Landtag,
2. Sitzung vom 15.12.2005, Wörtliches Protokoll - Seite 16 von 65
dem Prinzip der Freiwilligkeit werden wir bei den Lehrern und natürlich auch darüber hinaus gehend im Kindergartenbereich Mühe walten lassen, dass man die Chancen, die Möglichkeiten, die Angebote, die hier gemacht werden, auch entsprechend nutzt. Für die einzelne Karriere ist das sicherlich von Vorteil.
Präsident Johann Hatzl: Die Fragestunde
ist beendet.
Wir kommen nun zur Aktuellen Stunde.
Die Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtags
und Gemeinderats hat eine Aktuelle Stunde mit dem Thema "Schutz vor Gewalt
darf keine Frage des Geldes sein" verlangt. Das Verlangen wurde gemäß
§ 39 Abs 2 der Geschäftsordnung ordnungsgemäß beantragt.
Die Erstrednerin ist Frau Abg Martina Ludwig, die die
Aktuelle Stunde eröffnet. Ich bemerke dazu, dass ihre Redezeit mit
10 Minuten begrenzt ist, und mache jetzt bereits aufmerksam, dass bei den
weiteren Wortmeldungen, die dann folgen, die Damen und Herren Abgeordneten sich
nur einmal zu Wort melden dürfen und die Redezeit mit 5 Minuten begrenzt
ist.
Nun gelangt Frau Abg Martina Ludwig zu Wort.
Abg Martina LUDWIG
(Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtags und Gemeinderats): Sehr
geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!
"Frei leben ohne Gewalt", so lautete und
lautet ein Slogan im Rahmen einer Aktion, nämlich im Rahmen der Internationalen
Kampagne "16 Tage gegen die Gewalt", die erst vor wenigen Tagen
zu Ende ging. Fahnen, die mit diesem Slogan bedruckt waren, wurden an vielen
Orten auch in Wien gehisst. Auch am Rathaus hat die Frau Stadträtin heuer
wieder diese Fahne gehisst. Und das Motto "Frei leben ohne Gewalt"
ist auch das Ziel unserer Politik, die wir in Wien verfolgen.
Leider ist es aber auch Tatsache – und da gehe ich
davon aus, dass ich Ihnen wahrscheinlich nichts Neues erzählen werde –, dass
der gefährlichste Ort für Frauen vor allem, aber auch für deren Kinder nicht
der öffentliche Raum, nicht die Straße ist, sondern die eigenen vier Wände. Das
ist natürlich nicht nur in Wien so und nicht nur in Österreich so, sondern in
ganz Europa auf jeden Fall so. Tatsache ist, dass eine von vier in Europa
lebenden Frauen Opfer von Gewalt durch ihren jetzigen oder ehemaligen Partner
geworden ist.
Es gab 2004 eine sehr repräsentative Studie, die in
Deutschland durchgeführt wurde. Insgesamt wurden 10 000 Frauen über
ihre Gewalterfahrungen befragt, und hier kamen erschreckende Zahlen zum
Vorschein. 25 Prozent der Frauen haben körperliche oder sexuelle Gewalt in
ihrer aktuellen oder aber auch früheren Partnerschaft erlebt. Diese Zahlen sind
wahrscheinlich auch auf Österreich gut umlegbar.
Diese Studie – ich habe es schon erwähnt – wurde in
Deutschland durchgeführt, ich möchte aber in diesem Zusammenhang anmerken, dass
ich glaube, es wäre gut, wenn wir auch in Österreich einmal eine derart große
und repräsentative Studie durchführen würden und könnten.
Aktuelle Studien aus Frankreich und aus der Schweiz
zeigen uns auch und ergeben leider die furchtbare Tatsache, dass die Gewalt im
familiären Bereich für viele Frauen und Mädchen letztendlich oft auch tödlich
endet. Das heißt, es ist Aufgabe des Staates, erstens den Opfern beste Hilfe
und Schutz zu geben, und aber auch Aufgabe des Staates, gegen dieses kriminelle
Unrecht dementsprechend vorzugehen.
Wie schaut die Situation in Wien aus? Wir haben
erstens in Wien – darüber haben wir schon oft gesprochen – ein sehr, sehr
tolles Netz an Opferschutzeinrichtungen. Wie wir ja auch bei der Budgetdebatte
ausgeführt haben, ist es auch für das Budget 2006 wieder sichergestellt, dass
wir dieses tolle Netz aufrechterhalten und auch ausbauen können. Es gibt
darüber hinaus in Wien auch eine sehr, sehr gute Kooperation mit der Polizei,
vor allem seit dem Jahre 1997, das war jenes Jahr, wo das Gewaltschutzgesetz in
Österreich in Kraft getreten ist.
Kurz die aktuellen Zahlen: In Wien gab es 2004
insgesamt 2 000 Betretungsverbote, die durch die Polizei
ausgesprochen wurden. Was ich Ihnen leider auch mitteilen muss, ist, dass diese
Zahl für heuer deutlich überschritten wird.
Wo ist nun das akute und aktuelle Problem? Im Zuge
des Gewaltschutzgesetzes wurden die so genannten Interventionsstellen
eingerichtet, eine Einrichtung, wofür auf Grund des Gewaltschutzgesetzes, das
ein Bundesgesetz ist, ganz klar auch der Bund zuständig ist.
Vielleicht nur ganz kurz zur Erklärung. Was sind die
Interventionsstellen? Wenn die Polizei gerufen wird, nach Hause kommt und ein
Betretungsverbot ausspricht, ist es so, dass dann im Normalfall die
Interventionsstelle zum Zug kommt. Das heißt, die Polizei schickt ein Fax an
die Interventionsstelle, und die Interventionsstelle wird aktiv und sucht die
Frau auf, kontaktiert die Frau. In den meisten Fällen sind es eben Frauen.
Was ist jetzt das Problem? Sie wissen es, wir haben
es hier oft besprochen. Seit Juni 2004 konnte wegen Budgetmangels die
Interventionsstelle die Betreuung der Opfer nach familiärer Gewalt, wo eben
auch ein Betretungsverbot ausgesprochen wird, nicht mehr für alle Wiener Bezirke
gewährleisten. Der Notstand ist vor allem deswegen entstanden, weil eben die
Betretungsverbote in den letzten Jahren sehr, sehr stark angestiegen sind. Und
Tatsache ist, dass es seit diesem Zeitraum in insgesamt sieben Bezirken nicht
mehr möglich war, dass die Interventionsstelle tätig wird.
Vielleicht ganz kurz: Warum ist
das so unglaublich wichtig, vor allem für den Schutz der Frauen und der Kinder?
Sie müssen sich vorstellen: Es passiert was, die Frau wird misshandelt, die
Polizei wird gerufen. Die Polizei kommt, spricht ein Betretungsverbot aus, das
heißt ganz konkret, der Mann – meistens Mann – wird sofort weggewiesen. Die
Frau wird zurückgelassen, oft mit Kindern, in einer ganz furchtbaren
Krisensituation. Oft liegen natürlich auch Verletzungen vor, oft sind die
Frauen traumatisiert, wissen nicht ein, nicht aus, wissen nicht, was tun. Und
es kommt auch die Angst dazu. Denn man muss sich das einmal vorstellen: Der
Mann, der eigene Partner schlägt einen, misshandelt einen, die
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