Landtag,
22. Sitzung vom 30.06.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 98 von 104
versucht, was zu retten ist, wobei die Debatte uns allen noch in den Ohren ist. Der ÖGB sagt gemeinsam mit den Wirtschaftsvertretern, Leitl und Verzetnitsch, am 23. April, sie möchten noch eine kleine Pause über den Sommer haben. Bis 30. September möchten sie gemeinsam einen Entwurf ausarbeiten. Die Regierung hält, so wie wir es kennen, am Fahrplan fest.
Am 24. April fasst der ÖGB erstmals seit
Jahrzehnten einen allgemeinen Streikbeschluss. Wir wissen, wie wenig bis dahin
in Österreich berechtigterweise gestreikt wurde. Am 25. April endet die
Begutachtungsfrist, am 29. April passiert dieser Entwurf den Ministerrat,
und am 30. April fordert die FPÖ wieder, wie wir es schon mehrmals gehört
haben, weitere Verbesserungen bei der Hacklerregelung. Es werden dann österreichweite
Betriebs- und Dienststellenversammlungen durchgeführt, und in dieser Situation
mischt sich erstmals auch der Herr Bundespräsident Thomas Klestil ein und sagt:
Bitte, versuchen wir doch, hier konsensual etwas zu lösen! Den Sozialpartnern soll
man doch diese Zeit bis September geben.
Am 13. Mai – und wir erinnern uns alle, weil
sehr, sehr viele dabei waren – gab es eine große Demonstration. Zwischen
100 000 und 200 000 Menschen demonstrierten am Heldenplatz trotz
widrigster Witterungsumstände. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, als der
Vorsitzende der Gewerkschaft öffentlicher Dienst dort am Pult stand und
höhnisch auf das Haus herüber gezeigt und gesagt hat: Wer so etwas tut, hat
eigentlich nichts im Kopf. Jetzt sitzt er im Parlament als Dank und Anerkennung
für sein treues Verhalten.
Damals wurde eine Pensionsnovelle durchgepeitscht,
auch immer mit den Zusagen, die Jugend könne sich das dann künftig nicht mehr
leisten. Damals wurde auf den Spargedanken hingewiesen, und damals wurde in der
Tat Enormes eingespart, nur, es wurde nicht für die Pensionen verwendet. Der
damalige und noch immer seiende Finanzminister verwendete das Geld, um sein
Ziel, nämlich das Null-Defizit zu erreichen. Er hat es sicher nicht verwendet,
um für die Pensionssicherung entsprechende Rücklagen zu bilden.
Ich habe mir auch einen Kommentar aus der
"Kärntner Tageszeitung" herausgesucht mit der Überschrift
"Betrogene Österreicher". Das war genau im April des
Jahres 2003. Darin wird darauf hingewiesen: "Noch nie in der
Geschichte der Zweiten Republik ist einem so großen Teil der Österreicher
dermaßen dicht gepackte Ungerechtigkeit ins Haus gestanden. Das weiß
Unwahrheitenspezialist Wolfgang Schüssel nur zu genau. Trotzdem lächelt er
dünnlippig über alle vorhandenen Besorgnisse hinweg ein christlich kaltes
Lächeln."
Das war in der damaligen Zeit. Ich wollte es in
Erinnerung bringen und wollte dem gegenüberstellen, was wir in Wien hier
machen. (Abg Johannes Prochaska: Und das
sagen Sie bei einem Vranitzky-Pensionistenbrief! Ich gratuliere!) Haben Sie
in Wien in der gesamten Zeit von einer Demonstrationsbewegung gehört? Haben Sie
in Wien in dieser Zeit einen so großen Widerhall gehört wie damals? Wissen Sie,
warum das nicht passiert ist? Weil wir in Wien in der Tat ein Gegenmodell
fahren. Wir haben von Anbeginn der Verhandlungen an die Interessensvertreter
der in der Gemeinde Wien Beschäftigten miteinbezogen. Wir haben von Anbeginn an
gesagt, die Vertreter des Magistrats und die Vertreter der Gewerkschaften
sollen hier gemeinsam, und zwar in voller Verantwortung, eine Form von
Übereinkommen treffen, das wirklich zukunftsträchtig ist. Wir haben diesen Weg
beschritten, weil wir wussten, es geht nie im Leben ohne Interessensvertretung
Ich verstehe daher die Vertreter der Arbeitnehmer
nicht, ich verstehe den Kollegen Tschirf überhaupt nicht mehr, warum er hier
nicht herausgeht und ganz einfach das wiedergibt, was am Ende der Verhandlungen
auch die Christlich-Sozialen gesagt haben. Ich möchte Ihnen das nur in
Erinnerung rufen, weil Sie hoffentlich wissen, was Ihnen als Vorsitzendem des
Arbeitnehmerflügels Ihre Freunde gesagt haben. (StRin Dipl Ing Dr Herlinde
Rothauer: Sie brauchen uns das nicht vorzulesen!) Ich möchte es Ihnen nicht
ersparen. Sie sagten Folgendes:
"Diese Reform" – sie bezeichnen sie auch
als Reform – "ist eine notwendige Reform. Sie wird bis 2025 Spareffekte in
der Höhe von mehreren 100 Millionen Euro bringen und ist in einigen
Punkten intelligenter und gerechter als die von der Bundesregierung
durchgepeitschte Pensionsreform." – Das sagt nicht die SPÖ, das sagen Ihre
Freunde der christlichen Gewerkschaft. – "Mit unserer Zustimmung zum
Wiener Kompromiss haben wir uns dem Problem der ansteigenden Pensionskosten
sehr verantwortungsvoll gestellt." Das sagt der FCG-Vorsitzende der Wiener
Gemeindebediensteten, Kurt Obermüller.
Jetzt sage ich, okay, das hat er einmal in einer
Presseaussendung behauptet, aber nein, er wiederholt dasselbe noch einmal und
sagt, das ist "ein gerechter, intelligenter Kompromiss im Vergleich zur
Reform der Bundesregierung, die durchgepeitscht wurde." Und er begründet
das dann auch sehr, sehr ausführlich. (Zwischenruf
von StRin Dipl Ing Dr Herlinde Rothauer.) Ich gebe es Ihnen dann. Bei der
Gewerkschaft der Gemeindebediensteten im Vorstand ist dieser Entwurf mit zwei
Gegenstimmen so auch angenommen worden.
Ich möchte jetzt gar nicht mehr so im Detail darauf
eingehen, weil vieles vom Inhalt schon gesagt wurde, aber eines möchte ich
wirklich sagen: Diese Vorgangsweise, die hier in dieser Stadt gewählt wurde,
war eine sehr, sehr vorbildliche Vorgangsweise. Auf die vielen Positiva hat
Monika Vana hingewiesen, haben eigentlich alle hingewiesen, auch die FPÖ hat
auf die Positiva hingewiesen, daher erspare ich es mir.
Ich möchte daher zum Abschluss
kommen und sagen – ohne das in die Länge ziehen zu wollen, was natürlich kein
Problem wäre –: Sehr geehrte ÖVP Wien! Wenn Sie meinen,
400 000 Unterschriften hat die SPÖ gesammelt gegen das, was hier auf
Bundesebene passiert ist, wenn Sie meinen, dass die 200 000 Demonstranten
ignoriert werden von uns, wenn Sie meinen, dass die vielen
Dienststellenversammlungen ohne irgendeine Resonanz von uns passieren, dann
sage ich
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