«  1  »

 

Landtag, 47. Sitzung vom 31.08.2020, Wörtliches Protokoll  -  Seite 37 von 40

 

eben zu keiner Anrechnung kommt, dass diese 450 EUR wirklich der Einzelne/die Einzelne bekommt. Und die zweite Ebene ist die Diskussion um das Mindestsicherungsgesetz, das per se mit 1.1.2020 umgesetzt hätte werden müssen. Wien ist hier allerdings weiterhin säumig und begeht damit einen Verfassungsbruch. Aus diesem Grund bringe ich einen Antrag ein betreffend Umsetzung Ausführungsgesetz Sozialhilfe, Beschlussantrag:

 

„Der Wiener Landtag möge beschließen, dass der Amtsführende Stadtrat für Soziales, Gesundheit und Sport als zuständiges Mitglied der Wiener Landesregierung schnellstmöglich einen entsprechenden Entwurf einer Novelle erarbeitet, der für eine rechtskonforme und vollständige Umsetzung der bundesgesetzlichen Vorgaben des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes sorgt und dem Wiener Landtag zur Beschlussfassung vorgelegt wird.

 

In formeller Hinsicht wird die sofortige Abstimmung verlangt.“

 

Meine Damen und Herren! Die Probleme im Wiener Sozialsystem bleiben aber weiterhin bestehen und werden durch die schwierige wirtschaftliche Situation natürlich noch größer. Bei 20 Prozent der Einwohner leben rund 60 Prozent aller Mindestsicherungsbezieher Österreichs in Wien. Seit 2010 Rot-Grün das Ruder übernommen hat, ist die Anzahl der Bezieher um über 60 Prozent gestiegen und die Ausgaben für die Mindestsicherung sind in Wien um 120 Prozent gestiegen. Es ist nun einmal eine Tatsache, zumindest war es das 2019, dass wir in Wien täglich 1,8 Millionen EUR für die Mindestsicherung ausgeben. Im Vergleich dazu Niederösterreich 180.000 EUR, also ein Zehntel. Und ich halte an dieser Stelle noch einmal fest, das Sozialhilfe-Grundgesetz ist zwar vom Verfassungsgericht in einigen Teilen aufgehoben worden, aber das Rahmengesetz ist weiterhin in Geltung, wird aber in Wien nicht umgesetzt. Und gleichzeitig ist Wien ein Sozialmagnet. Ich weiß, der Herr Landesrat will das immer nicht hören, und die Mindestsicherung ist immer noch leider kein Sprungbrett in den Arbeitsmarkt und es wird in nächster Zeit noch schwieriger werden. Und, Herr Landesrat, Sie haben es heute in der Fragestunde schon gesagt, Sie nehmen an, dass die Beiträge für Mindestsicherung wahrscheinlich ansteigen werden, weil natürlich die wirtschaftliche Situation eine so schwierige ist. Aber eines ist auch sehr klar: Bei der Umsetzung des Sozialhilfe-Grundgesetzes ging es der Bundesregierung schon immer um Gerechtigkeit für die Leistungswilligen. Nie ging es um Kürzungen per se. Aber eines muss uns allen klar sein, auch wenn Sie es nicht gerne hören: Jemand, der arbeitet, darf nicht der Dumme sein.

 

Aber andererseits ist es nicht zu verstehen, Herr Landesrat, dass besonders vulnerable Personengruppen durch Ihre Verzögerung, das Gesetz nicht anzunehmen, leider Gottes hier nicht berücksichtigt werden. Wen meine ich damit? Da ist der Bonus für Alleinerzieher, er ist nicht zu finden, ein erhöhter anrechnungsfreier Freibetrag auch nicht.

 

Auch die Erhöhung des Schonvermögens wurde ebenfalls nicht umgesetzt und das ist mir eigentlich unverständlich. Wobei mir überhaupt unverständlich ist, dass Sie nicht das Gesetz umsetzen. Und auch wenn Sie, Herr Landesrat, in Ihrer, ich möchte sagen, unnachahmlichen Art und Weise den Anziehungsfaktor der Mindestsicherung als Vollquargel bezeichnen, so wird das Gegenteil in einigen Studien bestätigt, Britton und WIFI.

 

Meine Damen und Herren! Gerade jetzt im Zuge der Covid-19-Pandemie kommt der Sozialhilfe als letztes soziales Netz eine ganz besondere Bedeutung zu. Es geht aber auch darum, dass man in wirtschaftlich so schwierigen Zeiten den Menschen die Chance geben muss, wieder auf eigenen Beinen zu stehen. Es sollen keine Abhängigkeiten geschaffen werden, sondern Selbstständigkeit ermöglicht werden. Deshalb braucht es ein soziales Netz, das aber den Betroffenen, ich wiederhole es noch einmal, als Sprungbrett dient. Herr Landesrat, ich fordere Sie auf, beenden Sie den Verfassungsbruch und setzen Sie das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz endlich um!

 

Präsident Dipl.-Ing. Martin Margulies: Ich danke für das Desinfizieren. Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abg. Berner, bitte sehr.

 

12.52.19

Abg. Mag. Ursula Berner, MA (GRÜNE)|: Ja, Frau Korosec, ja, wir geben in Wien Geld für die Mindestsicherung aus, ja, das stimmt. Aber was genau, was genau wäre die Alternative? Wollen Sie, dass in Zukunft Kinder auf der Straße schlafen? Dass überall BettlerInnen in Lumpen herumrennen, weil sie keine Wohnung mehr finden oder weil sie auch nichts zu essen haben? Ist das die Alternative für eine Stadt, in der wir alle leben wollen? Wir stehen zu einer solidarischen Gesellschaft! Das ist die Grundlage eines sicheren, guten Lebens für alle in dieser Stadt.

 

Das ist das Wien, das wir hier in Solidarität, Nächstenliebe und in einem guten Leben für alle, die hier sind, erhalten wollen. Und deshalb freue ich mich heute. Ich freue mich, weil es gelungen ist, Hilfe für die bereitzustellen, die es besonders dringend brauchen: 450 EUR für alle, die durch Corona-Maßnahmen zu AMS-Beziehenden wurden. Auch wenn der AMS-Bezug selbst so gering ist, dass er mit Mindestsicherung auf 917 EUR aufgestockt werden muss, auch dann brauchen diese Menschen noch ein bisschen mehr Unterstützung. Das sind die Menschen, die besonders genau rechnen müssen. Das sind die Menschen, die die 450 EUR für dringende Ausgaben brauchen, für die Reparatur der Waschmaschine, für einen neuen Eiskasten oder vielleicht für warme Wintermäntel für die Kinder. Und wenn es nur die Schulden aus den letzten Monaten sind, die abgestottert werden können, auch dann ist ihnen geholfen und darüber freue ich mich.

 

Es war ein hartes Stück Arbeit, keine Frage. Es war durchaus Kreativität notwendig, damit die Hilfe tatsächlich bei denen im Börsel spürbar wird, die es am dringendsten brauchen. Wir alle leben gerade in keiner einfachen Zeit. Die Corona-Maßnahmen haben aufgedeckt, wie leicht man in finanzielle Nöte kommen kann: Der Job ist weg, das Einkommen sinkt, und plötzlich muss man Schulden machen, allein um die Fixkosten zu erhalten.

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular