Landtag, 40. Sitzung vom 20.11.2019, Wörtliches Protokoll - Seite 25 von 76
Den lockeren Spruch „Das Recht geht vom Volk aus und hat bis heute nicht nach Hause gefunden.“ kennt vermutlich jeder von Ihnen. Die meisten Juristen finden ihn weder komisch noch nachvollziehbar. Die meisten Bürger allerdings verstehen sofort, was gemeint ist. (Abg. Dr. Kurt Stürzenbecher: Sind Juristen keine Bürger?) Unser Rechtssystem ist komplex, sehr komplex sogar. Es ist schwierig, es zu durchschauen, wegen der Fachsprache schwierig zu verstehen, was gemeint ist. - Habe ich jetzt etwas überhört? (Abg. Ing. Udo Guggenbichler, MSc: Nein!) - Das gilt für Gesetzestexte selbst, aber auch für Bescheide und Urteile.
Hier kommt die Volksanwaltschaft ins Spiel. Seit 1977 prüft sie, ob die Verwaltung im Rahmen der Gesetze handelt, konkret, ob den Menschen recht geschieht. Für die Bürger und Bürgerinnen stellt sie die Anlaufstelle dar, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen, wenn sie nicht verstehen, wie ihnen geschieht. Sie bringt den Menschen den Staat näher und umgekehrt. Niemals lernte ich mehr über die Konsequenz und die realen Auswirkungen der politischen Arbeit als während meiner Zeit als Volksanwältin. Das war eine unglaublich lehrreiche Zeit für mich, von der ich bis heute profitiere. Daher denke ich mit großer Dankbarkeit an diese Funktion zurück. Vermutlich wäre es gut, wenn manche oder viele Politikerinnen und Politiker eine Zeit lang dort arbeiten würden.
Die Arbeit der Volksanwaltschaft ist für das Funktionieren unseres Gemeinwesens unerlässlich. Sie gibt dem Abstrakten - ich würde sagen, abstrakten Staat - ein menschliches Gesicht. Sie werden verstehen, dass ich daher dem Bericht der Volksanwaltschaft immer große Bedeutung beimesse. Er gibt einen objektiven Einblick, wie die Arbeit der Behörden in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird, und hilft, Probleme zu identifizieren. Denn häufig geht es bei den Anfragen und Beschwerden gar nicht so um Rechtsverstöße - natürlich gibt es diese auch -, sondern sehr oft geht es eigentlich um Ungerechtigkeiten.
Als Gesundheits- und Sozialsprecherin der Volkspartei interessiere ich mich natürlich in erster Linie für diesen Bereich, das ist der Gesundheitsbereich.
Es ist ein hochemotionales Thema, das die Betroffenen gerade im Gesundheitsbereich stark bewegt und vor allem aber verunsichert. Deshalb soll man Hinweise auf Ungerechtigkeiten besonders ernst nehmen und auch - und das ist wichtig - rasch Lösungen treffen. Wer rasch hilft, hilft doppelt. Das ist im Gesundheitsbereich zu wenig der Fall. Denn in jedem Volksanwaltschaftsbericht finden Sie in einigen Bereichen immer wieder Beschwerden. Wenn das einmal abgestellt wäre, könnten nicht immer wieder Beschwerden kommen.
Ich denke nur zum Beispiel an die leidigen Wartezeiten in den Spitälern. Diesmal ist es ein Diabetespatient, der trotz Termin endlos warten musste. Im Bericht davor war es eine 87-jährige Patientin, die 24 Stunden in der Ambulanz verbracht hatte. In Spitälern und bei Ärzten heißt es grundsätzlich schon, Geduld zu haben, sehr viel Geduld zu haben. Das wissen wir. Das weiß sicher auch unser Gesundheitslandesrat. Passiert ist hier zu wenig. Ich fürchte, dass wir auch im nächsten Bericht wieder Wartezeiten auf Operationen, Wartezeiten auf Behandlungen finden. Wartelisten von der Web-Seite zu nehmen, kann nicht die richtige Methode sein!
Ein weiterer Dauerbrenner, meine Damen und Herren, ist der marode bauliche Zustand der Spitäler. Die Menschen können nicht nachvollziehen, warum in Warte- und Behandlungsräumen der Putz abblättert, warum sie durch verwahrloste Gänge gehen müssen. Sie verstehen nicht, dass das dafür nötige Geld halt im Krankenhaus Nord versenkt wurde. Sie haben völlig recht. Das versteht nämlich niemand! In den nächsten Jahren sollen über 4 Milliarden EUR in die Sanierung investiert werden. Das klingt vielversprechend. Spannend wird sein, woher das Geld kommt.
Eine weitere Baustelle ist die Kinder- und Jugendpsychiatrie. Das Problem, dass Jugendliche in Wien nicht adäquat versorgt werden, dass Betten fehlen, kennen wir alle seit Jahren. Es ist vielleicht der Übergriff eines erwachsenen Patienten auf ein 13-jähriges Mädchen der Anlass, etwas zu tun, um endlich den Österreichischen Strukturplan Gesundheit umzusetzen.
Letztendlich komme ich auch noch zum Personalmangel. Tagtäglich lesen wir in den Medien, egal, ob in den Pflegeheimen oder in Einrichtungen für Behinderte, von überall kommen die Beschwerden, dass es an MitarbeiterInnen fehlt, und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die arbeiten, sind total überlastet.
Ich bin der Volksanwaltschaft sehr dankbar, dass sie diese Missstände klar aufzeigt und sammelt, dass sie uns zur Verantwortung nimmt. Denn wir sind der Wiener Bevölkerung dafür verantwortlich, dass medizinische Versorgung in dieser Stadt gut funktionieren sollte! (Beifall bei der ÖVP.)
Dafür wurden wir gewählt. Dazu wurde auch der Gesundheitslandesrat ins Amt berufen. Ich wäre sehr froh, wenn der nächste Bericht eine Rede weniger sein könnte, weil es nichts mehr zu beanstanden gibt. Ich glaube es zwar nicht, aber, wie gesagt, die Hoffnung stirbt zuletzt.
Den vorliegenden Bericht verantworten die Volksanwälte Gertrude Brinek, Günther Kräuter und Peter Fichtenbauer. Sie schieden im Sommer aus dem Amt. Ich danke ihnen für die sehr konstruktive Zusammenarbeit, teilweise zwölf Jahre oder sechs Jahre, mit dem Wiener Landtag. Sie wiesen objektiv und sachlich auf Missstände hin. Was genauso wichtig ist, sie engagierten sich dafür, dass BürgerInnen und Behörden miteinander zurechtkommen. Das ist auch sehr wichtig. Wir alle sind ihnen und allen MitarbeiterInnen der Volksanwaltschaft zutiefst verpflichtet. Ich bin mir natürlich ganz sicher, dass sich die Volksanwälte Werner Amon, Bernhard Achitz und Walter Rosenkranz ebenso überzeugt mit den verschiedenen Anliegen auseinandersetzen werden. Sie werden gemeinsam mit ihrem höchstkompetenten Team die Erfolgsgeschichte der Volksanwaltschaft fortsetzen. Ihnen wünsche ich für die nächsten sechs oder zwölf Jahre alles Gute! (Beifall bei der ÖVP sowie von StRin Ursula Schweiger-Stenzel und von Abg. David Ellensohn.)
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