Landtag, 46. Sitzung vom 25.06.2020, Wörtliches Protokoll - Seite 74 von 79
man ja etwas arbeiten, und im Arbeitsprozess schaut es dann auch nicht ganz so demokratisch aus!
Sorgen wir also dafür, dass die Organisationen und Institutionen, die demokratisch sein sollen, auch wirklich demokratisch funktionieren! Und wenn uns das gelungen ist, dann können wir uns über andere Dinge unterhalten.
Noch eine letzte Bemerkung: Wie stellen Sie sich die Direktwahl der Schülervertreter vor? - Ich war an meiner Schule oftmals schon Wahlleiter für die Schulsprecherwahl. Das ist ausgesprochen aufwändig und mühsam! Wir haben ja schon eher größere Schüler, aber dabei macht man die Erfahrung, dass das teilweise auch verblödelt wird mit ungültigen Stimmen, und so weiter. Eine Schulsprecherwahl in einer großen Schule ist durchaus eine ganz ordentliche administrative Angelegenheit! Sie aber wollen jetzt eine Direktwahl, dass jeder Schüler irgendjemanden wählt?! Sollen dort Listen kandidieren? - Das ist offenbar genau das, was Sie wollen: Sie wollen die Parteipolitik in die Schulen hineintragen! Dann muss es vielleicht noch einen Wahlkampf geben, und irgendwann einmal ist das ganze System lahmgelegt. Die Periode eines Klassen- und eines Schulsprechers beträgt immer nur ein Schuljahr. Das heißt, es muss dann jedes Jahr eine Direktwahl unter zehntausenden Schülern organisiert werden. - Das ist ja wirklich völlig absurd.
Lassen wir doch die Kirche dort, wo sie ist, nämlich im Dorf. Das mit der Geschäftsordnung ist ja ganz nett. Aber ich meine, das Schülerparlament hat den Sitzungssaal ja auch immer bekommen. Es war nie ein Thema, dass der Sitzungssaal hier nicht zur Verfügung gestellt wird! Eventuell muss man sich aber auch die Frage stellen, wie es mit der Möglichkeit ausschaut, dass Abgeordnete aller Fraktionen, nicht nur ausgewählter Fraktionen, diesen Sitzungen beiwohnen können. Auch daran sieht man nämlich, dass es mit Ihrem Demokratieverständnis nicht so weit her ist: Ihre Leute sind dabei und sehen sich das an, andere dürfen aber nicht dabei sein.
Das hat mit Demokratie in unserem Sinne nicht viel zu tun.
Präsident Dipl.-Ing. Martin Margulies: Kollege Aigner! Ich darf Sie zum Desinfizieren noch einmal kurz zurück bitten. Danke sehr. - Ich erteile Kollegin Berner das zweite Mal das Wort. Bitte sehr.
Abg. Mag. Ursula Berner, MA (GRÜNE): Man wird ja besoffen hier herinnen vom Desinfektionsmittel!
Ich muss jetzt noch etwas dazu sagen: Ich finde es, ehrlich gesagt, sehr spannend, hier über unsere unterschiedlichen Demokratiebegriffe zu reden. Dabei kommt nämlich sehr deutlich heraus, wie unterschiedlich wir diese Welt, dieses Haus und auch unsere Mitbestimmung sehen. Eigentlich könnten wir dieses Thema, vielleicht sogar einmal längerfristig, in einem Ausschuss oder sogar in einer eintägigen Veranstaltung mit partizipativen Diskussionsrunden noch einmal behandeln! Ich glaube nämlich, Demokratie und auch Autorität werden sehr unterschiedlich verhandelt.
Ich möchte noch etwas zur Autorität sagen: Dieses Bild, dass ein Chef eine Autorität ist, ist ja allgemein bekannt. Die Definition, was diese Autorität aber genau bedeutet, ist sehr unterschiedlich: Manche glauben, Autorität heißt, dass man sich allem unterwerfen muss, was der betreffende Typ - meist ein Mann - sagt. Etwas darf nur so gemacht werden, wie es dieser Mann für richtig hält. (Zwischenruf.) In diesem Fall schon! Diese Art der Autorität sehe ich so.
Aber ich kenne auch positive Autoritäten. Es gibt positive Autoritäten. Diese geht von Menschen aus, die wir schätzen, weil sie besondere Erfahrungen haben, weil wir sie vielleicht inhaltlich interessant finden, weil sie ein Vorbild geben, dem wir folgen wollen. Deshalb schätzen wir deren Input, und denken, dass das vorhandene Problem so auf gute Weise gelöst werden kann. Von negativer Autorität spricht man hingegen dann, wenn jemand die anderen eher unterdrückt.
Mein Ziel wäre es, dass die Schule ein Ort ist, wo es durchaus Autoritäten gibt, aber Autoritäten, die positiv wirken. Ich glaube, dazu ist heute zum Beispiel schon Mahatma Gandhi zitiert worden. Demokratie in der Schule bedeutet natürlich nicht, dass jeder macht, was er will. Das wäre nicht Demokratie, sondern Chaos. Demokratie bedeutet, dass wir alle lernen, was ein Argument ist, wie man auf Argumente eingeht, dass man Argumente miteinander austauscht und dass man es auch aushält, wenn andere Argumente im Moment stärker sind und man mit seiner Meinung in einer Gruppe nicht an erster Stelle steht und sich der Gesamtmeinung einmal unterwerfen muss. Das ist eine Form der Demokratie, wie sie sehr wohl in der Schule vermittelt werden kann, und daran würde ich auch weiterhin festhalten.
Zuletzt zur Direktwahl von SchülerInnenvertretern: Ich habe schon öfters Wahlen ausgezählt, und mir ist aufgefallen, dass sich auch bei den Wahlen zur Stadtregierung oder zum Nationalrat durchaus ungültige Wahlzettel mit eigenartigen Botschaften finden, wie das vielleicht auch bei Schülervertretungswahlen der Fall sein kann. Natürlich ist das ein organisatorischer Aufwand. Allerdings ist es digital, wie wir es heutzutage haben - und unsere Kinder können noch viel besser damit umgehen -, sicherlich kein Problem, alle Schülerinnen und Schüler abzufragen, wen sie gerne wählen wollen. Es soll so vor sich gehen wie überall: Die Kinder lernen, dass es Listen gibt, man sich in irgendeiner Gruppe finden muss, weil es leichter ist, als Gruppe gemeinsam zu vertreten, als nur einer alleine, und dass man dann diese Liste wählen kann, so wie in jedem politischen Prozess, den wir sonst auch kennen.
Ich weiß nicht, was dabei die große Schwierigkeit ist! Vielleicht braucht es dazu eine kleine Geschäftsordnungsänderung der Landesschülervertretung, wie Sitzungen, Gremien und das Sich-Einbringen überhaupt stattfinden. Aber das muss man diesen Gremien überlassen, das sollen die SchülerInnen selbstbestimmt machen und nicht auf unseren autoritären Hinweis hin. - Herzlichen Dank.
Präsident Dipl.-Ing. Martin Margulies: Ich danke sehr. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich erkläre die Verhandlung für geschlossen. Der Herr Berichterstatter hat auf das Schlusswort verzichtet.
Wir kommen nun zur Abstimmung über die Gesetzesvorlage, und ich ersuche jene Mitglieder des Landta
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