In der heutigen Zeit ist es sehr schwer. Auch junge Leute haben es so schwer wie wir damals. Aber es gibt einige Szenen, wie Kabarettisten und Köche, die sind pausenlos im Fernsehen. Die haben es ganz gut. Aber zum Beispiel die Austro-Popper ... Einige gibt es schon nicht mehr, und ich denke mit Wehmut an meine Freunde. Der Fendrich zum Beispiel oder der Wolfgang Ambros ... Die leben noch heute ihre Lieder, und die Menschen lieben sie. Aber auch die backen schon etwas kleinere Brötchen. Na ja, und der Horsti isst noch immer das alte Brot. Das Wienerlied ist ja bei mir kein Wienerlied. Es ist ein Lied aus Wien. Denn ich schreib kein Wienerlied. Ich schreib ein Lied aus Wien. Wie kann ich zum Beispiel sagen, dass mein Lied "Der depperte Bua" ein Wienerlied ist. Das Wort "Wienerlied" hat so einen Scheißgeruch, dass die ganze Welt glaubt, es sei ein Heurigenlied. (singt:) "A Glaserl mit an Hengl" beim Heurigen ist wunderbar, wenn ich ein paar Viertel trinke. Die Manager kommen mit dem eigenen Flieger nach Wien, und machen die ersten Geschäfte beim Heurigen. Das war immer schon so. Aber die sogenannte Wiener volkstümliche Szene ... Wie der Karl Föderl oder der Franz Paul Fiebrich. Wunderschöne Lieder, in denen das Wort "Wien" nicht mal vorkommt. Sondern nur Lebensphilosophie und Lebenseinstellung. Und so auf die Art hab ich mir das sogenannte wienerische Lied, man kann ruhig sagen "Blues", vorgestellt. Und es ist schade, dass wir keine Bühne haben, wo wir das der ganzen Welt zeigen können. Wenigstens die Austro-Popper haben eine Bühne gehabt damals. Heute gibt's nicht mal das mehr für die jungen Leute. Und dass das Ganze, wie soll ich sagen, ein Kulturschaden an unserer Stadt ist, ist ganz selbstverständlich. Denn es gibt die Leute, die das hören möchten. Nur muss man es dementsprechend aufbereiten. Und heutig bringen. Und auch in Sendungen, wo es hineinpasst. Wenn der eine von "Mei liabste Weis" nach Wien zum Heurigen kommt und seine liebste Weis spielt, muss ich ehrlich sagen, da pass ich besser in die Oper als er zur liebsten Weis. Franz Paul Fiebrich zum Beispiel. Richard Czapek. Diese ... diese ganz großartigen Komponisten und Autoren, die für die sogenannten Sachverständigen, in Wien sagt man "die Kneisser". Die sind zum Heurigen gegangen und ließen sich dort nicht spielen - "Wien, Wien, nur du allein". Die sich nicht spielen ließen (singt) "Wien, trägst eine Krone". Das wollten sie auch nicht. Die wollten lieber ... (singt:) "Wo i bin geboren worden, des war kein Palast." "Des war nur ein Häuserl aus Lehm." "Des Geld war bei uns ein seltener Gast." "Aber des Glück war dort alleweil daham." Das ist Blues. Und so was haben wir heute noch. Und hunderte, tausende solcher Lieder gibt es. Die warten nur, dass man sie erwägt und den Leuten vorstellt. Ja, ich bin zwar schon in einem gewissen Alter, aber man darf doch träumen. Du musst träumen. Sonst kannst du nie deine Träume irgendwann erreichen. Und ich glaube, dass es in Wien eine Szene geben könnte mit den besten Musikern der Stadt, des Landes, der Welt. Das müssen nicht nur Wiener sein. Die ganz einfach die Leute erreichen könnten über die Medien. Mit der Musik von heute und dem Gespür von damals. Und das damalige Gefühl mit dem heutigen zu vereinen, würde viele junge Musiker, viele junge Menschen darauf bringen, dass es auch noch andere Musik gibt