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Landtag, 4. Sitzung vom 18.03.2016, Wörtliches Protokoll  -  Seite 243 von 251

 

freiheitliche Rechtsstaat wichtiger oder ein kommunalwirtschaftliches Ermächtigungsgesetz? Die Gesetzgebung oder die Verwaltung? Das Legalitätsprinzip oder das Machtprinzip? Heute müssen die Abgeordneten ihre Entscheidung dazu treffen und die endgültige dann wohl bei der zweiten Lesung.

 

Ein bisschen muss man sich schon die Genesis ansehen, wie dieser Initiativantrag zustande gekommen ist. Und eine Überlegung darf ich schon dazu anstellen: Von wem denn dieses Gesetz kommt, von wem denn diese Ideen ausgehen. Ich sage es Ihnen ehrlich, ich war eigentlich bis vor Kurzem davon überzeugt, diese Ideen für dieses Gesetz gehen von der Verwaltung aus. Ich war dieser Meinung. Ich habe mir gedacht: Typisch, die Verwaltung wünscht sich alle Macht, alle Möglichkeiten. Sie will es sich aussuchen können. Gehen wir einmal mit der Bauordnung vor, verzichten wir einmal auf die Bauordnung. Wir haben keine Einspruchsmöglichkeiten. Wenn wir es nicht wollen, wir können es so machen, wie wir wollen, schnell, es kann uns niemand kritisieren, wenn wir langsam sind.

 

Mittlerweile glaube ich aber nicht, dass die Ursprungsidee von der Verwaltung ausgegangen ist, die Ausformulierung sehr wohl. So wie das Schriftbild ausschaut, dieser Initiativantrag, die Formulierung, et cetera, das kommt nicht von der Politik. Das kommt natürlich von den Juristen des Hauses und das hat ja dankenswerterweise auch der Kollege Deutsch zugegeben. Es passt halt nur nicht, es passt einfach nicht. Die ersten zwei Seiten stammen schon vom SPÖ-Klub, das erkennt man auch am Schriftbild. Nur die anderen zwei Seiten, das ist schon das Landesgesetzblatt, so wie es fix und fertig ausschaut, das kommt aus keiner Schreibmaschine, das kommt von keinem Laptop aus dem SPÖ-Klub, es sieht zumindest nicht danach aus. Aber mittlerweile habe ich auch eine Unterlage gefunden, die belegt, dass dieses Gesetz tatsächlich von der Politik kommt - nicht vom Kollegen Stürzenbecher, nicht vom Kollegen Deutsch, nicht von der SPÖ, sondern vom Kollegen Chorherr von den GRÜNEN! (Lhptm-Stv. Mag. Johann Gudenus, M.A.I.S.: Die Baulobby! Bau ma wos G‘scheits!) Und zwar bin ich mittlerweile auf einen „Falter“-Artikel aus dem Jahr 2013 gestoßen, wo der Kollege Chorherr darauf hinweist, dass man bei Bauprojekten immer das Problem hat, dass es welche gibt, die gerne eine Wohnung hätten, und dass es andere gibt, die etwas dagegen haben, wenn dort bei ihnen in der Gegend etwas gebaut wird. Da zitiere ich jetzt nur zwei oder drei Sätze des Kollegen Chorherr, der zu den Hemmnissen, die die Bauordnung und die Nachbarn darstellen, Folgendes sagt: „Verständlicherweise gibt es ganz wenige Menschen, die es bejubeln, dass vor ihrer Haustür, vor ihrem Fenster diese dichte neue Stadt gebaut wird. Wieso hier? Warum so dicht? Oft ist auch grundsätzliche Ablehnung der Tenor vieler Anrainer. Aufgabe der Politik ist es trotzdem und auch zweierlei: Eine klare Vision und eine phantasievolle und manchmal auch listige Taktik, um all diese Hemmnisse zu überwinden.“ („Pfui“-Rufe bei ÖVP und FPÖ. - Beifall bei der ÖVP.)

