Landtag,
27. Sitzung vom 23.09.2009, Wörtliches Protokoll - Seite 35 von 78
Anfragen bezüglich der Auslandsadoptionsvermittlung gestellt, die
leider Gottes sehr unbefriedigend von der Stadtregierung beantwortet worden
sind. Wir haben als ÖVP den Verein kritisiert, den auch die Volksanwaltschaft
hier ins Visier genommen hat. Auch hier wird bestätigt, dass die
Adoptionsvermittlung im Fall des Vereins „Family for you" nicht
ordnungsgemäß seitens der Stadt Wien abgewickelt worden ist.
Ich möchte Ihnen den Fall noch einmal kurz in Erinnerung rufen. Ein
Ehepaar adoptierte im Jahr 2004 ein vermeintliches Geschwisterpaar aus
Äthiopien über diesen besagten Verein. Es stellte sich heraus, dass beide
Kinder weder von einem Waisenhaus noch ein echtes Geschwisterpaar waren. Den
Müttern dieses vermeintlichen Geschwisterpaares wurden unter Vorspiegelung
falscher Tatsachen die Kinder entzogen, Personaldokumente wurden gefälscht und
die Kinder nach Österreich gebracht.
Eine Adoption – das wissen wir alle – ist für viele Familien der letzte
Weg, um einem nicht erfüllten Kinderwunsch nachzukommen. Auch können Adoptionen
ein Mittel sein, Kinder aus furchtbaren und tristen familiären und sozialen
Situationen in ein besseres Umfeld zu bringen. Was da aber passiert ist, das
darf eigentlich nicht passieren, denn es wurde das Kindeswohl unterlaufen.
In dem geschilderten Fall hat die Stadt Wien „Family for you" die
Bewilligung zur Vermittlung von minderjährigen Kindern erteilt. Am Anfang war
diese Bewilligung nur auf die Länder bezogen, die dem Haager
Adoptionsübereinkommen nicht angehörten. Erst im Jahr 2002 ist diese
Bewilligung auf die Mitgliedstaaten des Haager Adoptionsabkommens ausgedehnt
worden. Der Verein hat aber genau in jenen Ländern, die dem Haager
Adoptionsübereinkommen nicht angehören, seine Arbeit ausgedehnt und entfaltet.
Die Stadt Wien ist nicht nur für die Erteilung der Bewilligung nach dem
Wiener Jugendwohlfahrtsgesetz, sondern auch nach dem Haager Übereinkommen
zuständig. Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Stadt Wien ist natürlich
auch für die laufende Aufsicht und die Tätigkeiten des Vereins zuständig, und
eigentlich wäre es die Pflicht der Stadt Wien gewesen, über den Expansionskurs
dieses Vereins ihre Bedenken zu äußern. Es wird im Bericht der Volksanwaltschaft
auch festgehalten, dass dieser Verein nicht mit der notwendigen Schärfe und
nicht mit der inhaltlichen Tiefe überprüft worden ist. Dadurch, dass diese
Tätigkeit auf mehrere Länder ausgeweitet worden ist, hätte sie eigentlich auf
Kernbereiche reduziert werden sollen. Es entsteht so der Eindruck, dass die
gesetzliche Aufsichtspflicht nur durch eine einmalige anfängliche
Eingangsfeststellung erfolgte und keine tiefgehenden Nachforschungen angestellt
worden sind, obwohl uns eigentlich die ersten Anzeichen von Missständen schon
im Jahr 2000 bekannt wurden, und zwar damals aus Hanoi, wo dieser Verein auch
tätig war.
Selbst 2006, als dieser Missstand aus Äthiopien brennend wurde, wo das
Mädchen von der Familie in ein Kinderdorf gebracht worden ist, ist die MA 11
nicht eingeschritten. Auch 2007, als dieser Fall dann öffentlich wurde, hat die
MA 11 nichts getan. Erst ein Jahr später, 2008, hat die MA 11 die
Tätigkeit des „Family for you"-Vereins eingestellt.
Meine Damen und Herren! Jeder Gefährdung des Kindeswohls muss
nachgegangen und den Beteiligten Hilfe, Beratung und Unterstützung geboten
werden. Die Stadt Wien hat dafür zu sorgen, dass dies auch erfüllt wird und
Missstände, wie sie hier aufgezeigt worden sind, im Keim erstickt werden.
Nehmen Sie sich bitte den Bericht der Volksanwaltschaft zu Herzen und setzen
Sie deren Forderungen um. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)
Präsident Heinz Hufnagl: Als nächste Rednerin ist Frau Abg Mag Straubinger zu Wort
gemeldet. Ich erteile es ihr.
Abg Mag Sybille Straubinger (Sozialdemokratische
Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates): Sehr geehrter Herr
Präsident! Sehr geehrte VolksanwältInnen!
Wir diskutieren heute den 30. Bericht der Volksanwaltschaft an den
Wiener Landtag. Die Volksanwaltschaft gibt es seit 1977. Seit diesem Zeitpunkt
leistet sie sehr kompetent, sehr schnell und vor allem auch sehr unbürokratisch
Hilfe all jenen BürgerInnen, die sich ungerecht behandelt fühlen
beziehungsweise die ungerecht behandelt worden sind. „Fühlen" sage ich auch
deshalb dazu, weil ja nicht jeder an die Volksanwaltschaft herangetragene Fall
tatsächlich auch einen Missstand darstellt. Wir hatten im Jahr 2008 792 von der
Volksanwaltschaft behandelte Beschwerden, davon wurde bei 87 ein Missstand
festgestellt. Aber auch in den Fällen, wo kein objektiver Missstand
festzustellen war oder ist, hat die Volksanwaltschaft zu helfen versucht, denn
subjektiv stellt das natürlich weiterhin ein Problem für die Betroffenen dar.
Neben dieser persönlichen Hilfestellung ist es aber auch Aufgabe, durch
diesen engen Kontakt und die Berichtslegung die Qualität der Verwaltung zu
verbessern. Ich sehe das auch durchaus strukturell, und es ist natürlich nicht
immer angenehm, jetzt auch für eine Regierungspartei, Kritik in diesem Sinne zu
hören, aber im Sinne einer lernenden Verwaltung und im Sinne einer lernenden
Politik, die wir hoffentlich auch sind und sein wollen, ist das Aufzeigen von
Problemen natürlich ein ganz wesentlicher Punkt, vor allem dann, wenn die
Kritik konstruktiv ist, so wie sie in diesem Bericht auch aufscheint.
In dem Rahmen hier ist es nicht möglich, alles zu
diskutieren. Ich werde versuchen, mich kurz zu fassen und mich deswegen auch
auf einen Schwerpunkt konzentrieren, nämlich auf den Bericht über die
Jugendwohlfahrt. Unter dem Titel „Mehr qualifiziertes Personal für die
Sozialarbeit in der Jugendwohlfahrt" sind jetzt auch schon von meinen
VorrednerInnen wesentliche Punkte angesprochen worden, so etwa die Problematik
der gestiegenen Fallzahlen, die ja eine Österreich-weite ist. In den letzten 15
Jahren ist die Zahl der Gefährdungen,
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