Landtag, 27. Sitzung vom 25.09.2013, Wörtliches Protokoll - Seite 46 von 63
wir wirklich gut unterwegs. Da gibt es auch wirklich keinen Widerspruch seitens der Opposition. Die Vorgaben sind auf jeden Fall erfüllt, überschritten, übererfüllt, und die Versorgungsquote liegt bei über 100 Prozent. Wir sind zufrieden, brauchen aber und investieren sehr viel Geld, um das weiterhin so zu halten.
Die zweite 15a-Vereinbarung betrifft den Ausbau der Ganztagsschulen – ein weiterer bildungspolitischer Schwerpunkt dieser Regierung. Im Englischen gibt es überhaupt kein Wort für Ganztagsschule, übrigens auch nicht im Schwedischen, im Französischen und im Japanischen. In den Schulsystemen vieler gewichtiger OECD-Länder – darunter in jenen von Frankreich, Schweden, den USA, Großbritannien, Japan und Australien – ist die Ganztägigkeit seit Jahrzehnten so selbstverständlich, dass Schule automatisch Ganztagsschule bedeutet.
Und ich muss schon sagen: Wenn die ÖVP-Bildungssprecherin auf Bundesebene in den letzten Wochen diese Unternehmungen, nämlich den angestrebten Ausbau echter Ganztagsschulen gerne als „kommunistisch“ bezeichnet, dann müssen wir auch alle zur Kenntnis nehmen, dass wir von ziemlich vielen „kommunistischen“ Ländern umgeben sind in diesem Land. (Heiterkeit der Rednerin sowie bei SPÖ und GRÜNEN.) Ich hoffe, es ist aushaltbar für die ÖVP.
Die ÖVP hat diese Debatte in den letzten Wochen angezogen und bezichtigt sowohl die GRÜNEN als auch die SPÖ, für Zwang einzutreten. Aber das Gegenteil der Fall ist. Die ÖVP steht für Zwang (Abg Mag Ines Anger-Koch: Genau das Gegenteil!), weil die ÖVP-Wahlfreiheit für die Bevölkerung in Wirklichkeit Zwang bedeutet. Das fehlende Angebot an Ganztagsschulen zwingt Familien, die Förderung und Betreuung ihrer Kinder privat zu übernehmen.
Nehmen wir zum Beispiel das Bundesland Niederösterreich, das ja schon immer sozusagen unter ÖVP-Fesselung leidet. In Niederösterreich gibt es nur 10 000 ganztätige Schulplätze, für 50 000 wäre laut einer Erhebung des Unterrichtsministeriums aber der Bedarf da. Das heißt, vier Mal so viele niederösterreichische Schulkinder stehen ohne Betreuung am Nachmittag da und haben keinen Platz. So schaut Zwang aus! Das ist nicht Wahlfreiheit, das ist Zwang! (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ. – Abg Mag Dietbert Kowarik: Sie haben’s nicht kapiert!)
Frauen werden gezwungen, zu Hause zu bleiben oder eben nur sehr wenig zu arbeiten, weil die Kinder zu Mittag nach Hause kommen und Lernbetreuung brauchen. Ein Drittel aller teilzeitbeschäftigten Frauen verzichtet unfreiwillig – unfreiwillig! – auf einen Vollzeitarbeitsplatz, und nimmt damit häufig geringen Stundenlohn in Kauf. Wir kennen das: Da geht es nicht nur um einen geringeren Stundenlohn, sondern das führt am Ende in die Altersarmut. Die ÖVP zwingt Frauen massenhaft mit dieser Politik in die Altersarmut!
Familien – nicht nur Frauen, aber es bleibt häufig an den Müttern hängen, muss man sagen – werden gezwungen, entweder Nachhilfe selbst zu leisten oder diese teuer zu bezahlen, damit ihre Kinder weiterkommen. Pro Kind sind es rund 600 EUR jährlich. Das sind 107 Millionen EUR, die sie von der ÖVP jedes Jahr allen Familien, allen Eltern wegen ihrer Blockadepolitik zurückzahlen müssten!
Da gibt es eine Doppelmoral, die oft wirklich auf die Nerven geht, diese ÖVP-Doppelmoral „at its best“: Die meisten konfessionellen Privatschulen bieten ja entgeltlichen Nachmittagsunterricht, also ganztägigen Unterricht an. Für die Wohlhabenden ist das kein Problem. Die können für ihre Kinder zahlen, die können zusätzliches Schulgeld aufbringen. Kein Problem, Ganztagsschule ist hier Usus, der normale Fall. Nur Kindern aus Familien, deren Eltern sich das nicht leisten können, denen soll das nicht zustehen. Die sollen weiterhin brav klein gehalten werden, wenn es nach der ÖVP geht.
Was kann die Ganztagsschule? Was kann sie wirklich? In einer echten Ganztagsschule, also einer verschränkten Ganztagsschule wechseln Lern- und Ruhephasen beziehungsweise Unterrichts- und Freizeitphasen sinnvoll zwischen 8 und 16 Uhr ab. Die Kinder sind nicht, wie von der ÖVP behauptet, bis abends in der Schule. Der immense Vorteil echter Ganztagsschulen besteht darin, dass die nicht unterrichtsmäßigen Anteile, also erzieherische und soziale Aufgaben, das Erlernen von Umgangsformen, mehr Bewegung, tägliche Turnstunde und musisch-kreative Inhalte ausreichend Zeit und Raum haben.
Neben der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie entlasten Ganztagsschulen Eltern insbesondere bei den Hausaufgaben und bei der Lernbetreuung. Alle Hausübungen und Schularbeitsvorbereitungen werden unter professioneller, pädagogischer Aufsicht erledigt. Die Teilnahme am ganztägigen Angebot trägt zu einem Mehr an Familienzeit bei und wirkt sich unterstützend auf das Familienklima aus.
Die meisten Eltern, aber auch Kinder und Jugendliche berichten nämlich derzeit von großem Erwartungs- und Erfolgsdruck innerhalb der Familien. Das Ganze könnten wir uns sparen, beiseiteschieben, wenn wir tatsächlich Schulformen wählen, in denen die Schultasche sozusagen zu Hause bleiben kann, in denen die Schultasche gar nicht mehr erforderlich ist, weil die Hausübungen an den Schulstandorten erledigt werden, sodass am Abend mehr Qualitätszeit, mehr qualitative Zeit tatsächlich für Kinder und die ganze Familie übrig bleibt. (Abg Henriette Frank: Schule bis sieben!) – Die Modelle gehen bis 16 Uhr. Ich habe es gerade erläutert, aber Sie können weiterhin Realitätsverweigerung betreiben. Wir erläutern und erklären hier, weshalb wir für diese Modelle eintreten; und ich bin mir sicher und bin überzeugt davon, dass wir großartige Argumente dafür haben.
Die Halbtagsschule greift, wie ich gerade beschrieben habe, wesentlich weniger in den Familienalltag ein (Abg Mag Wolfgang Jung: Weniger als was?) und unterstützt eine schöne Familienzeit zu Hause. Gesichert sind positive Effekte. Ich lade Sie, die Herdprämienparteien hier, nämlich die FPÖ und ÖVP, sehr herzlich ein, mit uns einen Schritt in Richtung Gegenwart und Zukunft zu gehen. Stellen wir zur Verfügung, was die Mehrheit tatsächlich braucht; nicht ausschließlich aus pädagogischer
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