 

Herr Kollege Chorherr! Zu Ihrer Ehre gereicht es, Sie sind listig. Weniger zur Ehre gereicht es dem roten Koalitionspartner. Der ist weniger listig, der lässt sich überrumpeln und stimmt mit mehr oder weniger Begeisterung Ihren Ideen zu. Das wäre nicht weiter schlimm, wenn es um keine grundlegenden Angelegenheiten dieses Staates ginge. Aber es geht um elementare Dinge, die Sie hier opfern! Es geht um das Recht auf ein faires Verfahren. Es geht um das Eigentumsrecht. Es geht darum, in welchem Verhältnis Verwaltung und Gesetzgebung zueinander stehen. Es geht um das Legalitätsprinzip.

 

Sehr geehrte Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ! Ja sagen Sie, spielt das für Sie als Abgeordnete überhaupt keine Rolle, dass Sie diese Generalvollmacht der Verwaltung geben? Dass die Verwaltung hier die Idee des Herrn Kollegen Chorherr wunderbar ausformulieren kann und jetzt tun und lassen kann, was sie möchte? Wollen Sie als Gesetzgeber nicht determinieren, wie die Verwaltung zu agieren hat? Ist Ihnen das nicht ein Anliegen? Das ist doch eine Frage des Selbstverständnisses von uns Landtagsabgeordneten! Und selbst wenn Ihnen das nicht besonders wichtig ist und Sie sagen: Nein, nein, wir verlassen uns auf die Behörde. Die Behörde weiß schon, was gut ist. Die Stadt weiß, was gut ist für sie und für den Bürger. Aber dann sollten Sie doch wenigstens die Grundrechte achten! Das Eigentumsrecht, das Recht auf ein faires Verfahren. Sie wissen, wenn die Bauordnung ausgeschaltet wird, und diese Möglichkeit besteht, dann gibt es keine Parteistellung, dann gibt es keine Bauverhandlung, dann gibt es keine Rechtsmittel, dann gibt es kein Landesverwaltungsgericht, dann ist man davon abhängig, dass die eigenen Rechte hoffentlich schon richtig von der Behörde wahrgenommen werden. Die größte Chuzpe, das ist die, dass man sich das sogar noch zu sagen getraut. Der Kollege Chorherr traut es sich auch zu sagen. Aber es sagen auch Vertreter der SPÖ: Ja, ja, selbstverständlich, es geht um die erleichterte Schaffung von Wohnraum. Es geht gar nicht in erster Linie um Flüchtlingsunterkünfte. Wir hätten auch überhaupt kein Problem damit, dass man die Voraussetzungen für eine erleichterte Genehmigung für Flüchtlingsunterkünfte in einer Notsituation schafft. Selbstverständlich soll es möglich sein, ist es jetzt schon möglich.

 

Aber worum es hier wirklich geht, das sagt der Herr Landesparteisekretär Niedermühlbichler, das sagt auch der StR Ludwig: Es geht nicht primär um Flüchtlinge, sondern um temporäres Wohnen. Und dann ist es überhaupt nicht mehr einzusehen, warum derartig in die elementaren Rechte der Bürger eingegriffen werden soll!

 

Was wir jetzt noch offen haben, das ist, dass wir nicht wissen, wo diese Wohnbauten für ganz normale Menschen, sage ich jetzt einmal, hinkommen sollen. Es gibt schon ganz konkrete Projekte. Der Kollege Deutsch sagt uns das, der Kollege Chorherr sagt es auch. Er sagt wortwörtlich: „Wo diese Projekte entstehen werden, möchte ich aber vor dem Beschluss nicht sagen.“ (Ah-Rufe bei der ÖVP und FPÖ.) Ja wunderbar! Wir Abgeordnete sollen jetzt die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Sie uns dann unmittelbar nach der Beschlussfas

 

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