als das, was man heute überall hört und sieht. Das ist ein Wunsch von mir, mit den besten Musikern zu musizieren. Balladen aus dem alten Wien und aus der heutigen Zeit von Komponisten wie mir oder dem Karl Hodina, ein Freund von mir, zu spielen und den Leuten bekannt zu machen. Ich bin überzeugt, Freunde, wir würden es schaffen, wieder eine Szene zu haben, die in der Welt zur Geltung kommt und geliebt wird. Das Wien heute anders ist, ist eh klar. Und es ist auch viel schwerer, die Leute zu erreichen. Das geht heute wirklich nur über die ganz großen Medien, über die Majors, die Companies. Ich selber hab halt noch auf der Straße meine Bekanntschaften gemacht. Wie wir Freunde geworden sind, in einem Jugendclub oder so, haben wir uns gegenseitig auch geholfen. Aber die ... die Zeit damals war ganz einfach nicht reif für ... für die Moderne. Es war nach dem Krieg, die Panzer waren noch da. Die abgeschossenen Panzer 1947 in der heutigen Julius-Meinl-Straße da oben auf der Brücke. Da sind wir als Kinder, als junge Kerle drin rumgeklettert, haben dort hineingepinkelt und so was. Wir haben alles so was gemacht. Und natürlich haben wir auch aus den Ruinen irgendwo ein Stück Edelmetall abgebogen. Wenn am Fenstersims ein Stück Zinkblech runterhing, hab ich genau gewusst, krieg ich fünf Schilling dafür. Mit fünf Schilling konnte ich zweimal ins Kino gehen und Schokolade kaufen. Also hab ich das getan. Und später dann, als ich etwas größer war, und am Land schon war, im Waldviertel, haben wir zum Beispiel bei den Flakgeschützen ... Da konnte man an einer Kurbel wie bei einem Karussell drehen. Und da haben wir auch blöd herumgetan. Und Kollegen von mir haben die Granaten aufgeschlagen und das Pulver herausgenommen. Das war so wie Spaghetti. Das haben wir angezündet, und schschschsch wie ein Feuerwerkskörper. So dumm waren wir. Und meine Mutter schrie eines Tages: Horstiii! Und da wusste ich, da muss ich heimrennen. Und ich bin heimgerannt. Und ich war noch nicht zu Hause, da macht es bumm! Eine Granate ist explodiert und hat zwei Jungs schwer verletzt, Hände und Beine weggerissen. Nur weil die Mama geschrien hat, bin ich heimgerannt. Man soll es nicht glauben. Die ersten Zuhörer meiner englischen Versionen, meiner englischen Versionen von Liedern, die ich gesungen habe, waren amerikanischen Soldaten. Es war dort ein Platz mit einer ... keiner Kaserne, aber Unterkunft für das Militärfahrzeug. Und da sind draußen Schranken gewesen. Und die mit ihrem MP-Helmen dort. Und ich bin hingegangen und hab gesungen: (singt:) "Gonna take a sentimental journey." So gut ich es gekonnt hab. Und die: "Nice boy, nice boy." Und ich: "Please give me chewing gum." So kriegte ich meinen ersten Kaugummi. Meinen ersten Lohn für ein schönes Lied. Etwas später dann, so mit .... 12, 13, 14 Jahren, haben wir schon auch amerikanische Spiele gespielt, wie Poker zum Beispiel. Im Kaffeehaus ums teure Geld. Das wir eben hatten vielleicht. Oder nicht. Aber auch auf der Straße haben wir mit den Münzen zu einer Wand geworfen. "Anmäuerln" heißt das in Wien. Und wer mit seiner Münze näher an der Wand ist, kassiert alle Münzen, die geworfen wurden. Na, und wenn dann die Polizei gekommen ist, sind wir auseinandergespritzt. Jeder in eine andere Richtung. Und der mit seinem Fahrrad hat nichts gehabt als Atemnot. Der hat uns nicht erwischt. Die Mutti hat "Zwa