Landtag, 36. Sitzung vom 15.01.2015, Wörtliches Protokoll - Seite 18 von 26
Verpflichtungserklärung zu tun gedenkt.
Es gibt ja nur zwei Möglichkeiten: Ja, ich stehe dazu, so ist es. Oder ich finde irgendeine Erklärung, warum das nicht mehr gelten soll. Also ich meine, es wäre ja sowohl politisch als auch juristisch zumindest denkbar, dass man sich irgendeine Erklärung überlegt. Man könnte sagen, die ist nichtig, denn ich hatte eine Mentalreservation. Oder: Es war eine Scherzerklärung. Oder: Ich war nicht geschäftsfähig, denn ich habe die Nacht zuvor durchgefeiert. Oder: Ich fechte diesen Vertrag an, denn ich habe mich geirrt, ich habe nicht gewusst, dass das zu so einer Veränderung in der Mandatsverschiebung führt. (Zwischenruf bei den GRÜNEN.) Ja, Herr Kollege, das wäre eine Möglichkeit. Oder: Ich wurde von den Vertragspartnern listig in die Irre geführt. Ich wurde getäuscht über dieses Wahlrecht, das da drinnensteht. Ich habe das nicht gewusst, wie das ist, dass man die Gesamtmandatszahl nach d‘Hondt berechnet und dass dann die Grundmandate abgezogen werden und dass da die SPÖ drei Mandate verlieren könnte und dass die mir das nicht erlauben. – Das habe ich nicht gehört. Eine Möglichkeit der Anfechtung wäre auch zu sagen: Geradezu Unmögliches wurde vereinbart. (Anhaltende Zwischenrufe bei GRÜNEN und FPÖ.) In der Juristerei werden dann immer so Beispiele herangezogen, wie der Mond wird verkauft oder der Hippocentaurus wird geliefert. Das ist gänzlich unmöglich, es geht geradezu nicht. Auch das ist ganz offenbar bei diesem Vertrag nicht der Fall. Es steht ja drinnen, wie es geht. Punkt 1, 2 und 3. Wir haben ja da die Handlungsanleitung für die, die sich schwer tun könnten. Es ist überhaupt nicht unmöglich.
Ich habe schon gehört aus dem freiheitlichen Sektor, § 879 ABGB, einer der bekanntesten Paragraphen, Verstoß gegen die guten Sitten. So könnten Sie auch argumentieren: Sittenwidrige Vereinbarung, wir müssen uns nicht daran halten. Wir fechten diese Vereinbarung an. Oder Sie sagen: Alles ist anders, Wegfall der Geschäftsgrundlage, gilt alles nicht mehr, denn wir sind jetzt in der Stadtregierung drinnen. Da muss ich Ihnen aber sagen: Bitte, lesen Sie die Ziffer 3! Da steht drinnen: Nach der Wahl zum Wiener Gemeinderat 2010 soll unabhängig von einer etwaigen Stadtregierungsbeteiligung durch Einbringung und Beschluss eines entsprechenden Initiativantrages die gegenständliche Wahlrechtsreform beschlossen werden. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
Sehr geehrte Damen und Herren! Eindeutiger geht es nicht mehr. Und Sie müssen sich halt entscheiden. Gilt für Sie als Grüne der elementare Rechtssatz, der ganz elementare Rechtssatz, „Pacta sunt servanda“? Pacta sunt servanda! Verträge sind einzuhalten. (Beifall bei der ÖVP und von Abg Mag Wolfgang Jung.)
Mir als Juristen brauchen Sie es nicht zu sagen, es werden nicht alle Verträge eingehalten, keine Frage, es werden immer wieder Verträge gebrochen, man versucht herauszukommen, man versucht zu einer Novation, zu einer Veränderung zu kommen. Ich möchte es nur hören. Ich habe einen Anspruch darauf, denn ich bin Ihr Vertragspartner. Der Bürger hat einen Anspruch darauf, denn der hat ein politisches Interesse. Sagen Sie uns, warum Sie nicht mehr an den Vertrag gebunden sein wollen. Sagen Sie uns, warum er unwirksam sein soll. Sagen Sie uns, dass Sie ihn anfechten wollen. Geben Sie uns irgendein Argument.
