Landtag, 17. Sitzung vom 23.11.2022, Wörtliches Protokoll - Seite 78 von 84
Abg. Mag. Mag. Julia Malle (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Landeshauptmann-Stellvertreter! Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher!
Wir haben über Kinderschutz gesprochen und über die Nachsichten, um Sie daran zu erinnern. Meine Kollegin Berner wird speziell auf den Kinderschutz noch eingehen. Ich möchte ein bisschen auf die Nachsichten eingehen und auf die Tatsache, dass wir diesem Gesetz leider nicht zustimmen können. Wien braucht eine Bildungsrevolution, haben die NEOS immer gesagt, und dieser Meinung sind auch wir. Worüber wir heute abstimmen, ist allerdings alles andere als eine Bildungsrevolution. Es ist eine minimale Verbesserung des Status quo zur Bekämpfung des Personalmangels in der Elementarpädagogik. Eine strukturelle Verbesserung der Rahmenbedingungen ist es allerdings nicht. Auch wenn diese Novelle mehr Rechtssicherheit für die TrägerInnen bringen wird, muss klar gesagt werden, dass sie keinesfalls dazu führen wird, die Qualität in den elementaren Bildungseinrichtungen zu erhöhen. Die zu verbessernden Rahmenbedingungen werden nicht einmal ansatzweise angegangen. Es ist zwar rechtlich abgesicherter als jetzt möglich, dass nicht spezifisch ausgebildetes Personal im Kindergarten arbeiten kann, aber auch, wenn wir den faktischen Bedarf in der Praxis nachvollziehen können, wird dieses Gesetz nicht bewirken, dass mehr ausgebildetes Personal in den Kindergarten geht. Das ist im Übrigen auch der Tenor vieler Stellungnahmen. Auch diejenigen, die die Novelle positiv sehen, sind durchaus kritisch, dass sich in der Elementarbildung erst die Rahmenbedingungen ändern müssen, da es sonst in keinem Bereich Verbesserungen geben werde. Die Arbeiterkammer Wien schreibt, dass in der vorliegenden Novelle nur geregelt werde, unter welchen Umständen und für welche Dauer nicht entsprechend ausgebildetes Betreuungspersonal in Kindergärten eingesetzt werden kann. Die Arbeiterkammer sieht diese Regelung äußerst kritisch, denn die Qualität in der Elementarbildung und des Kinderschutzes stehe und falle mit qualifizierten Fachkräften und den besten Rahmenbedingungen.
Die Maßnahme Personalengpässe durch nichtausgebildetes Personal abzufedern, ist uns zu wenig und hat unseres Erachtens nichts mit einer Qualitätsoffensive zu tun. Und dass dies Novelle notwendigerweise zu Verschärfungen führen muss, was die Qualität betrifft, das lese ich jedenfalls aus dieser auch nicht heraus, denn die potenziellen Verschärfungen, die wir im Sinne des Kinderschutzes und der Qualitätssicherung ja begrüßen würden, werden ausgehebelt durch folgendes Faktum: Trotz der Verschärfungen bei den Nachsichten kann das alles ausgehebelt werden, wenn man als Ergänzung ein pädagogisches Konzept vorlegt. Die Möglichkeit von Nachsichten pro Standort wird auf maximal die Hälfte der Gruppen für maximal zwei Kindergartenjahre in Folge eingeschränkt. SOS-Kinderdorf hat hier eine Reduzierung auf ein Viertel vorgeschlagen, dem wurde aber leider nicht nachgekommen. Das heißt, es ist möglich, dass Kinder, die in der Kindergruppe sind, zwei Jahre lang von nicht spezifisch ausgebildetem Personal betreut werden. Diese Beschränkung gilt nicht für die heilpädagogischen Gruppen und für Integrationsgruppen, hier ist die Vermutung natürlich im Raum, dass die Personalnot noch höher ist. Die von Ihnen angekündigte potenzielle Verschärfung kann aber auch ohne einen zusätzlichen Paragraphen ausgehebelt werden. Ich kann nämlich einfach das nichtausgebildete Personal nach einem Jahr in eine andere Gruppe schicken und schon umgeht man überhaupt zwei Jahre. Oder weiters, um auf Schwankungen am Arbeitsmarkt reagieren zu können, ohne die Betreuungskontinuität für die Kinder zu gefährden, kann in Ausnahmefällen nach Vorlage der Ergänzung des pädagogischen Konzeptes, das auf diese Situation Bezug nimmt und entsprechende qualitätssichernde Maßnahmen darlegt und nach eingehender Prüfung durch die Behörde von den angeführten Beschränkungen abgegangen werden. - Ja, das ist natürlich logisch, dass in der Praxis auf diese Möglichkeit zurückgegriffen werden wird, angesichts der Personalnot. Das macht aber alle Verschärfungen irgendwie obsolet und führt diese Novelle völlig ad absurdum.
Das nichtausgebildete Betreuungspersonal muss vor Beginn der Tätigkeit eine Fortbildung von im Ausmaß 16 Unterrichtseinheiten absolvieren. Das ist natürlich besser als nichts, keine Frage, das sehen wir auch so, aber Inhalte wie - die Kollegin Emmerling hat es angesprochen - pädagogische Grundlagen, Dokumente der Umsetzung in der Praxis, rechtliche Grundlagen, Kinderschutz und Kinderrechte, Kommunikations- und Konfliktmanagement, Entwicklungspsychologie in 16 Unterrichtseinheiten, das geht sich nicht ganz aus. Wie übrigens auch irgendeine unspezifische pädagogische Ausbildung für die Arbeit mit Kleinkindern eigentlich völlig absurd ist. Kleinkinder brauchen etwas ganz anders. Auch im Sinne der Qualitätssicherung können wir uns mit dieser Änderung nicht zufriedengeben, wir wollen hier eigentlich viel mehr. Im Übrigen geht die Kritik der Kinder- und Jugendanwaltschaft auch in diese Richtung, dass das zu wenig ist. Und das Netzwerk Elementarbildung Österreich, ein aus unserer Sicht wichtiges Netzwerk, was qualitätsvolle Bildungsarbeit betrifft, spricht sich ebenso gegen diese Novelle aus.
Insgesamt also minimale Verbesserungen zu jetzt, außer dass die TrägerInnen mehr Rechtssicherheit haben. 16 Unterrichtseinheiten besser als nix. Aber wäre ich ein junger Mensch, ich würde mir überlegen, ob ich mich überhaupt noch zur Elementarpädagogin ausbilden lasse, da es ja eh eigentlich kein Muss mehr sein wird - das traue ich mich fast zu wetten - und es anders viel leichter geht. Und bei allem Verständnis für diese Notwendigkeit in der Praxis, eine Bildungsrevolution ist das nicht. Aber vielleicht finden auch Sie, Herr Lhptm-Stv. Wiederkehr, wieder zurück zu Ihren Zielen und Visionen in der Bildung. Bis dahin bitte übernehmen Sie die Verantwortung für die Verbesserungen der Rahmenbedingungen in der Elementarpädagogik. Es ist Ihr Zuständigkeitsbereich, und ich glaube, dass Sie mit diesem Ergebnis, mit dieser minimalen Verbesserung tatsächlich nicht zufrieden sein können. (Beifall bei den GRÜNEN.) Wir sind es jedenfalls nicht und
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