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Landtag, 42. Sitzung vom 28.01.2020, Wörtliches Protokoll  -  Seite 55 von 72

 

Europas. Es geht nicht nur um Rückblick, was nicht funktioniert, wo Ängste geschürt werden, es geht um die Zukunftsfragen. Ich glaube, dass Europa der Kontinent ist, der die Zukunftsfragen der Menschheit auch teilweise beantworten kann oder helfen kann, diese zu beantworten.

 

Vor diesem Hintergrund finde ich es sehr gut, dass die neue Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen in ihrer Agenda das Thema des europäischen Green Deals sehr stark prononciert gesetzt hat. Ich glaube, als Botschaft war das ein sehr wichtiger und sehr guter Schritt. Ich möchte allerdings betonen, dieser Schritt ist eigentlich ein Anfang, und letztendlich ist diese Verpflichtung zur Klimaneutralität bis 2050 nichts anderes, was im Pariser Klimaabkommen steht, wozu sich eigentlich fast alle Staaten der Welt bekennen, das in fast allen Staaten der Welt ratifiziert wurde. Wir gehen also nicht darüber hinaus. Trotzdem finde ich es gut, dass man sich noch einmal dazu bekennt. (Beifall bei den NEOS.)

 

Ein klimaneutraler Kontinent bis 2050 ist technisch machbar, sehr ambitiös, aber technisch machbar. Aber das ist nicht die primäre Frage. Die Technologien haben wir, und ich glaube, dass Europa hier eine riesige Chance hat, auch mit seiner Industrie, mit seiner Wirtschaft, an dieser Transformation mitzuarbeiten und dass Europa tatsächlich auch weltweit ein Vorbildkontinent für diese Transformation sein kann. Da geht es nicht um die Frage, ob Europa 10 Prozent, 15 Prozent am weltweiten Ausstoß an Emissionen beiträgt, sondern da geht es um die Frage: Kann Europa diese Vorbildrolle der Transformation wahrnehmen? Wie gesagt, es ist nicht nur eine technologische.

 

Da möchte ich auch ein bisschen auf den Kollegen Kohlbauer zur ganzen Thematik Elektromobilität replizieren. Vor Kurzem hat der VW-Chef Diess in einer Versammlung zu seinen Mitarbeitern sehr klar eines gesagt, und zwar: Wenn wir in diesem Tempo weitermachen - da meint er den Konzern, aber auch die europäische Industrie -, wird es eng. Was meint er damit? - Das bedeutet für ihn einen Perspektivenwechsel, denn im Moment ist VW ein Automobilkonzern. Was VW aber sein müsste, ist ein Hightech-Konzern mit ganz anderen Dimensionen. Ich glaube, dieses Verständnis sollten wir auch in der europäischen Industrie, in der europäischen Wirtschaft haben, um diese Chance in Richtung Klimaneutralität 2050 wirklich zu nutzen.

 

Perspektivenwechsel - was meine ich damit? Vor Kurzem wurde bekannt gegeben, was denn diese Transformation kostet. Wir sprechen ja hier immer von den Kosten: 1 Billion EUR, also 1.000 Milliarden EUR in den nächsten 10 Jahren. Das klingt nach viel, aber in Wirklichkeit ist das nicht viel. Europa gibt alle 2 Jahre 1.000 Milliarden EUR für Subventionen fossiler Energieträger aus. Das heißt, wenn wir diese Transformation intelligent schaffen und die Subventionen fossiler Energieträger endlich abschaffen, schaffen wir tatsächlich einen Markt und dann schaffen es andere Technologien im Bereich der erneuerbaren Energiesysteme, absolut wettbewerbsfähig zu sein.

 

Das heißt, ganz, ganz wichtig ist, dass Europa diese Spielregeln neu definiert. Wir brauchen sozusagen solche sozioökonomischen Kippelemente, die dann plötzlich etwas auslösen, was man vorher gar nicht dachte, dass es möglich ist. Dieser Perspektivenwechsel ist absolut notwendig.

 

Auch heute war im „Standard“ wieder die Überschrift: Klimaneutralität für Österreich kostet jährlich 4 Milliarden EUR. Das ist eine falsche Definition. Hier geht es nicht um die Frage, was es kostet. Der Nutzen, der im Vordergrund steht, was das für die Wirtschaft bringt, was das für neue Technologien bringt, was das für neue Arbeitsplätze bringt, wird in dieser Diskussion ja vollkommen ausgeklammert. Daher Perspektivenwechsel.

 

Zweiter Punkt: Wo Europa Vorbild sein könnte, ist die Klimadiplomatie. Ich möchte das an dem Punkt festmachen: Wir haben heute schon über das Thema der Städteagenden gesprochen. Manche sprechen auch von der Vorstellung eines Europas der Regionen, eines Europas der Städte, eines Europas der urbanen Union. Ich glaube, das ist die große Chance für Europa, diese neue Klimadiplomatie. Im Endeffekt geht es darum: Wenn die europäischen Städte, so wie Wien, gemeinsam voranschreiten, kann man diese nationalstaatlichen Einzelinteressen in den Hintergrund bringen. Das halte ich für extrem wichtig, denn im Moment ist es gar nicht möglich, eine europäische Energieunion zu machen, weil jeder Mitgliedstaat dagegen votieren kann.

 

Das Argument mit der Atomenergie, das zuerst gekommen ist, ist ja genau das Problem. Das heißt, den Kollegen der FPÖ sage ich nur: Na, dann sprechen Sie mit Ihrem Kollegen Orbán, denn der macht nichts anderes: Mit billigen russischen Krediten baut er Atomkraftwerke. Das heißt, wenn Sie hier gegen Atomenergie in Europa sind, dann sprechen Sie mit Ihren Kollegen in Ungarn. Diese neue Klimadiplomatie, ich glaube, das muss der Fokus sein, das ist auch die Chance Europas, zu zeigen, wie Städte in diesen Kooperationen neu agieren können. (Beifall bei den NEOS.)

 

Dieses neue Agieren bedeutet allerdings auch - und ich glaube, wir werden ja hier morgen auch dazu sprechen - diesen Umbau der Städte in treibhausgasneutrale Strukturen, treibhausgasneutrale Städte. Das ist eine unglaubliche Herausforderung, auch wieder technisch machbar, aber wir brauchen natürlich auch diese neuen Spielregeln und auch den politischen Willen. Das wird nicht mehr mit Klein-Klein-Klein-Dingen funktionieren. Denn nochmals: klimaneutral bis 2050 heißt, 3 Prozent Emissionsreduktion pro Jahr, und das jährlich. Das hatten wir bis dato noch nicht. Was wir jetzt also einmal brauchen, ist tatsächlich eine Trendumkehr, und da geht es nicht mehr mit diesen Klein-Klein-Lösungen.

 

Das heißt, 2045 - wenn ich in die Zukunft schaue und aus der Zukunft zurückschaue -, denke ich, haben wir die Chance, da haben wir einiges gemacht, und Europa hat es geschafft, mit dieser Transformation in Richtung Klimaneutralität auch im internationalen Kontext wieder wettbewerbsfähig zu sein. Deswegen will ich eigentlich gar nicht von einem New Green Deal sprechen, sondern in Wirklichkeit ist das, was Europa braucht, und in diese

 

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