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Landtag, 21. Sitzung vom 23.11.2017, Wörtliches Protokoll  -  Seite 4 von 99

 

der einer Bezirksvertretung seine Rechte, sagen wir, sehr weit überspannt. Es gibt keine Möglichkeit, ihn abzusetzen, sei es auch bloß innerhalb der eigenen Fraktion, wenn er nicht aus eigenem Antrieb geht. Das führt in der Praxis zu sehr unterschiedlichen Auslegungen, etwa bei der Sitzungsführung. Im 15. Bezirk als sehr positives Beispiel habe ich beobachtet, dass dort Sitzungen so ablaufen, dass beispielsweise die Vorsitzführung im Stundentakt wechselt, ähnlich wie wir es hier im Landtag oder im Gemeinderat haben, und dass etwa die Zulässigkeit von Anträgen tatsächlich gemeinsam beschlossen wird.

 

Im 16. Bezirk wiederum habe ich beobachtet, dass es dort ganz anders ist. Dort herrscht ein sehr absoluter Stil, dort ist es sogar so, dass die Anfragen an den Bezirksvorsteher nicht vom Bezirksvorsteher beantwortet werden, obwohl das die Geschäftsordnung so vorsieht, sondern dass ein Bezirksrat die Beantwortung vornimmt und auch die Beantwortung der Zusatzfragen.

 

Meine Frage dazu ist: Welche Möglichkeiten sehen Sie, die parlamentarischen Rechte der Bezirksvertretungen auszuweiten?

 

Präsident Prof. Harry Kopietz: Herr Landeshauptmann.

 

Lhptm Dr. Michael Häupl: Den Vorsitzenden eines Exekutivorgans zu fragen, wo er die Ausweitung der parlamentarischen Rechte sieht, halte ich, ehrlich gesagt, für leicht humorvoll. Ich denke doch wohl, dass das Parlament über die Ausweitung der parlamentarischen Rechte selber nachdenken sollte. Das gilt natürlich auch für die Bezirksparlamente. Ich kann wenig dazu sagen, außer dass es auch aus meiner Sicht wünschenswert wäre, wenn es einen möglichst großen Gleichklang im Umgang mit der Geschäftsordnung beziehungsweise mit den Gesetzeswerken der Stadt in den einzelnen Bezirken gäbe. Da kann ich einer Diversität ausnahmsweise nicht besonders viel abgewinnen.

 

Präsident Prof. Harry Kopietz: Danke. Die 3. Zusatzfrage stellt Herr Abg. Wiederkehr.

 

9.08.41

Abg. Christoph Wiederkehr, BA (NEOS): Guten Morgen, Herr Landeshauptmann!

 

Im Rahmen der Ankündigung der Strukturreform und WiStA wurde auch die Zusammenlegung von Bezirksvertretungen oder Bezirken angedacht, die ist ja vorletzte Woche dann medial abgesagt worden, bevor überhaupt ein Schritt in diese Richtung gesetzt worden ist. Da würde mich interessieren, inwiefern Sie in den Prozess involviert waren und warum diese Reformbestrebungen beim Thema Zusammenlegung der Bezirke jetzt wieder vom Tisch sind.

 

Präsident Prof. Harry Kopietz: Herr Landeshauptmann.

 

Lhptm Dr. Michael Häupl: Ich kann ja wohl schwer bestreiten, dass ich hier involviert war, da ja medial nachvollziehbar ist, dass es eine solche Überlegung gab. Ich füge aber hinzu, es gab auch die Überlegung oder zumindest die Anregung dazu, zu überlegen, dass man Bezirke teilt. Man hat das alles überlegt, hat es als nicht zweckmäßig empfunden und damit ad acta gelegt. Ist auch recht! Hauptsache, man hat einmal über so etwas nachgedacht.

 

Präsident Prof. Harry Kopietz: Danke. Die 4. und letzte Zusatzfrage stellt Herr Abg. Mag. Juraczka. Bitte, Herr Abgeordneter.

 

9.09.49

Abg. Mag. Manfred Juraczka (ÖVP): Guten Morgen, Herr Landeshauptmann!

 

Herzlichen Dank für die bisherige Beantwortung. Ich sehe das völlig gleich, dass es nicht primär eine Diskussion um Ressourcen oder Geldmittel, sondern eine Diskussion um Aufgaben sein muss. Ich glaube aber, ein Föderalismus, der, wie ich glaube, von uns beiden auch innerhalb eine Bundeslandes durchaus begrüßt wird, nach dem Prinzip der Subsidiarität, also einem, wie von Ihnen richtig gesagt, dynamischen Prozess, macht nur dann Sinn, wenn er auch sehr kosteneffizient ist. Jetzt ist es unbestritten, dass wir in 23 Bezirken Bezirksparlamente mit 40 bis 60 Bezirksräten, mit durchaus viel Infrastruktur haben, die aber von den Kompetenzen her nur mäßig bespielt wird. Das erinnert mich ein bisschen an die Diskussion um die Landesstudios beim ORF, die natürlich teuer sind, wenn man täglich nur 20 Minuten sendet.

 

Meine Frage: Gibt es seitens der Stadtregierung generell eine Überlegung, ähnlich wie in der damaligen Zeit 1997/98, wirklich einen großen Dezentralisierungsprozess in Angriff zu nehmen? Das war eigentlich unmittelbar meine Frage, und ich glaube, nach fast 20 Jahren wäre so ein Schritt wieder überfällig.

 

Präsident Prof. Harry Kopietz: Herr Landeshauptmann.

 

Lhptm Dr. Michael Häupl: Ich wiederhole mich jetzt ein bisschen, wenn ich darauf hinweise, dass ich nicht alleine, sondern sehr viele in diesem Haus die Dezentralisierung als einen sehr dynamischen Prozess sehen. Nach einem entsprechend größeren Wurf geht es dann immer um Feinschliff, um Adaptierungen und Ähnliches. Das hat stattgefunden, es hat auch in den letzten Jahren stattgefunden.

 

Ich erinnere mich an die Diskussionen 1997/98 noch sehr genau, so wie auch an die Schritte, die unmittelbar nach 1996 gesetzt wurden. Da war es halt leider so - und insofern bin ich halt ein bisschen ein gebranntes Kind -, dass wir zuerst über das Geld diskutiert haben, welche Geldmenge in die Bezirke gepumpt werden soll, und dann haben wir krampfhaft gesucht, wie die Aufgabenaufteilung so sein wird, dass man diese Geldmenge auch entsprechend rechtfertigen kann. Das war es. Ob ich persönlich jetzt dazu bereit bin oder nicht, das ist eine Frage der Geschichte, aber ich bin überzeugt davon, dass auch alle hier im Haus Vertretenen gerne sagen: Ja, diskutieren wir darüber, wie man Aufgaben in einer Stadt dezentralisiert. Und dann schaut man, wie es mit der entsprechenden Finanzierung dieser Aufgabenzuteilung aussieht.

 

Du hast festgestellt, dass wir beide überzeugte Föderalisten sind. Ja, das stimmt. Den Föderalismus in einem Land wie Österreich aber jetzt mit einer Dezentralisierung in der Stadt zu vergleichen, das würde sich etwa der Grazer Bürgermeister im hohen Ausmaß verbieten.

 

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