Landtag,
22. Sitzung vom 29.10.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 22 von 59
Wolf. Ich erteile es ihm.
Abg Dr Franz Ferdinand Wolf (ÖVP-Klub
der Bundeshauptstadt Wien): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren!
Vor der Wahl hat der Herr Bürgermeister versprochen,
dass es im heurigen Jahr keine Erhöhung der kommunalen Gebühren, Tarife und
Preise geben würde – es wurde auch das Interview vom 29. Mai zitiert –,
aber jetzt am 15.11. wird Gas um 21 Prozent, Strom um 8 Prozent und
die Fernwärme um 6,9 Prozent erhöht. Man muss also ganz klipp und klar
festhalten: Versprochen und gebrochen! Die Preise werden heuer erhöht.
Nächstes Jahr wird es Gebührenerhöhungen auf Grund
des Valorisierungsgesetzes geben, dessen Abschaffung wir im Sommer sehr
vehement und wiederholt gefordert haben, aber die Mehrheitsfraktion, die SPÖ,
ist nicht bereit, davon Abstand zu nehmen und dieses Valorisierungsgesetz
wenigstens auszusetzen. Weitere 60 EUR werden im kommenden Jahr auf Grund
dieser Gebührenerhöhungen eine Durchschnittsfamilie belasten. Das ist unsozial.
(Beifall bei der ÖVP.)
Interessant ist es, sich einmal die Argumente näher
anzusehen, warum jetzt eine Gaspreiserhöhung notwendig sei. Das Argument
lautet: Der Weltmarkt bestimme die Energieeinstandspreise, daher müsse man
nachziehen. Das sei mit einer Zeitverzögerung von sechs Monaten so üblich. Was
nicht dazugesagt wird, ist, dass wir derzeit die niedrigsten Erdgaspreise seit
2004 haben und dass diese Preise um 60 Prozent niedriger liegen als noch
im Juni dieses Jahres.
Man kann es ganz einfach machen: Reden Sie sich nicht
auf die Einstandspreise aus, sondern senken Sie die Abgabepreise. Das haben Sie
nämlich in der Hand. (Beifall bei der ÖVP.)
Sie können die Abgabepreise bestimmen. Es handelt
sich um ein Unternehmen, das zu 100 Prozent im Eigentum der Kommune steht,
und da könnten Sie doch ganz locker und einfach sagen: Nein, wir erhöhen die
Preise nicht. Wir versuchen nicht, uns ein Körberlgeld zu machen. Sie tun es
nicht. Das enthüllt alles als Heuchelei, was Sie sonst an Argumenten
vorbringen.
Der Chef der E-Control hat es Ihnen ja gesagt –
wörtliches Zitat: „Die von den Ländern kontrollierten Unternehmen sollten nun
ihre soziale Verantwortung wahrnehmen." – Walter Polz.
Ja, genau darum geht es. Nehmen Sie Ihre soziale
Verantwortung wahr, verwenden Sie die Unternehmen im sozialen Sinn! Bekennen
Sie sich nicht nur in Sonntagsreden zur Daseinsvorsorge öffentlicher Betriebe,
sondern machen Sie etwas! Verwenden Sie die öffentlichen Betriebe nicht zur
Profitvorsorge. Um die geht es nämlich. (Beifall bei der ÖVP.)
Es ist unsozial und zynisch,
wenn die Finanzstadträtin ankündigt, dass im Frühjahr die Preise ohnehin wieder
gesenkt würden. Das ist entweder schlicht – um es vorsichtig zu sagen – oder
nur zynisch. Nach der Heizsaison werden die Preise gesenkt, vorher werden sie
um 21 Prozent im Fall der Gaspreise erhöht. Das ist nicht
nachzuvollziehen. Das ist nicht verständlich, und das enthüllt, wie gesagt,
jegliches Statement von Ihnen als pure Heuchelei.
Rohöl hat im Sommer je Barrel 147 Dollar
gekostet, jetzt sind es 70 Dollar pro Barrel. Warum Sie das Modell, die
Preise von vor sechs Monaten nachzuvollziehen, jetzt in Wien verwirklichen
wollen, wird niemand verstehen. Es wird auch niemand nachvollziehen können,
welcher Teufel Sie reitet, zu sagen, jetzt werden die Preise erhöht und im
Frühling dann wieder gesenkt.
Handeln Sie jetzt! Sie haben die Möglichkeit zu
handeln. Sie haben die Möglichkeit, den Kommunalbetrieb für soziale Aufgaben,
wenigstens teilweise, zu verwenden. Sie haben die Möglichkeit. Handeln Sie, tun
Sie es! Reden Sie nicht nur, sondern zeigen Sie endlich Taten. Reden Sie nicht
nur von der Sozialhauptstadt Österreichs, sondern versuchen Sie, einmal etwas
für die Wienerinnen und Wiener auf diesem Gebiet zu tun. – Danke schön. (Beifall
bei der ÖVP.)
Präsidentin Erika Stubenvoll: Als
Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abg Florianschütz. Ich erteile ihm das Wort.
Abg Peter Florianschütz (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener
Landtages und Gemeinderates): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen
und Herren!
Bei dieser Diskussion
verrutscht mir das Weltbild. Ich bin geradezu fassungslos über das, was hier
geboten worden ist, abgesehen davon, dass es sich um eine Themenverfehlung
handelt. Wir reden ja heute über die Frage „Gebührenlawine und soziale Kälte im
roten Wien".
Ich möchte darauf hinweisen, dass zum Thema Gebühren
in dieser Debatte noch kein Wort gefallen ist. Es wurde über Preise geredet.
Preise und Gebühren sind etwas anderes. Ich schließe daraus, dass das damit
zusammenhängen kann, dass der Herr Bürgermeister und die Frau Finanzstadträtin
Wort gehalten haben. Wir haben gesagt, die Gebühren werden nicht erhöht, die
Mieten werden nicht erhöht, und so ist es auch passiert. Der Opposition ist
dazu kein Wort eingefallen. Das muss man auch sagen. (Beifall bei der SPÖ. – StR Johann Herzog: Reden Sie von der
sozialen Kälte!) Zu Frage der sozialen Kälte oder dem, was Sie als
solche bezeichnen, komme ich gleich.
Und das Zweite, was mich verwundert, das möchte ich
schon sagen ...
Präsidentin Erika Stubenvoll (unterbrechend): Meine Damen und Herren!
Ich ersuche um etwas mehr Ruhe im Saal. Man versteht den Redner sonst überhaupt
nicht. (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)
Abg Peter Florianschütz (fortsetzend):
Das möchte ich schon sagen. Ich war bis jetzt immer der Auffassung, dass es so
etwas wie klare Positionen zum Thema Wirtschaft und Markt gibt. In der jetzt
stattgefundenen Debatte habe ich – oder mir ist etwas entgangen – eine neue
Erfahrung gemacht. Die Frage lautet nämlich: Wenn dermaßen massiv in den Markt
eingegriffen werden soll und die Marktmechanismen ausgerechnet von den
Konservativen hinterfragt werden, ist mir da etwas entgangen? Streben Sie
Systemalternativen an? (StR Johann
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