Bleamerl steh'n am Wiesenrand" gesungen. * Er singt. * Für mich war das eigentlich der erste Weg zur volkstümlichen Musik. Mein Onkel und meine Mama saßen zwischen den Mistkübeln im Hof und haben diese Lieder gesungen. Ich kann sie noch ... (singt:) "Ein Kleines liebt sein Herz dadadadadididi." An das kann ich mich heut noch erinnern. Und ich hab das auch mitbekommen, aber ich bin nicht drauf gestanden. Gestanden bin ich erst auf die Lieder, die ich mit 14 Jahren gehört hab. Das war 1954/55. Da war ich schon 15. Da war Rock'n'Roll time, Blues time. Und die Künstler, äh ... Tony Bennett. Dann Beach Boys sowieso. Aber auch die ganzen ... Mel Hooker und ... Andy, äh, wie hat der geheißen? Andy Williams. Das waren die großen Schlagersänger. Frank Sinatra. Es hat die Blues- und die Country-Stars gegeben. Hank Williams, auf den bin ich nicht gekommen. Und Mel Hooker, Merle Haggard, diese Leute hab ich bewundert. Die konnte ich aber nur im amerikanischen Sender hören. Und dann später mal bei Radio Luxemburg. Da hab ich mich reingehört und bin drauf gekommen, dass das meine innerste Musik ist. Und die hab ich dann umgesetzt in meine Lieder. Und ein bissl was ist mir gelungen. Ottakring ist nicht mehr wiederzuerkennen, wenn man heute so durchfährt. Die alten Häuser werden immer älter und nicht schöner. Und die neuen Häuser haben mir nie gefallen. Das Einzige was damals schön war, waren die Gemeindebauten in Sandleiten. Das ist ein Teil von Ottakring. Das waren wirklich schöne Wohnungen, und Freunde von mir haben da gewohnt. Aber in der heutigen Zeit ist es ganz, ganz schwer zu sagen, ob ich dort noch leben möchte oder nicht. Denn wenn man seine Kinder in Floridsdorf großzieht ... Das hab ich dann 1969/70 gemacht, und seit damals leb ich hier in Floridsdorf. Das ist schon eine andere Welt. Sie fahren über die Donau rüber, über das Überschwemmungsgebiet, die Donauinsel. Alles wird größer und größer. Die Leopoldau, wo ich wohne, ist fast wie ein kleines Bauerndorf im Verhältnis zu den anderen Gegenden und Bezirken in Wien. Und so bin ich sehr, sehr froh, dass hier meine Kinder zur Welt gekommen sind. Und dass ich heute noch hier leb. Obwohl ich ein kleines zweites Domizil auch habe. My home is my castle. Nein, Lieblingsplätze in Wien gibt es natürlich auch für mich. Aber die sind meistens am Stadtrand. Nämlich alles, was mit Wienerwald zu tun hat, gefällt mir. Alles, was mit Bisamberg zu tun hat, gefällt mir. Leopoldsberg gefällt mir. Und die kleinen Ortschaften, die dazwischen liegen und heute schon Wiener Bezirke sind. So wie Alt-Ottakring, Grinzing, Sievering und so weiter. Da bin ich nicht nur wegen dem Wein, sondern auch wegen der Atmosphäre. Obwohl natürlich jetzt das Ganze schon noble Cottages sind. Das sind Nobelgegenden, die schon zu horrenden Preisen verkauft werden. Aber da fühl ich mich immer noch ein wenig der Natur nahe. Und natürlich jetzt bei mir zu Haus. My home is my castle. Ich bin zwar in Floridsdorf zu Hause und nicht in Grinzing. Aber wenn ich über die Donau komm und das Überschwemmungsgebiet seh, die Donauinsel, eine der schönsten Gegenden der Stadt und auf der ganzen Welt, dann fühl ich mich so richtig frei. Und wenn ich dann mit meinem Hund spazieren gehe und er sagt: "Papa, schön haben wir's", dann sag ich: Das hast du recht, Kyra. Dass das heutige Wien natürlich liebens -, wohn- und