Landtag,
22. Sitzung vom 29.10.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 5 von 59
leisten, dass die Menschen
weit mehr am Entscheidungsprozess mitwirken können, dass auch die Legitimation
verbreitert wird. Das geht von Fragen, wie Verwaltungsverfahren ablaufen, wie
die Möglichkeit der Einbindung gegeben ist, über Volksabstimmungen und
Volksbefragungen bis hin zur Frage, in welcher Form das vor sich geht. Wir
haben etwa das Thema E-Voting hier einmal angeschnitten.
Ich
möchte jetzt bewusst den Bogen zu Helmut Zilk ziehen. Helmut Zilk hat vor rund
20 Jahren, Anfang der 90er Jahre mit dem Forum Stadtverfassung aus der
damaligen Sicht Experten herangezogen und einen Diskussionsprozess ausgelöst,
aus dem auch dann ganz konkrete Veränderungen der Stadtverfassung stattgefunden
haben.
Können Sie, Herr
Landeshauptmann, sich in der jetzigen Situation, wo ganz andere, aber doch auch
Legitimationsfragen immer wieder aufgeworfen werden, was das Handeln der
Verwaltung, was das Handeln der Politik betrifft, vorstellen, eine solche
Veranstaltung durchzuführen?
Präsident Heinz Hufnagl:
Bitte, Herr Landeshauptmann.
Lhptm Dr Michael Häupl: Herr
Abgeordneter!
Selbstverständlich kann
ich das, denn wir stimmen mit Sicherheit überein, dass wir gerade in Zeiten wie
diesen – wir haben das ja bei anderer Gelegenheit und zu einem jetzt von Ihnen
nicht erwähnten Thema auch abgehandelt – zweifelsohne auch durch Volksbefragungen
und Volksabstimmungen durchaus bestimmte sehr grundsätzliche Entscheidungen zu
treffen hatten.
Ob das von Ihnen jetzt
erwähnte Beispiel des E-Votings tatsächlich ein solch geeignetes Thema wäre,
weiß ich nicht. Auch da stimmen wir mit Sicherheit überein, dass wir alles tun
müssen, um den Zugang zu Wahlen entsprechend zu erleichtern und so die
Wahlbeteiligung entsprechend zu erhöhen.
Dass diese
Niedrigschwelligkeit, um einen Begriff aus der Sozialpolitik zu nennen, nicht
das Einzige sein kann und mit Sicherheit nicht das Einzige ist, um zu
verhindern, dass es zu sinkenden Wahlbeteiligungen kommt, zeigt ja wohl auch,
dass etwa bei der niederösterreichischen Landtagswahl die Teilnahme wieder
gestiegen ist, also ein Ansteigen der Wahlbeteiligung zu sehen war.
Offensichtlich hängt es schon ein bisschen davon ab, mit welchen Themen man
welches Interesse hervorrufen kann und wie letztendlich auch die Dramaturgie –
um nicht zu sagen, die Inszenierung – eines Wahlkampfes verläuft, dass diese
Wahlbeteiligungen sich wieder entsprechend erhöhen.
Ich kann mir das
selbstverständlich vorstellen. Es ist durchaus gut, wenn man von Zeit zu Zeit
auch über die grundlegenden Dokumente der Arbeit in einer Gebietskörperschaft
nachdenkt. Ich denke, dass es eine durchaus herzeigbare Unterlage für eine
solche Diskussion geben könnte. Ob dies dann das Schicksal der
Bundesstaatsreform tatsächlich nimmt, ausgehend vom berühmten Perchtoldsdorfer
Abkommen bis zum Konklave – so hätte ich beinahe gesagt –, mit dem man sich mit
der Bundesstaatsreform, sprich, eigentlich Verfassungsreform beschäftigt hat,
das ist eine andere Geschichte.
Ich hoffe, dass man da die Praxisorientierung
berücksichtigt, die offensichtlich bei Landtagen oder infolge dessen bei
Gemeinderäten, obwohl die Gemeinden keine Verfassungsänderungen beschließen
können, doch eine höhere ist, als das auf Bundesebene der Fall ist. Das ist
aber auch eine Frage der Interessenslage, wie wir auch von der Bundesverfassung
wissen.
Präsident Heinz Hufnagl: Die
2. Zusatzfrage kommt von Herrn Abg Dr Günther. – Bitte.
Abg Dr Helmut Günther (Klub der
Wiener Freiheitlichen): Herr Landeshauptmann!
Kollege Tschirf hat darauf hingewiesen, dass es
wichtig ist, die Bürger einzubinden. Wir sind alle auch der Meinung, dass es
auch für Wahlen wichtig ist, hier Interesse zu wecken.
Ich denke jetzt auch an Ihren Vorgänger Zilk: Es gab
zu dieser Zeit so genannte Schüler- oder Jugendgemeinderäte, die sich meiner
Meinung nach durchaus bewährt haben und jetzt vielleicht sogar wichtiger wären,
weil das Wahlalter ja von damals noch 18 auf 16 Jahre heruntergesetzt
wurde. Ich glaube, es wäre eine Einrichtung, die dazu führen würde, der Jugend
die Tätigkeit des Gemeinderates und des Landtages wieder näher zu bringen.
Könnten Sie sich vorstellen, diese Einrichtung wieder
instand zu setzen?
Präsident Heinz Hufnagl: Herr
Landeshauptmann, bitte.
Lhptm Dr Michael Häupl:
In einer veränderten Form, ja. Das kann ich mir durchaus vorstellen, aber es
müsste dann in der Tat ähnlich sein, wie es das ja bis heute gibt. Ich denke an
die Kinderstadt hier im Rathaus mit einem Bürgermeister, restriktive meistens
einer Bürgermeisterin, und mit Stadträten, die dann diese Kinderstadt auch
entsprechend verwalten, wo man Demokratie oder jedenfalls repräsentative Demokratie
durchaus spielerisch erlernen kann.
Übrigens habe ich mir das auch angeschaut, weil ich
meine, man sollte sich als Politiker damit auseinandersetzen, aber nicht
unmittelbar einmischen. Ich kann nur sagen, es war bemerkenswert. Ich glaube
nicht, dass Sie tatsächlich in der Stadt einen so autoritären Bürgermeister
akzeptieren würden, wie das in der Kinderstadt eben der Fall gewesen ist, wo
Laufverbote oder ähnliche Dinge plötzlich erlassen wurden, und dass eigentlich
alles knapp vor einer Rebellion gestanden ist. Es war durchaus interessant,
dieses Demokratie Lernen zu beobachten, ohne sich einzumischen, obwohl ich mir
nicht sicher bin, ob nicht auch da eine Art politische Unschärferelation
eintritt, sodass man schon durch seine Anwesenheit wahrscheinlich diesen
Vorgang ein bisschen beeinflusst.
Grundsätzlich ja, ich bin für alle
vernünftigen Maßnahmen, die dazu angetan sind, das Leben zu politisieren, im
guten Sinne des Wortes, nicht parteipolitisieren, sondern politisieren, dass
man sich auseinandersetzt, gerade mit der Polis, also mit der Stadt im
besonderen Ausmaß, in der man immerhin lebt, und nicht den
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular