Landtag, 26. Sitzung vom 23.11.2023, Wörtliches Protokoll - Seite 60 von 68
nicht, das wäre aus meiner Sicht auch völlig falsch. Genauso, wie die GRÜNEN in Wien sehr lange lobbyieren mussten für die höchste Kindermindestsicherung in allen Bundesländern, haben die GRÜNEN im Bund die Obergrenzen der Sozialhilfe real deutlich nach oben verschoben, nicht nur inflationsbereinigt, und die Sozial- und Familienleistungen endlich an die Teuerung angepasst, nämlich laufend. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Ich komme zum vorliegenden Antrag. Wir anerkennen die Bemühungen, die Verluste, die für Bedarfsgemeinschaften durch die Umsetzung eines Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes entstehen, abzufedern. Allerdings wurde aus unserer Sicht nicht die beste Lösung gewählt und es wurden die Spielräume, die das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz durchaus auch bietet, nicht ausgenutzt. Und so kommt es am Schluss dazu, dass einige Gruppen tatsächlich gröbere Leistungskürzungen vor sich haben. Ziel, muss ich schon sagen, war hier offenbar eher eine kostenneutrale Lösung denn die beste Lösung im Kampf gegen Armut. Und das liegt wahrscheinlich auch ein bisschen daran - der Kollege Klubobmann von der ÖVP hat es schon angesprochen -, dass wieder einmal eine durchaus weitreichende Änderung des Mindestsicherungsgesetzes als Initiativantrag eingebracht worden ist. Wir kennen das schon ein bisschen aus dem Sozialressort, ordentliche Gesetzgebungsverfahren sind, Herr Stadtrat, eher die Ausnahme in den letzten Jahren gewesen. Jetzt ist das in einem oder anderem Fall schon erklärbar, aber bei allem Verständnis, das VfGH-Erkenntnis ist im März vorgelegen, da ist ein Überraschungsangriff per Initiativantrag im November wirklich nicht notwendig. (Beifall bei den GRÜNEN.) Wir haben im Sozialbereich viele ExpertInnen, zum Beispiel in den ArbeiterInnenkammern, in den NGOs, die sicher zu solchen Gesetzgebungsverfahren wichtige Inputs liefern könnten. Und wenn man das machen würde, würde man am Ende vielleicht auch eine noch bessere Lösung finden. Dass es anders ginge, haben die Gesetze gezeigt, die wir jetzt gerade vom Wohnbauressort hier im Haus verhandelt haben. Da haben bei beiden Gesetzen, zu denen ich gesprochen habe, ausführliche Begutachtungsverfahren stattgefunden, und bei der Bauordnungsnovelle ist es noch zu deutlichen Veränderungen zum Erstentwurf gekommen.
Was ist unsere Kritik konkret? Der Zuschlag für die Bedarfsgemeinschaften mit Kindern knüpft an den anspruchsberechtigten Volljährigen an und nicht an der Zahl der Kinder. Das heißt, egal, ob in der Bedarfsgemeinschaft ein oder fünf Kinder zusammenleben, der Zuschlag bleibt gleich, die Zahl der Kinder bleibt unberücksichtigt. Die Lösung verfolgt wohl die Logik, den Verlust für zwei Erwachsene mit einem Kind fast vollständig zu kompensieren. Diese Logik ist aber insofern nicht logisch, weil die Neuregelung ja mit der Kompensation eines Sonderbedarfs auf Grund von minderjährigen Kindern im Haushalt argumentiert wird. Und dieser Sonderbedarf, sehr geehrte Damen und Herren, wächst natürlich mit der Zahl der Kinder. Dieses Argument hat der Verfassungsgerichtshof nicht zuletzt 2019 gebracht, als er die gestaffelten Obergrenzen für Kinder aufgehoben hat. Die vorliegende Lösung benachteiligt Alleinerziehendehaushalte gegenüber Bedarfsgemeinschaft mit Kindern. Mit der vorliegenden Lösung werden Mehrkindhaushalte gegenüber Einkindhaushalten benachteiligt. Alleinerziehendehaushalte, Mehrkinderhaushalte, das sind genau die Haushalte, die besonders stark armutsgefährdet sind. Was wäre also unser Vorschlag? Knüpfen wir an die Zahl der Kinder an statt an die Zahl der Erwachsenen in der Bedarfsgemeinschaft. Das wäre im Sinne der Armutsbekämpfung sinnvoll, weil wir besonders betroffene Zielgruppen, Alleinerziehende-, Mehrkindhaushalte besonders unterstützen würden.
Zweiter Kritikpunkt: Die Lösung über einen Zuschlag führt dazu, dass die Personen, die über ein Einkommen über dem Richtsatz, aber unter dem Zuschlag verfügen, um den Zuschlag umfallen. Oder einfach gesagt, die Menschen mit Erwerbseinkommen knapp über der Mindestsicherung bekommen keinen Zuschlag, weil sie keinen Anspruch auf Mindestsicherung haben, weil sie ja über dem Richtsatz sind. Sie werden also schlechter gestellt als MindestsicherungsbezieherInnen. Ich weiß, das ist ein bisschen kompliziert. aber das kann für einen Alleinerziehendenhaushalt eine Schlechterstellung bis zu 47 EUR bedeuten und für eine Bedarfsgemeinschaft sogar eine Schlechterstellung bis zu 94 EUR. Diese Unterscheidung, sehr geehrte Damen und Herren, ist einfach durch nichts zu rechtfertigen.
Was wäre also unser Vorschlag? Eine Erhöhung des Richtsatzes für die minderjährigen Kinder auf die Armutsgefährdungsschwelle, das würde 133,12 EUR mehr pro Kind pro Monat bedeuten, damit wäre der Verlust für die Bedarfsgemeinschaften mehr als kompensiert. Wir hätten damit eine Lösung, die an der Zahl der Kinder und nicht an der Zahl der Erwachsenen anknüpft und damit Alleinerziehendehaushalte und Mehrkindhaushalte besonders unterstützt. Wir hätten eine Lösung, die über einen höheren Richtsatz jene Gruppen einschließt, die mit der jetzigen Lösung ausgeschlossen wären. Wir hätten eine Lösung, die der Kindergrundsicherung ziemlich nahekommt, die die Sozialdemokratie überall fordert, nur nicht in Wien, wo sie es umsetzen kann. Und wir hätten damit eine Lösung, die Rechtssicherheit herstellt, denn die Richtsätze für minderjährige Kinder sind nach oben hin offen, seit der Verfassungsgerichtshof 2019 die gestaffelten Kindersätze aufgehoben hat. Und das meine ich, wenn ich sage, nutzen wir die Spielräume des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes aus. Das ist übrigens keine ausgefeilte Umgehungskonstruktion - weil das irgendwann einmal so im Ausschuss gefallen ist -, das zielt einfach auf die Bekämpfung eines besonders dramatischen Aspekts von Armut ab, auf die Bekämpfung von Kinderarmut.
Dritter Kritikpunkt: Für Bedarfsgemeinschaften ohne Kinder ist keine Lösung gefunden worden, sie verlieren 105 EUR - das ist eh schon erwähnt worden - pro Monat. Ausnahmen sind, und da ist sozusagen eine gute Lösung gefunden worden, lediglich die BezieherInnen von Dauerleistungen. Auch hier muss man Ihnen einfach vorwerfen, dass Sie die Spielräume des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes nicht ausnützen. Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs aus dem März 2023 ist durchaus zu akzeptieren, aber man sollte halt nicht nur dort hinschauen, wo man Dinge umzusetzen hat, die Leistungen reduzieren,
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