Landtag,
33. Sitzung vom 24.06.2010, Wörtliches Protokoll -
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Wir kommen zur Postnummer 7. Sie betrifft die erste Lesung der
Vorlage eines Gesetzes zur Bedarfsorientierten Mindestsicherung in Wien, Wiener
Mindestsicherungsgesetz. Berichterstatterin dazu ist Frau Amtsf StRin
Mag Sonja Wehsely, und ich ersuche sie, die Verhandlungen einzuleiten.
Berichterstatterin Amtsf StRin Mag Sonja Wehsely: Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Präsidentin!
Hohes Haus! Ich ersuche um Zustimmung zu dem Geschäftsstück.
Präsidentin Marianne Klicka:
Gemäß § 30c Abs 10 der Geschäftsordnung schlage ich vor, die General-
und Spezialdebatte zusammenzulegen. Wird gegen diese Zusammenlegung ein Einwand
erhoben? – Das ist nicht der Fall. Ich werde daher so vorgehen. Die Debatte ist
eröffnet. Zu Wort gemeldet ist Herr Abg Mag Ebinger. Ich erteile es ihm.
Abg Mag Gerald Ebinger
(Klub der Wiener Freiheitlichen):
Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Frau Landesrätin! Meine Damen und
Herren!
Bedarfsorientierte Mindestsicherung ist momentan in aller Munde. Ich
möchte hier nur kurz aus zwei Zeitungsartikeln zitieren: „Standard":
„IHS-Studie: Mindestsicherung gut gestaltet, aber bei niedrigem Verdienst wenig
Beschäftigungsanreiz."
Ein Artikel aus der „Presse": „Die Koalition startet mit dem
Sozialgeld in ein Abenteuer." Weiters steht in diesem
„Presse"-Artikel – das möchte ich auch kurz vorlesen: „Aber Menschen die
tatsächlich auf das Geld aus der neuen Sozialhilfe angewiesen sind, werden sich
nach der Umgestaltung wohl noch mehr im Dickicht zwischen Ländern und Bund –
Klammer: Arbeitsmarktservice - verheddern. Statt weniger Bürokratie bleiben
Schikanen und Doppelgleisigkeiten. Dafür dürfen die Steuerzahler dann mehr als
200 Millionen EUR zusätzlich zahlen. Das ist geradezu die Karikatur
einer Verwaltungsreform.
Außerdem verheimlichen die Regierung und der Gute-Laune-Sozialminister,“
– Artikel „Presse" –„ auf welches finanzielle Abenteuer sich Österreich
mit der Mindestsicherung tatsächlich einlässt, denn die Länder und Hundstorfer
verfügen Mitte 2010 nur über gesicherte Daten der Statistik Austria mit dem
Stand 2008.“
Wir werden der heute zu beschließenden Mindestsicherung nicht zustimmen.
Das haben wir im Ausschuss und in der Landesregierung schon klargemacht. Ich
möchte Ihnen einige Argumente geben.
Ich habe hier ein Papier der Gewerkschaft der Privatangestellten. Daraus
geht hervor, dass ursprünglich geplant war, dass die Mindestsicherung dem
Ausgleichszulagenrichtsatz angepasst werden sollte, der ursprünglich der Mindestsicherung
zugrunde liegen sollte. Das Papier ist ein Jahr alt, die Zahlen haben sich ein
bisschen erhöht, aber dieser Ausgleichszulagenrichtsatz 772,40 EUR, jetzt
sind es 784 EUR, 14 Mal pro Jahr abzüglich der Krankenversicherung kommen
die hier auf 733 EUR, es erhöht sich also um ein klein wenig. Auf 12
Monate umgerechnet macht diese vierzehnmalige Auszahlung 867 EUR aus.
Damit liegt die Mindestsicherung in der jetzigen Form um über 130 EUR
darunter. Schon schreibt die Gewerkschaft, mit der ursprünglich geplanten Höhe
wäre die Mindestsicherung unter der Armutsgefährdungsschwelle, 170 EUR.
Sie lobt ausdrücklich, dass SozialhilfebezieherInnen die E-Card ausgestellt
wird und das eine echte Verbesserung ist. Ja, das stimmt. Aber sie sagt auch,
dass durch den deutlich niedrigeren als vorgesehenen Mindeststandard hier die
Zielsetzung, die unterschiedlichen Leistungshöhen zu harmonisieren, verfehlt
wird.
Meine Damen und Herren, ich kann das relativ kurz machen: Es gibt viele
Gründe, warum wir heute dieser Mindestsicherung nicht zustimmen. Es ist ohne
Zweifel das oberste Ziel zu sagen, dass die Bekämpfung der Armut für den
Sozialstaat unabdinglich und notwendig ist. Aber was passiert mit der
Mindestsicherung? Werden dadurch zum Beispiel die McJobs, also diese Arbeit, wo
die Entlohnung vielleicht unter der Mindestsicherung liegt, abgeschafft? Nein!
Es ist geradezu ein Anreiz, weil man ja sagen kann: Du arbeitest für ein paar
hundert Euro und den Rest kriegst du dann aus der Mindestsicherung. Das
hingegen ist auch wieder für die Frauen eine besondere Frauenfeindlichkeit,
weil die wahrscheinlich mit solchen Dingen abgefertigt werden. Und für
AlleinerzieherInnen ist dies alleinerzieherInnenfeindlich, denn sie müssen
einen Job annehmen. Aber das geht natürlich, wenn ich Kinder habe, nur dann,
wenn ich gleichzeitig einen wohn- oder arbeitsplatznahen Kindergartenplatz
habe. Und ich kenne Beispiele, wo das nicht der Fall ist. Die haben zwei
Kinder, das eine Kind ist am einen Ende von Wien, das andere am anderen. Was
soll die Alleinerzieherin dann machen? Auf den Job verzichten? Dann wird ihr
die Mindestsicherung gekürzt.
Dem Antrag der GRÜNEN werden wir uns anschließen, auch ohne dass wir uns
dem Gesetz anschließen. 134 EUR pro Kind, das ist ja eine Zumutung. Wer
soll ein Kind um 134 EUR erhalten, noch dazu, wenn man gerade im
Gesundheitsbereich zu wenig Physiotherapie, Logotherapie, Ergotherapie hat? Man
muss für alles zahlen. Müssen diese Kinder dann von vornherein mit der
Mindestsicherung und Armut aufwachsen? Meines Erachtens gibt es ja auch noch
keine Einigung auf Bundesebene. Das heißt, was wir heute machen, ist ein
Vorwegpreschen hier in Wien. Wir sind auch der Meinung, dass eine
Transparenzdatenbank unumdinglich notwendig ist, weil dieser ganze Dschungel
von Transferzahlungen, Förderungen, Beihilfen, Zuschüssen, Beiträgen soll
wirklich einmal offengelegt werden, damit man überhaupt sieht und eine
Kosten-Nutzen-Rechnung gegenüberstellen kann.
Dann finden wir – und das ist eines unserer
wichtigsten Argumente –, es geht in die falsche Richtung. So wie die IHS-Studie
sagt, es muss nach wie vor ein Anreiz zur Arbeit gegeben sein. Das heißt, es
kann nicht so sein, dass man sagt, na gut, ich habe die
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