Landtag,
22. Sitzung vom 29.10.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 43 von 59
Abg Heidemarie Cammerlander (Grüner Klub im Rathaus):
Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Frau Berichterstatterin! Herr Dr
Brustbauer!
Ich habe heute zu Beginn dieser Debatte ein ganz
kleines Aha-Erlebnis gehabt und habe mich gefreut, dass die FPÖ nun tatsächlich
einmal das Drogenthema im Gesundheitsbereich ansiedelt, wurde aber dann leider
durch den Nachredner, Herrn Gudenus, eines Besseren belehrt. Die Inhalte haben
sich doch nicht geändert.
Ich möchte heute nicht auf den Karlsplatz eingehen,
ich möchte die Chance nützen, dass Herr Dr Brustbauer als Patientenanwalt hier
ist, und meine Kollegin Sigrid Pilz hat gemeint, Suchtkranke sind kein
Schwerpunkt der Patientenanwaltschaft. Ich habe festgestellt, es ist kein Punkt
der Patientenanwaltschaft und möchte Ihnen den Fall einer suchtkranken Frau
berichten, der leider Gottes kein Einzelfall in Wien ist.
Eine suchtkranke Frau, die bereits auf Substitution
war, also in Substitutionsbehandlung, wurde schwanger. Sie wurde von einem
Jugendamt, von einer Sozialarbeiterin, sehr liebevoll, sehr verständnisvoll
betreut, aber es wurden ihr auch immer ganz klare Auflagen erteilt, die sie
erfüllt hat. Im sechsten Monat bekommt sie eine Gemeindewohnung in einem
anderen Bezirk, und der Akt wandert von diesem Jugendamt in das neue Jugendamt
im neuen Bezirk. Dort trifft sie auf eine junge Sozialarbeiterin, die ihr im
ersten Gespräch sagt: „Sie mit ihrer Vergangenheit brauchen gar nicht damit
rechnen, dass Sie das Kind kriegen.“
Sie wollte nicht daran glauben, hat das Kind zur Welt
gebracht im AKH, das Kind hatte Entzugserscheinungen. Das Jugendamt hat
veranlasst, dass die Mutter mit dem Kind sofort ins Preyer’sche Kinderspital
gekommen ist, man hat ihr das Sorgerecht entzogen, und das Kind wurde zu
Kriseneltern gegeben.
Darauf wendete sich diese Mutter an mich. Ich habe
die Sozialarbeiterin angerufen und gefragt, was man da machen könnte, und sie
hat mir gesagt, fragen Sie sie selber, die weiß das schon. Dann habe ich bei
der Sozialarbeiterin im ersten Jugendamt angerufen, und die hat mir gesagt, es
tut ihr wirklich sehr, sehr leid, denn diese Mutter ist stabil. Natürlich
bräuchte sie noch eine Betreuung oder vielleicht einen Platz im
Mutter-Kind-Heim, aber man hat ihr gesagt, sie solle sich aus diesem Fall
heraushalten.
Ich habe an die Frau StRin Laska einen Brief
geschrieben und ihr diesen Fall geschildert. Ich habe ehrlich gesagt, ich kann
es nicht beurteilen, ob diese Mutter das Kind behalten kann oder nicht, aber
ich bitte sie, diesen Fall wieder zurückzugeben an das erste Jugendamt, denn
ich glaube, einer kranken Mutter steht das Recht zu, dass sie eine gute
Betreuung hat und dass man auch Rücksicht nimmt auf diese suchtkranke Mutter.
Die Antwort war leider, sie sehe keine Veranlassung, es werde alles im Sinne
des Kindeswohles getan.
Meine Damen und Herren! Ich sage Ihnen, ich habe mich
in diesem Fall so oft ohnmächtig gefühlt und der Willkür eines Amtes
ausgesetzt, und ich dachte mir, wie muss es erst dieser Mutter gehen.
Ich habe die Kinder- und Jugendanwaltschaft
eingeschaltet. Ich habe mit der Frau Dr Fischer vom AKH gesprochen, die
mir gesagt hat, leider haben wir viele solche Fälle.
Das Kind hatte Entzugserscheinungen, und zwar allein
von den Medikamenten, die man der Mutter gegeben hat, nicht von den
Substitutionsmitteln. Eine Hilfe war mir Dr David. Er hat mir den Rat
gegeben, diese Mutter in eine Nachbetreuung, in den Dialog 10, zu
schicken. Dort wurde sie aufgenommen. Die Mutter geht regelmäßig alle
14 Tage zu einer Nachbehandlung dorthin.
Der jetzige Stand ist folgender: Die Mutter ist laut
Dialog, laut Ärzten stabil, aber sie hat ein Besuchsrecht für ihr Kind nur alle
sechs Wochen – alle sechs Wochen eine Stunde! –, und für diese Stunde muss sie
nach St Pölten fahren.
Die Gefahr, die viele nun sehen, ist, dass diese
Mutter auf Grund dieser, sage ich einmal, Abhängigkeit, dieser Unterdrückung
wieder rückfällig werden könnte. Und für solche Fälle würde ich mir wünschen,
dass diese Menschen auch zur Patientenanwaltschaft gehen könnten, dass sie dort
Unterstützung und Hilfe bekommen. Denn es kann nicht sein, dass ein Jugendamt
vielleicht tatsächlich – das will ich gar nicht bestreiten – das Wohl des
Kindes im Auge hat, aber es geht doch bitte auch um die Mutter, und vielleicht
ist es doch auch im Sinne des Kindeswohles, dass man alles dazu tut, dass
dieses Kind zur Mutter kommt.
Es ist ein erschütternder Fall für mich, ich werde an
diesem Fall auch noch dranbleiben. Ich wünsche es nach wie vor und hoffe, dass
es gelingt, dass diese Mutter jetzt einen Platz im Mutter-Kind-Heim bekommt,
denn auch da hat sie angesucht, und man hat mir gesagt, es ist vor einem halben
Jahr keine Aussicht auf einen Platz. Das nächste Argument ist dann: Dann hat
sich das Kind wahrscheinlich schon so eingewöhnt bei den Pflegeeltern, dass man
es nicht mehr zurückgeben kann.
Meine Damen und Herren! Das dürfte nicht vorkommen.
So darf man mit kranken Menschen, mit suchtkranken Menschen nicht umgehen.
Ich möchte zu dem Thema Drogen heute nicht mehr
sagen, denn es ist für mich immer wieder traurig, wenn ich von der einen Seite
nur dieses ordnungspolitische Prinzip höre und leider Gottes von der SPÖ dann
immer nur diese Lobeshymnen. Ja, ich würde mir wünschen, dass dieses Thema auch
im Gemeinderat sachlich, ehrlich, und zwar im sozialen und im
Gesundheitsbereich diskutiert wird, dass wir mehr bereit sind, uns für
schadensminimierende Maßnahmen einzusetzen, für Suchtkranke da zu sein,
Prävention weiterhin zu verbessern, um so dieses Problem doch in den Griff
bekommen und endlich aufzuhören, suchtgiftkranke Menschen von einem Ort zum
anderen zu verjagen.
Zum Abschluss noch einen Satz, eine Bitte an den Herrn
Patientenanwalt: Bitte setzen auch Sie sich dafür ein, dass suchtkranke
Menschen in der Patientenanwaltschaft eine Anlaufstelle haben, dort gehört
werden und dort auch betreut werden. – Danke. (Beifall bei den GRÜNEN.)
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