Wir bleiben ratlos zurück. Nicht wirklich, denn wir sehen, dass der Rechtssatz „Pacta sunt servanda.“ für Sie nicht gilt, und das ist eigentlich sehr traurig. (Beifall bei der ÖVP.)
Präsident Johann Herzog: Zu Wort gemeldet ist Herr Abg Mag Chorherr. Bitte sehr.
Abg Mag Christoph Chorherr (Grüner Klub im Rathaus): Meine Damen und Herren!
Wir können das jetzt sozusagen auf der Kabarettebene, wie der Kollege Ulm, weiter handhaben, oder wir können versuchen … (Lebhafte Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ. – Abg Mag Wolfgang Jung: Ein Kabarett, sagen Sie? Ein Trauerspiel ist das!) Bevor Sie hier aufgeregt ein Trauerspiel konzedieren, probieren Sie einmal zuzuhören. Ich versuche ja, auf ein paar Dinge sehr genau einzugehen. (Abg Mag Wolfgang Jung: Haben Sie Ihre Stadträtin zu vertreten? – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ich rede gerade nicht. (Abg Mag Wolfgang Jung: Aber vorher!) Da redet der Richtige. (Anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ich würde gerne mit meiner Rede beginnen, wenn es genehm ist.
Bevor wir hier auf der Kabarettebene diskutieren, lassen Sie mich zu diesem in der Tat nicht einfachen Thema etwas sagen. Ja, wir Grüne stehen nach wie vor dazu – und da unterscheiden wir uns, und das ist ja kein rasendes Geheimnis, zum momentanen Zeitpunkt noch immer von der Sozialdemokratie –, dass wir meinen, dass ich meine und dass sehr viele bei den Grünen meinen, dass Folgendes schwer erklärbar ist: Ein Mandat, mit dem wir hier herinnen sitzen, kostet im Durchschnitt 8 677 Stimmen, für ein freiheitliches Mandat sind es durchschnittlich 7 200 Stimmen. Es ist Grün-Wählern schwer zu erklären, wieso pro Mandat 1 500 Stimmen von den Grünen einmal erreicht werden müssen, die nichts gelten, bevor wie bei den Freiheitlichen ein Mandat gegeben ist. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Deswegen verhandeln wir sehr intensiv mit der Sozialdemokratie (Abg Mag Wolfgang Jung: Vier Jahre lang!) und fühlen uns in der Tat diesem Ziel nach wie vor voll verbunden, wie wir auch dem Koalitionspakt – der übrigens auch ein Pakt ist, der unterschrieben worden ist – verbunden sind.
Gehen wir jetzt einmal nur zur Technik. Der Kollege Ulm sagt, das alles ist ja ganz einfach. Vor einigen Tagen ist das in der „Presse“ relativ gut beschrieben worden, und technisch ganz so einfach ist es ja nicht, wie Sie wissen. (Abg Dr Wolfgang Ulm: Das habe ich ja gesagt!) Technisch ganz so einfach ist es nicht. (Abg Mag Johann Gudenus, MAIS: Das wissen wir eh!) Selbst, würden wir jetzt sagen, hollodri, uns ist alles wurscht, patsch, wir stimmen dem zu, gibt es dann eine formale Garantie, dass hier ein neues Wahlrecht mit den von Ihnen vorgeschlagenen Dingen beschlossen wird? (Abg Mag Wolfgang Jung: Aber Sie haben das unterschrieben!) Die Antwort ist … (Lebhafte Zwischenrufe bei FPÖ und ÖVP.) Da nutzt auch das Geschrei nichts. Die Antwort ist: Nein, es gibt keine Garantie.
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