Landtag, 2. Sitzung vom 17.12.2015, Wörtliches Protokoll - Seite 48 von 85
beschließen das heute und haben damit eine gute Grundlage für ein gutes Wahlrecht. Wobei ich durchaus zur seriösen Meldung vom Kollegen Kowarik sagen möchte, dass diese Details, die Sie da angesprochen haben, durchaus etwas sind, das wir weiterverfolgen sollten. Ich meine das mit der Briefwahl und dem Ganzen, dass es nicht so viele ungültige Stimmen gibt und das Nichtige. Also das ist etwas, das man wirklich verfolgen sollte.
Ich möchte jetzt trotzdem noch, vermutlich zum letzten Mal, weil wir das Thema ja hoffentlich nicht mehr oft in dieser Form haben werden, anführen, warum wir als Sozialdemokraten durchaus der Meinung sind, dass dieses mehrheitsfördernde Element etwas Gutes ist. Da sind wir nach wie vor dieser Meinung und die GRÜNEN gegenteiliger Meinung und andere auch.
Es ist einfach so – es sind auch viele Neue, deshalb haben es nicht alle schon einmal gehört –, dass wir in der demokratischen Welt, in der Welt, in der wirklich die Bürgerinnen und Bürger herrschen und ihre Wahl zum Ausdruck bringen können, im Wesentlichen vier verschiedene Systeme haben.
Wir haben das System, in dem es ein eindeutiges Mehrheitswahlrecht gibt, wie in Großbritannien, wo es 650 Einer-Wahlkreise gibt. Da wird in jedem extra gewählt, und wer in dem Einer-Wahlkreis die meisten Stimmen hat, der fährt nach Westminster, und alle anderen Stimmen sind sozusagen verloren. Großbritannien ist immerhin die älteste Demokratie und hat sicher ein sehr hohes demokratisches Niveau und gilt sogar als Mutter der modernen Demokratie. Also ist das sicher nichts Schlechtes.
Dann haben wir Frankreich, wo es etwas anders ist. Dort sind auch Einer-Wahlkreise, aber mit zwei Wahlgängen. Im ersten Wahlgang ist nur gewählt, wer mehr als 50 Prozent der Stimmen hat, und in den zweiten kommt man, wenn man eine gewisse Mindestzahl, 10, 12,5 Prozent hat. Dann kann man durch Zurückziehen und durch Bündnisseschließen etwas mehr Spielraum finden, als es in England der Fall ist. Und dann kommen auch kleinere Parteien zum Zug, indem sie sich eben mit einer großen verbünden und zum Beispiel sagen, wir ziehen uns dort und dort zurück und überall sonst nicht, und ihr und ihr dort. – Und gemeinsam haben sie dann einen Wahlkreis. Aber es ist auch ein eindeutiges Mehrheitswahlrecht, und Frankreich ist immerhin als Land der Französischen Revolution, die ja der Ursprung für unsere heutige Demokratie war, auch ein Land, das mit großer demokratischer Tradition ausgestattet ist.
In den Vereinigten Staaten haben wir auch ein Mehrheitswahlrecht. Dort ist die Schwäche nicht das Wahlrecht, sondern dass, jetzt auch durch den Verfassungsgerichtshof, die Obergrenzen für Wahlspenden komplett aufgehoben worden sind und wir künftig vielleicht, wie gestern auch Kollege Aigner ausgeführt hat, doch ein sehr oligarchisches System haben werden, weil es eben keine Obergrenzen mehr gibt. Aber das wird man sich anschauen, vielleicht täuschen wir uns auch.
Das sind die Mehrheitswahlrechtssysteme, die eindeutig – nicht das, was der Kollege Ellensohn immer will, nämlich jede Stimme zählt vollkommen gleich – jede Stimme in eine andere Richtung bringen. Trotzdem sind es gute demokratische Staaten, gute demokratische Systeme.
Dann haben wir Länder mit Proportionalsystem, aber deutlich mehrheitsförderndem Charakter, zum Beispiel Italien. In Italien ist es so, die stärkste Partei oder stärkste Parteienkonstellation – wir können uns mit mehreren zusammenschließen – bekommt automatisch, wenn sie ein gewisses Minimum hat, 55 Prozent der Mandate. Das ist nicht sehr elegant, aber sehr wirksam.
In Spanien ist es so, dass die großen politischen Parteien mit etwa 40, 42 Prozent die absolute Mehrheit haben können.
In Griechenland haben wir es so – und das haben sehr viele, gerade von den GRÜNEN, bei der Syriza sehr bewundert –, dass die stärkste Partei ganz einfach 50 Mandate dazubekommt. Niemand hat gesagt, das ist ein schlechtes System. Ist es auch wirklich nicht, denn so hat man es in Griechenland wenigstens so, dass zwei Parteien die absolute Mehrheit haben. Hätte man das nicht, hätte man vier, fünf Parteien gebraucht. Und ich glaube nicht, dass die Fortschritte, die in Griechenland dann doch erzielt worden sind, möglich gewesen wären, wenn man hier ein streng proportionales Wahlrecht gehabt hätte.
In Ungarn, das ist jetzt einmal für mich kein so vorbildliches Land, hat man auch ein schwer mehrheitsförderndes Wahlrecht bei grundsätzlichem Proportionalwahlrecht.
Dann gibt es sehr viele Länder, so wie Österreich, wo man geringe mehrheitsfördernde Elemente hat. Die hat man schon dadurch, dass es 4-Prozent- oder 5-Prozent-Klauseln gibt. Da gibt es ein Land, nämlich die Niederlande, wo es absolut proportional ist. Dass jetzt sozusagen nur die Niederlande demokratisch sind, und alle anderen Demokratien nicht demokratisch, kann man nicht sagen.
Deshalb, glaube ich, haben wir auch das bisherige Wiener Wahlrecht zu Recht für sehr demokratisch gehalten, und dieser Meinung sind wir noch immer. (Beifall bei der SPÖ.)
Aber wie gesagt, ein guter Kompromiss ist ein guter Kompromiss, und er wird uns jetzt doch dazu bringen, dass wir uns mit noch wichtigeren Themen beschäftigen.
Jetzt zu einigen Punkten, die noch aufgeworfen worden sind. – Vielleicht bringe ich aber vorher, damit ich es nicht vergesse, einen Beschluss- und Resolutionsantrag ein. Und zwar geht es darum, wie auch schon von unserem Bündnispartner, von den GRÜNEN gesagt worden ist, dass es wirklich schade ist, dass die EU-Bürger nur auf Bezirksvertretungsebene wählen dürfen. Ich habe jetzt auch in diesem Wahlkampf bei vielen Hausbesuchen bemerkt, wenn es EU-Bürger waren, hat man ihnen gesagt, ja, ja, ihr könnt die Bezirksvertretung wählen, aber den Bürgermeister, also sozusagen das Rathaus, leider nicht. Und das sind durchaus Leute, die an unserem politischen System so interessiert sind, dass es gerechtfertigt wäre, wenn sie auch auf Gemeinderats- und Landtagsebene mitbestimmen könnten. Deshalb
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