Landtag, 15. Sitzung vom 06.04.2017, Wörtliches Protokoll - Seite 10 von 26
geht davon aus, dass der Normalfall ist, dass man nur eine Staatsbürgerschaft hat. Aber diese Vielfalt an Doppelstaatsbürgerschaften beweist doch, dass es nicht an sich etwas Anrüchiges ist. (Abg. Dominik Nepp: Aber sich das zu erschleichen!) Es wird ja jetzt so getan, als wäre quasi ein Staatsnotstand gegeben, wenn es plötzlich Leute mit Doppelstaatsbürgerschaft gibt - und das weise ich zurück. Das ist kein Grund für Staatsnotstand und auch kein Grund für Hysterie in der politischen Debatte. Das sei einmal ganz deutlich gesagt.
Vielleicht auch noch einige Ausführungen dazu, wie die Behörde vorgegangen ist: Die zuständige Behörde in Wien hat 647 Feststellungsverfahren durchgeführt. Der überwiegende Teil der Feststellungsverfahren betraf Fälle, in denen geprüft wurde, ob Personen, etwa durch österreichische Vorfahren, bereits die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen. Also das sind relativ viele Feststellungsverfahren, und StR Czernohorszky hat jetzt auch noch angeordnet, dass die Fälle aus dem Jahr 2017 händisch auszuwerten sind, damit man da noch mehr Klarheit hineinbringt.
Aber man muss auch sehen, dass die Auswertung insgesamt nur so erfolgen kann, dass jeder Papierakt händisch überprüft wird, ob die Thematik überhaupt Inhalt dieses Verfahrens ist. Und es müssen all jene Akte ausgehoben und einzeln gesichtet werden, die ein Feststellungsverfahren zum Gegenstand haben. Allein für diese Jahre 2013 bis 2016 sind dies rund 2.800 Akten - die muss man alle durchsehen. Und im Hinblick auf den damit verbundenen beachtlichen zeitlichen und administrativen Aufwand kann man schon sagen, dass es zumindest fragwürdig ist, ob das verwaltungsökonomisch vertretbar ist. Also man kann schon sagen, dass man hier auch die Verwaltungsökonomie mitreden lassen soll.
Aber es muss alles geprüft werden, ob nicht ein Missbrauch gegeben ist, das stelle ich auch unmissverständlich klar. (Abg. Armin Blind: Da kommt ihr jetzt drauf, nicht?) Und ein solcher ist dann gegeben, wenn jemand österreichischer Staatsbürger wird und willentlich - willentlich! - eine fremde Staatsbürgerschaft annimmt. (Abg. Dominik Nepp: Richtig!) Dann ist ein Missbrauch gegeben. Ein solcher ist also beispielsweise nicht gegeben, wenn dies erfolgt, wenn er es nicht weiß oder weil der Staat irgendwelche sonderbaren Bestimmungen hat, was auch vorkommt.
Was Sie jetzt schon machen, ist: Sie verursachen jetzt schon Beunruhigung bei Bürgern, die niemals willentlich eine fremde Staatsbürgerschaft angenommen haben, aber nicht wissen - denn es gibt ja 190 Staaten der Welt -, wie bei ihnen zu Hause die Rechtslage ist und ob sie dort vielleicht noch - ohne ihren Willen - als Staatsbürger geführt werden. (Abg. Dominik Nepp: Die sind ja ausgeschlossen …) Und es ist meiner Ansicht nach die Pflicht von Politikern, Ängste zu nehmen, und nicht, Ängste zu schüren, vor allem nicht bei Unschuldigen. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN. - Abg. Armin Blind: Und das Gesetz zu vollziehen, Herr Kollege! Fangen Sie einmal an, das Gesetz zu vollziehen!)
Das Gesetz muss eingehalten werden und wird auch strengstens eingehalten.
Und jetzt zur ÖVP: Das mit der Taskforce … - da muss ich vorher einen Schluck nehmen. - Die Taskforce in Tirol, im schwarz-grünen Tirol hat eine Mitarbeiterin! Also das ist wirklich eine außerordentlich effiziente Taskforce. Und die Taskforce oder die Gruppe, die das bei uns bearbeitet, im engeren Sinn, hat fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, also immerhin das Fünffache von dem, was Sie in Tirol haben. (Abg. Dr. Wolfgang Ulm: Aber nicht gleich viele Verfahren! Das ist das Bedauerliche!) Also so ein Vorbild ist Tirol auch wieder nicht.
Und dann vielleicht doch Folgendes - ich wollte es eigentlich rein juristisch, sachlich anlegen und mache es auch weiter so, aber weil doch immer wieder die Erdogan-Partei, und so weiter hier in die Diskussion hineingebracht wird: Wir sind wirklich der Meinung, dass es unerfreulich ist, wenn viele, die in Österreich wahlberechtigt sind, die AKP wählen - die AKP, die, das muss man aber schon auch sagen, eine Schwesterpartei der Österreichischen Volkspartei ist und die zur Europäischen Volkspartei, der EVP, gehört hat: Solange sozusagen der Prozess der Annäherung der Türkei an die EU noch im Gang war, war sie eindeutig zur Europäischen Volkspartei gehörig (Abg. Mag. Manfred Juraczka: Aber juristisch …) und damit die Schwesterpartei der ÖVP. Jetzt, da dieser Integrationsprozess zur EU unterbrochen ist, ist das formal vielleicht nicht mehr der Fall (Abg. Mag. Manfred Juraczka: „Vielleicht“?), aber es war lange, lange eure Schwesterpartei. Und auch die Vorfeldorganisationen der AKP, UETD und ATIB - das sage nicht ich, das habe ich vom Kollegen Pilz gelesen -, sind Vorfeldorganisationen der ÖVP (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP und Heiterkeit bei der FPÖ.), und sehr viele Kandidaten der ÖVP sind auch bei UETD und ATIB - das sei einmal festgestellt -, während unsere Schwesterpartei, die jahrzehntelange Schwesterpartei der Sozialdemokratie in der Türkei die kemalistisch-laizistische CHP ist, die in der Opposition ist. Und in jüngerer Zeit wenn auch nicht formal Schwesterpartei, aber eng mit unserer Gesinnungsgemeinschaft verbunden ist die HDP, die nicht nur eine Kurdenpartei ist, sondern eine fortschrittliche linksliberale Partei, die für Menschenrechte besonders eintritt. (Abg. Mag. Manfred Juraczka: Weiß das der Kollege Al-Rawi auch?) Diese unsere Gesinnungsgenossen in der Türkei sind in den Kerkern, und für die haben wir volle Solidarität, so wie mit allen anderen Opfern des Erdogan-Regimes, die in den Kerkern unschuldig eingepfercht sind. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Aber eines muss man auch sagen, und ich möchte das in aller Ruhe sagen, denn vielleicht hat es auch einen Sinn: Ich glaube, je mehr man sozusagen eskaliert und das emotionalisiert, desto mehr von den in Österreich Wahlberechtigten werden eher die Erdogan-Partei wählen. Wenn es eher ruhig abläuft, werden es eher weniger sein. Deshalb ersuche ich auch die FPÖ und halte es durchaus für möglich, hiezu eine sachliche Debatte zu führen. (Abg. Dominik Nepp: War ich nicht sachlich?)
Eines muss ich aber auch sagen: Die Türkei hat, soviel ich weiß, 80 Millionen Einwohner - über den Daumen gepeilt sind es dann 60 Millionen Wahlberechtigte. Wenn
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