Landtag, 15. Sitzung vom 06.04.2017, Wörtliches Protokoll - Seite 9 von 26
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Aber den einen oder einen anderen Pass zu haben, macht tatsächlich auch einen realen Unterschied, nämlich in Bezug darauf, was jemand darf. Reisefreiheit zum Beispiel, Zugang zum Arbeitsmarkt, die Auswahl eines bestimmten Berufes und auch das Wahlrecht, aber auch Demokratie, Sicherheit und Mitgestaltung - das sind die Grundlagen von Integration.
Im internationalen Vergleich hat Österreich bereits ein sehr restriktives Einwanderungsgesetz - was die Wartefristen betrifft, was die Hürden betrifft, was die benötigten Einkommensgrenzen und Einkommenshöhen betrifft. Das bedeutet, der Zugang ist besonders erschwert für Menschen mit einem vergleichsweise niedrigen Einkommen, für Teilzeitbeschäftigte, für wenig Verdienende, für AlleinerzieherInnen. Das heißt, für die Menschen ist der Zugang zur Mitgestaltung wesentlich schwieriger oder sogar unmöglich, obwohl sie bereits jahrelang legal hier niedergelassen und ansässig sind. - Liberal ist Österreich hingegen bei den privilegierten Einbürgerungen, also bei denen der Reichen und wenn nicht Schönen, dann zumindest Berühmten.
Die Anträge der NEOS kann ich an dieser Stelle nur mit Staunen und Entsetzen zur Kenntnis nehmen. (Ruf bei den NEOS: Mit Entsetzen?!) - Mit Entsetzen, ja. Anscheinend haben Sie sich in keinster Weise mit dem Integrationsgesetz oder mit dem Integrationsjahrgesetz beschäftigt. Und dass Sie Kürzungen der Mindestsicherung für Migranten und Migrantinnen in den Raum stellen, ist eigentlich ein Tiefpunkt der politischen Amtszeit hier. (Abgeordnete der FPÖ - erheitert, in Richtung NEOS -: Den habt ihr schnell erreicht!)
Statt Identität, Loyalität und Integration absichtlich falsch zu verstehen, appelliere ich an Sie: Seien Sie keine Realitätsverweigerer! Seien Sie keine Integrationsblockierer! Unterstützen Sie unsere langjährige Forderung: Zulassung von Doppelstaatsbürgerschaft - mit einer transparenten und mit einer nachvollziehbaren und einheitlichen Regelung! (Abg. Mag. Manfred Juraczka - in Richtung ÖVP-Abgeordnete: Wir halten es da mit dem Peter Pilz, oder?) Beschäftigen wir uns nicht länger mit diesen Scheindebatten, und machen Sie endlich mit uns Politik für die Menschen in dieser Stadt! (Beifall bei den GRÜNEN.)
Präsident Prof. Harry Kopietz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abg. Dr. Stürzenbecher. - Bitte, Herr Abgeordneter.
Abg. Dr. Kurt Stürzenbecher (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen!
Meine Vorrednerin hat richtig gesagt, dass wir in Österreich ein sehr strenges Staatsbürgerschaftsgesetz haben. Das ist ein Bundesgesetz, das das Land vollzieht - und das Land Wien vollzieht dieses Bundesgesetz korrekt und konsequent, und ich weise alle Vorwürfe zurück, dass hier Rechtsbruch begangen würde. Das ist einfach falsch und zurückzuweisen. (Beifall bei der SPÖ und von Abg. Birgit Hebein.)
Überhaupt vermittelt die heutige Debatte ja gewissermaßen den Eindruck - und von der FPÖ wird sie so geführt -, als wäre Doppelstaatsbürgerschaft an sich etwas extrem Anrüchiges und in jedem Fall zu Bekämpfendes. Wir in Österreich haben grundsätzlich eine Gesetzgebung, die die einfache Staatsbürgerschaft als Normalfall ansieht und die Doppelstaatsbürgerschaft für gewisse Ausnahmen vorsieht. Aber es gibt sie natürlich, das muss man wissen. Es gibt Doppelstaatsangehörigkeiten auf Grund der Abstammung - ius sanguinis - in gar nicht so seltenen Fällen. Es gibt Doppelstaatsbürgerschaften auf Grund der Legitimation. Es gibt Doppelstaatsbürgerschaften auf Grund des Erwerbs durch Geburt im Land - also das ius soli -: Wenn jemand zum Beispiel in den USA geboren ist, und sei es, weil die Mutter gerade für zwei Wochen auf Urlaub dort war (Abg. Dominik Nepp: Dann lassen sie ja gar niemanden einreisen!), dann ist diese Person für ihr Leben lang auch amerikanischer Staatsbürger, auch wenn man dort vielleicht nur ein, zwei Wochen verbracht hat. Umgekehrt ist es in Amerika so, dass, wenn jemand nicht in Amerika geboren ist, er auf keinen Fall Präsident werden kann - was Trump seinerzeit auch Obama umzuhängen versucht hat, indem er fälschlich behauptet hat, er sei nicht dort geboren. Aber man sieht daran, Demagogie im Zusammenhang mit diesen Themen gibt es nicht nur von Seiten der FPÖ, das hat es auch schon in Amerika gegeben. Und diese Demagogie weisen wir immer zurück, das wollen wir nicht. (Beifall bei der SPÖ.)
Weiters gibt es den Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit - das wissen Sie auch, vor allem die Juristen unter den freiheitlichen Abgeordneten - durch Adoption. Es gibt die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft … - ich will jetzt nicht alle Paragraphen aufzählen, denn sonst wird es zu lang und ich komme mit meinen 20 Minuten nicht aus. Aber worauf ich schon noch hinweisen will, ist, dass es den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft nach den §§ 57, 58c, 59 und 64a Abs. 18 gibt. Wenn ich nur kurz darlegen darf, was das jeweils ist:
Bei einem Staatsbürger auf Grund des § 57 handelt es sich um einen sogenannten Putativ-Österreicher. Das heißt, wenn jemand fälschlich schon einen Pass ausgestellt bekommen hat und dann auch glaubt, er sei Staatsbürger, dann hat er irgendwann das Recht, wenn das 15 Jahre zuvor war, dass er wirklich Staatsbürger wird.
§ 58c sieht vor, dass Personen Staatsbürger werden, wenn sie der Behörde schriftlich angezeigt haben, dass sie als österreichische Staatsbürger vor dem 9. Mai 1945 ins Ausland geflüchtet sind, also vor Verfolgung durch die NSDAP oder Behörden des Dritten Reiches. Selbstverständlich sind diese Doppelstaatsbürger erlaubt - und bei uns auch erwünscht, würde ich einmal sagen.
Gemäß § 59 erwirbt eine Person die österreichische Staatsbürgerschaft, wenn sie der Behörde anzeigt, auf Grund einer vermeintlichen Vaterschaft kraft Abstammung österreichischer Staatsbürger zu sein.
Und dann gibt es noch weitere Fälle. Also so etwas absolut Seltenes ist die Doppelstaatsbürgerschaft nicht. Wir haben diesbezüglich viele Möglichkeiten und Tatbestände; aber die Gesetzgebung, das sage ich schon,
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