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Landtag, 15. Sitzung vom 06.04.2017, Wörtliches Protokoll  -  Seite 8 von 26

 

behalten, mit einer einzigen Ausnahme. Es werden alle Rechte - wie Erbrecht, Aufenthaltsrecht, Arbeitserlaubnis, Grundbesitz - behalten, lediglich das Wahlrecht kann nicht ausgeübt werden. Und damit erkennt man ja, welchen Grund es haben dürfte, die türkische Staatsbürgerschaft zu behalten, nämlich weiterhin wählen zu dürfen. Und das ist etwas, was wir natürlich nicht wollen, weil es sicherlich auf dem Weg zur Integration und auf dem Weg zum Bekenntnis zu diesem Staat hinderlich ist. (Abg. Mag. Dietbert Kowarik: Schlichtweg rechtswidrig ist!) - Schlichtweg rechtswidrig ist, sagt der Herr Kollege, was sicher stimmt, wenn man das Staatsbürgerschaftsgesetz nicht einhält.

 

Das ist eigentlich auch für die GRÜNEN in anderen Bundesländern nachvollziehbar. Das ist zum Beispiel für die GRÜNEN in Tirol nachvollziehbar: Dort gibt es eine ÖVP/GRÜNE-Landesregierung. Dort gibt es eine Lhptm-Stv.in Ingrid Felipe, eine Landesrätin Christine Bauer, und die sagen, ja, bitte, selbstverständlich muss das Staatsbürgerschaftsgesetz vollzogen werden und selbstverständlich nehmen wir das sehr ernst. Dort gibt es eine Taskforce, die sich mit den Staatsbürgerschaften beschäftigt, und in den Jahren 2015 und 2016 wurde bei 24 Tirolern türkischer Abstammung der Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft per Bescheid festgestellt. Zehn weitere Verfahren laufen derzeit.

 

Wie sieht die Situation in Wien aus? - Leider Gottes sind wir in Wien wieder einmal mit einer Laisser-faire-Politik von Rot-Grün konfrontiert. Die ÖVP hat 2016 eine Anfrage an Frauenberger gestellt. Die Antwort war mehr als unbefriedigend. Wir haben lediglich erfahren, dass die MA 35 zu den Feststellungsverfahren eine Statistik führt, aber uns wurde nicht bekannt gegeben, wie diese Statistik aussieht. Czernohorszky hat uns direkt diese Zahlen auch noch nicht genannt, aber gegenüber dem „Kurier“ Zahlen genannt, und dem „Kurier“ vom 27. März kann ich entnehmen, dass diese Feststellungsverfahren 25 Personen betreffen, die türkischstämmig, türkischer Abstammung sind.

 

Jetzt, muss ich sagen, kommt mir das schon sehr wenig vor, denn in Tirol haben wir 24 und 10, also 34 solche Verfahren, in Wien haben wir 25 solche Verfahren. Jetzt gehe ich aber davon aus, dass wir in Wien, im Vergleich zu Tirol, ein Vielfaches an Doppelstaatsbürgerschaften haben und dass hier, so denke ich, die Maßnahmen des Wiener Magistrats völlig unzureichend und unzulänglich sind.

 

Wir beantragen daher die Einsetzung einer Taskforce und haben auch einen Antrag dazu vorbereitet. Ich glaube, dass man sich dieses Problems gezielt annehmen muss, dass man gegen den Missbrauch konsequent vorgehen muss und dass man den Magistrat hier auch entsprechend personell ausstatten muss. Sehr geehrte Damen und Herren, das ist nicht nur ein Gebot der Rechtsstaatlichkeit, das ist auch ein Gebot der Vernunft! (Beifall bei der ÖVP.)

 

Präsident Prof. Harry Kopietz: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Abg. Mag. El-Nagashi. - Bitte schön.

 

9.40.30

Abg. Mag. Faika El-Nagashi (GRÜNE)|: Vielen Dank, Herr Präsident! Guten Morgen, sehr geehrte Damen und Herren und sehr geehrte Zusehende!

 

Wir sprechen hier heute auf Verlangen der FPÖ über etwas, das für sehr viele Menschen Realität ist und bei dem die FPÖ den Skandal sucht, statt Lösungen zu finden. (Abg. Dominik Nepp: … ist ja nur der geltende Rechtsbestand!) Anna Netrebko hat sie, Marcel Hirscher hat sie, bekanntermaßen haben sie auch Arnold Schwarzenegger, Ivica Vastić, Christoph Waltz, Karina Sarkissova. Die Mehrfachstaatsbürgerschaft ist in einer globalen und in einer mobilen Welt eine Realität für viele Menschen und ist auch ganz legal, nämlich dann, wenn die Eltern unterschiedliche Staatsbürgerschaften haben, und dann, wenn jemand etwas besonders gut kann - Sporteln, Forschen, Wissenschaft. (Abg. Armin Blind: Das ist ja was, nicht?) Dann nämlich verzichtet Österreich auf das Ausscheiden aus dem bisherigen Staatsverband. (Abg. Dominik Nepp: Richtig! Beibehaltungsbescheid!) Es ist auch dann so, wenn der Herkunftsstaat keine Ausbürgerung erlaubt, wie im Iran, und es ist auch bei politisch Verfolgten, die diesbezüglich nicht mit ihrem Herkunftsstaat in Kontakt treten können, so.

 

Das heißt also, dass eine Vielzahl von Kindern rechtmäßig mit einer Doppelstaatsbürgerschaft aufwächst. Und es kommen Kinder hier in Österreich zur Welt, die von Anfang an Teil dieser Gesellschaft hier sind und die von Anfang an als Ausländerinnen und als Ausländer ausgegrenzt werden - und dann später sollen sie sich integrieren -, obwohl sie nie eine andere Heimat gekannt haben als Österreich, aber trotzdem auch Wurzeln in einem anderen Land haben.

 

Sie machen das jetzt zu einer Entweder-oder-Geschichte und zu einer Frage von Loyalität und einer Frage von Integration, und wenn ich mir Ihre Anträge so anschaue, dann auch zu einer Frage von Kindergärten, von Frauenrechten und von Populismus. Es gibt keine Entweder-oder-Identität! Es gibt ein Sowohl-als-auch! Es gibt eine mehrfache Verbundenheit. Menschen fühlen sich heute viel eher mit ihrer Stadt verbunden, sie sind von Herzen überzeugte Wienerinnen und Wiener, sie sind Berliner, sie sind EuropäerInnen, sie sind Kosmopoliten. Und wenn jemand in zwei Ländern eine Heimat hat, in zwei Ländern verwurzelt ist, zwei Ländern verbunden ist, dann ist das ein Mehr von etwas - und Sie machen das zu einem Problem. (Abg. Armin Blind: Sie haben staatsrechtlich überhaupt nichts verstanden, gell?)

 

Die Loyalität eines Menschen hängt nicht vom Pass ab, und die Integrität eines Menschen hängt nicht vom Pass ab. Identität wird nicht auf ein Mal vergeben: nur einem Staat, nur einem Land, nur einer Nation. Das ist nicht, wie Menschen funktionieren. (Abg. Armin Blind: Aber wie Loyalität funktioniert!) Nein, die Loyalität ebenfalls nicht. (Abg. Armin Blind: Sind Sie eine Staatsverweigerin, oder was?) Die Loyalität ebenfalls nicht! (Abg. Armin Blind: Staatsverweigerung wird gerade bestraft!) Ein Pass macht noch keinen Landsmann und auch keine Landsfrau. Identität ist ein Gefühl und nicht ein Stück Papier. So beschrieb es letztes Jahr eine Reportage im

 

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