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Landtag, 28. Sitzung vom 21.11.2013, Wörtliches Protokoll  -  Seite 17 von 42

 

der Welt, als armutsgefährdet.

 

Das ist eine Zahl, wo wir als rot-grünes Wien nicht wegschauen, wo wir aktiv gegensteuern – es ist schon viel darüber auch in der Budgetdebatte gesprochen worden –, aber wer glaubt, dass Wien diese strukturellen Probleme alleine bewältigen kann, wie die Opposition uns oft suggeriert, der irrt gewaltig, das ist fern von der Realität. Keine europäische Kommune schafft es, diesen Druck alleine zu bewältigen.

 

Es liegt deshalb in unserer gemeinsamen Verantwortung, auch als Landtagsabgeordnete heute für das soziale Europa zu kämpfen, und deshalb ist uns Grünen diese Aktuelle Stunde so wichtig. Die Zeit drängt, darum haben wir den Zeitpunkt auch jetzt gewählt. Ein neuerlicher Angriff auf ArbeitnehmerInnenschutzrechte, Löhne, Pensionen und auch Gewerkschaftsrechte steht beim EU-Gipfel Mitte Dezember unmittelbar bevor. Das ist der Europäische Wettbewerbspakt, so schön euphemistisch auch „Pakt für Konvergenz und Wettbewerbsfähigkeit“ genannt. Unter dem Motto „Troika für alle.“ sollen sich künftig alle Länder der Eurozone, also auch Österreich, auch ohne Defizite Strukturreformen unterwerfen, bei deren Nichteinhaltung Sanktionen drohen. Was unter Strukturreformen zu verstehen ist, hat uns das Wüten der EU-Troika vor allem in Südeuropa drastisch vor Augen geführt: Druck auf Löhne, Pensionssysteme, Arbeitsmärkte, Zerschlagung des öffentlichen Sektors, Privatisierungen in Form von Verschleuderung auch des Staatsvermögens. Die Folgen: Massenarbeitslosigkeit und steigende Armut, 10 Prozent Working Poor in Europa.

 

Wir Grüne sagen klar: Stopp diesem Wettbewerbspakt und Stopp auch dieser – ich nenne es so – neoliberal, autoritär geprägten Wirtschaftspolitik der Europäischen Union. Ich denke, das Ja zu Europa braucht mittlerweile ein Nein, ein Nein zum Wettbewerbspakt. Wir haben gemeinsam mit SozialdemokratInnen und Akteuren und Akteurinnen der Zivilgesellschaft – Attac und Umwelt-NGOs – eine gemeinsame Plattform gegründet gegen diesen EU-Wettbewerbspakt. Sie nennt sich „Europa geht anders.“, und davon sind wir überzeugt. Sie können sie unterstützen, wir sind in 5 Ländern aktiv und haben inzwischen 9 500 Unterschriften. Ich habe an dieser Stelle schon einige Male davon gesprochen.

 

Ich denke, es geht jetzt auch darum, dass wir als Landtagsabgeordnete hier gemeinsam aktiv werden, denn dieser EU-Wettbewerbspakt hat soziale Sprengkraft und hat gefährliche Folgen oder könnte gefährliche Folgen haben – nicht nur für Europa, nicht nur für Österreich, sondern insbesondere auch für Wien. Ich denke, wir könnten zum Beispiel das Rederecht, das wir für die EuropaparlamentarierInnen im Gemeinderat und auch hier im Landtag eingeführt haben, das nächste Mal für dieses Thema nützen, denn auch unsere Europa-Abgeordneten Evelyn Regner und Ulrike Lunacek haben diese Initiative „Europa geht anders – Stopp dem Wettbewerbspakt“ unterzeichnet. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)

 

Ich denke, Wien ist dank einer offensiven und aktiven rot-grünen Sozial- und Arbeitsmarktpolitik gut gerüstet für die Herausforderungen der Krise wie auch für die Angriffe seitens der Europäischen Union. Wir haben den Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds, der wirklich ein europaweit einzigartiges Instrument kommunaler Arbeitsmarktpolitik ist. Europapolitik ist nicht nur Kommunalpolitik, sondern Europapolitik ist auch und insbesondere Arbeitsmarktpolitik, und der WAFF trägt dem auch mit grenzüberschreitenden Programmen Rechnung. Wir haben den Territorialen Beschäftigungspakt auch hier im Gemeinderat und Landtag einige Male diskutiert. Ich nenne ihn immer das Gegenmodell zu Fiskalpakt und Stabilitätspakt, der eigentlich ein Instabilitätspakt in Europa ist. Wir setzen mit dem Territorialen Beschäftigungspakt dagegen. Wiener Ausbildungsgarantie, Qualifikationsplan, Green-Jobs-Strategie, Fokusgruppen mit Arbeitsloseninitiativen zum Lückenschluss in der Vertretung Arbeitssuchender, starke kommunale Dienstleistungen – das ist das Ziel der rot-grünen Stadtregierung, auf das wir auch stolz sein können. Europaweit sehen wir jetzt den Trend zur Rekommunalisierung. Nachdem viele kommunale Dienstleistungen schon privatisiert, liberalisiert wurden, sieht man jetzt, welche fatalen auch sozial-, beschäftigungs- und zum Teil umweltpolitischen Folgewirkungen das hat. Und nicht zuletzt ist unsere Koppelung der Auftragsvergabe an Frauenförderung und an Lehrlingsausbildung so ein Schritt in eine wirklich innovative, experimentelle Politik, die auch europaweit Vorbildwirkung hat. Es war nämlich gar nicht so leicht, diese Koppelung der Auftragsvergabe an ökologische, soziale, beschäftigungspolitische Standards europarechtlich durchzusetzen. Es zeigt aber, dass mit politischem Handlungswillen auch trotz Drucks der EU-Kommission einiges möglich ist.

 

Wir sehen aber auch, dass kommunale Politik, auch die beste und die aktivste Kommunalpolitik, an ihre Grenzen stößt, wenn eben die Rahmenbedingungen, vor allem auch die budgetären, nicht passen, und die werden eben auf EU-Ebene maßgeblich und immer stärker gesetzt, und deshalb ist diese europäische Sozialunion so wichtig – auch für Wien. Wien braucht eine ausreichende Mittelausstattung für Investitionen in das Sozialsystem, in Armutsbekämpfung und ausreichend Möglichkeiten, in die kommunalen Dienstleistungen, die ja nicht Selbstzweck sind, sondern im Interesse der BürgerInnen und auch ein Standortvorteil sind, zu investieren.

 

Ich denke, wir ziehen hier alle, alle Parteien, bei diesem Thema, möchte ich als Mitglied des Europaausschusses sagen, eigentlich gut am selben Strang. Wir haben im Europaausschuss schon über die Konzessionen, über das 4. Schienen-Eisenbahn-Paket – alles Liberalisierungen, die die Europäische Kommission gerne durchgesetzt hätte – diskutiert und hier die eine oder andere Subsidiaritätsrüge angestoßen. Jetzt steht eben die Debatte über den sozialen Wohnbau und den sozialen Mix im sozialen Wohnbau bevor, und ich denke, wir müssen hier verstärkt und weiterhin auch das Vergaberecht offensiver nützen, um eben soziale, ökologische und Beschäftigungskriterien weiterhin möglich zu machen – gegen den Druck der EU-Kommission. Das gilt auch für die Subsidiarität. Die Städte sind ja aufgewertet

 

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