lebenswert ist, das ist mir schon klar. Es war ja eine Zeit damals ... In dem Augenblick, als ich geboren bin, war Weltkrieg. Und dann ist eine sehr, sehr harte Zeit gekommen. Jeder hat versucht zu überleben und für seine Familie das Beste zu machen. Meine Mutter hat das auch getan. Sie hat einfach für die anderen Leute gearbeitet. Jede Arbeit, von Wäsche waschen bis Schneidern, von Schneidern bis Putzen. Alles, was es gegeben hat. Viele Leute haben ja sogar aufs Fensterbrett vor der Wohnungstür das alte Brot und die Essensreste des Tages gegeben. Und mit dem sind wir natürlich auch gefüttert worden. Und so hab ich praktisch nie Hunger gelitten. Auch kalt war mir eigentlich nie. Denn wir haben das Holz gesammelt, dass es in den Ruinen gegeben hat, damit wir warmes Wasser haben können. Denn die Toilette und das Wasser waren auf der Stiege. Klo und Wasser am Gang. Ich kann das noch deftiger sagen, aber das lass ich jetzt weg. Und so mussten wir versuchen, über die Zeit zu kommen. Und als ich dann mit 14 oder 15 Jahren schon berufstätig war und mir ein Moped leisten konnte, und später dann einen kleinen Puch 500 kaufen konnte, dann ist die Stadt natürlich lebenswert. Wien ist für mich eine wunderschöne Stadt. Sie ist meine Mutterstadt. Vater, auch Wiener, ist leider gestorben, als ich vier war. Also hat mich meine Mutter in dieser Mutterstadt erzogen. Und ich liebe Wien deshalb so, weil sie einfach meine Wiege ist. Und die Wiege stand in meiner Mutter Haus. Das ist eigentlich die Geschichte, die ich über Wien erzählen würde. Nicht der Steffl und ... Gerade diese Wahrzeichen sind nicht unbedingt wichtig für einen Menschen wie mich, der das erdige, bluesige, lebensnahe Gefühl immer in sich hat. Egal, was ich mache. Bei der Musik, beim Kochen, bei der Menschlichkeit, beim Lieben. Überall versuche ich, so gut es geht menschlich zu sein. Und den Leuten zu sagen, wichtig ist, dass du das, was du gern hast, den Leuten auch zeigst, gibst und tust. Und so lange ich das zusammenbringe, in der Familie wie auch bei Freunden, so ist für mich die Stadt meine Heimat. Aber nicht unbedingt die komplette ... Welt. Sondern die Welt machen dann die Menschen aus. Und das sind natürlich meine Lebensmenschen. Und nicht zuletzt die vielen Freunde, die ich hab. Und dafür danke ich ihnen.

Archiv-Video vom 12.08.2014:
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Horst Chmela (Wiener Liederpoet)

Horst Chmela verlor bereits mit vier Jahren den Vater und wuchs in ärmlichen Verhältnissen in Ottakring auf. Dank seiner Mutter, die für "Herrschaften" kochte und putzte und außerdem eine begabte Schneiderin war und aus Tischtüchern Hemden und Hosen nähte, erlebten seine Geschwister und er während und nach dem Krieg weder Hunger noch große Not. Chmela beginnt seine Erinnerungen mit "Ich war ein richtiger Wiener Gassenbub" und erzählt, wie er im Alter von sieben Jahren Buntmetall sammelte und damit seine Schokolade verdiente. Oder wie er Zinkblech von Fenstersimsen abmontierte und für 5 Schillinge verkaufte. Wenn er von seinen Erinnerungen an die Nachkriegszeit im Waldviertel spricht, wo er für Schmalz und Eier beim Mähdreschen halt und auf Kühe aufpasste, bezeichnet er sich auch als ersten Ottakringer Cowboy.

Länge: 37 Min. 56 Sek.
Produktionsdatum: 2013
Copyright: Stadt Wien

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