Landtag, 40. Sitzung vom 20.11.2019, Wörtliches Protokoll - Seite 29 von 76
maßgeblich dazu beigetragen, gemeinsam mit dem Bund sozusagen die Möglichkeit zu schaffen, eine Heimopferrente zu bekommen. Uns ist auch vollkommen klar, dass all diese Maßnahmen niemals das Leid aufwiegen können, das die Menschen tragischerweise in diesen Einrichtungen erfahren mussten. Das war auch nie unser Ziel. Unser Ziel bei der Aufarbeitung dieser skandalösen Vorgänge war, Betroffene möglichst umfassend über ihre Rechte zu informieren und auch das Vertrauen in unsere Institutionen wiederherzustellen. Meine Kolleginnen und Kollegen, Sie wissen ganz genau, dass es mit Ende der Meldefrist für uns nicht erledigt ist, sondern selbstverständlich werden auch weiterhin von der Kinder- und Jugendanwaltschaft und vom Psychosozialen Dienst kostenlose Therapiestunden vermittelt.
Bei dem zweiten Antrag, den Sie stellen, geht es um die Krankenversicherung. Ich stimme Ihnen da grundsätzlich zu. Ich bin natürlich sehr dafür, dass alle Kinder versichert sind. Ich bin auch sofort dabei, wenn wir gemeinsam den Bund auffordern, oder es gemeinsam mit dem Bund schaffen, diese Lücke für alle Kinder zu schließen. Das sage ich gerade am Tag der Kinderrechte, weil alle Kinder nämlich das Recht auf ein gesundes Leben haben. Warum betone ich alle Kinder so? Weil es nicht nur Kinder betrifft, die in Einrichtungen der Wiener Kinder- und Jugendhilfe oder überhaupt der Kinder- und Jugendhilfe sind, sondern weil es auch Kinder betrifft, die bei ihren Eltern sind, deren Eltern halt nicht versichert sind, und zwar in einem wahrscheinlich noch viel höheren Ausmaß. Dazu würden mich auch einmal Zahlen interessieren. Grundsätzlich möchte ich jedenfalls zu dem Antrag und zum Bericht der Volksanwaltschaft schon festhalten, dass es jetzt auch in Wien eine praktikable Übereinkunft zwischen der MA 11 und der Gebietskrankenkasse gibt, wo im Bedarfsfall den Kindern natürlich geholfen wird. Das geht immer nach dem Kindeswohl und nicht nach irgendwelchen Kostengründen. Es gibt auch in dem Bericht der Volksanwaltschaft keinen einzigen Fall, wo das anders attestiert worden wäre. Da finde ich es schon ein bisschen schwierig, ehrlich gesagt, dass man ausgerechnet der Kinder- und Jugendhilfe quasi ein bisschen subtil unterstellt, dass sie hier nach irgendwelchen Kostengründen und nicht ausschließlich nach dem Kindeswohl agieren würde.
Weil ich gerade dabei bin, komme ich noch zum Bereich der Fremdunterbringung. Das passt eigentlich ganz gut dazu. Ich möchte da jetzt nicht auf die Einzelfälle im Bericht eingehen, weil Kollege Ellensohn hat das schon ein bisschen getan. Jeder einzelne davon ist in der Beschreibung dramatisch. Bei jedem einzelnen davon gibt es sozusagen auch unterschiedliche Sichtweisen, auch von der Behörde, der Volksanwaltschaft oder den Betroffenen.
Ich möchte lieber etwas Grundsätzliches dazu sagen: Es muss uns klar sein, dass es im Bereich der Fremdunterbringung immer eine schwierige beziehungsweise oft extrem schwierige Vorgeschichte in der Familie gibt und dass wirklich monatelang und manchmal auch jahrelang alles getan wurde, um ein Herausnehmen aus der Familie und eine Fremdunterbringung zu verhindern, ob es sich nun um präventive Maßnahmen wie das Heranziehen von Familienzentren, sozialtherapeutische Angebote, das Aufsuchen eines Sozialarbeiters oder was weiß ich, alles handelt. Manchmal ist dann aber der Zeitpunkt gekommen, an dem sämtliche Maßnahmen nicht mehr helfen und einzig und allein auf das Kindeswohl geachtet werden muss und diesfalls Kinder aus der Familie herausgenommen werden müssen. Ich möchte Ihnen versichern, dass niemand so etwas voreilig oder gar leichtfertig machen würde, ganz bestimmt nicht!
Wir haben vorher auch über Kosten und die Frage geredet, ob die MA 11 aus Kostengründen vielleicht jemandem die Gesundheitsversorgung verwehrt. - Wenn es nach Kostengründen ginge, dann würde die Magistratsabteilung 11 niemanden fremdunterbringen, denn das ist das Teuerste überhaupt! Das zeigt auch ganz klar, dass es einzig und allein immer um das Kindeswohl geht.
Wenn die Volksanwaltschaft jetzt in ihrem Bericht kritisiert, dass Wien im Vergleich zu anderen Bundesländern einen überproportional hohen Anteil an Kindern hat, die fremduntergebracht sind, dann bitte ich schon darum, hier bei der Analyse auch fair zu bleiben! Wir haben nämlich in Wien ganz einfach ein bisschen andere Rahmenbedingungen.
Erstens haben wir sozioökonomische Grundlagen in dieser Stadt, die auch Auswirkungen haben. Wenn man Wien mit anderen Großstädten vergleicht - und ich meine jetzt nicht Großstädte wie St. Pölten oder Eisenstadt, sondern Großstädte wie Berlin, Hamburg, München -, dann kommt man sehr schnell drauf, dass dort die Quote ähnlich hoch, wenn nicht sogar höher ist als bei uns. Zweitens haben wir in Wien auch eine ganz andere sozialpolitische Tradition unserer Kinder- und Jugendhilfe. Es werden in Wien zum Beispiel auch Kinder mit Behinderungen, die stationär untergebracht sind, etwa auch mit schweren psychischen Erkrankungen, in die Fremdunterbringung eingerechnet. Das ist anderswo nicht der Fall. Und zu guter Letzt übernehmen wir in Wien nun einmal auch soziale Verantwortung, und zwar aus Überzeugung. Auch das sage ich ganz bewusst am Tag der Kinderrechte, weil wir in Wien dafür stehen, dass jedes Kind das Recht auf Schutz und Geborgenheit hat. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Erinnern wir uns zurück, was das 2015 konkret geheißen hat! Damals mussten Kinder in absolut untragbaren Verhältnissen zum Beispiel in Traiskirchen - wie ich bewusst sage - hausen. In Anbetracht dessen hat unser damaliger Bürgermeister Michael Häupl von einem Tag auf den anderen gesagt: Wir nehmen diese 50 Kinder in Wien auf und bieten ihnen Schutz und Geborgenheit! - Insgesamt haben wir natürlich noch viel mehr unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aufgenommen, etwa auch deswegen, weil die anderen Bundesländer ihrer Quote nicht nachgekommen sind. Auch das findet sich nach wie vor zu einem nicht irrelevanten Anteil in unseren Zahlen der Fremdunterbringung.
Ich bitte Sie also sehr, auch diese Fakten in die Analyse der Fremdunterbringungszahlen miteinzubeziehen und ernst zu nehmen! Es kann nämlich nicht sein, dass
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