Landtag,
14. Sitzung vom 24.04.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 31 von 83
hauptamtlichen Ratspräsidenten und ein so genanntes
Politdirektorium einsetzen, was dem Geiste dessen, von dem der Konvent
eigentlich getragen ist, nämlich eine Vereinfachung der Verträge und eine
größere Handlungsfähigkeit in einer erweiterten Union zu bringen, völlig
widerspricht und eigentlich von einer breiten Mehrheit nicht nur der
Konventsmitglieder, sondern auch der Mitgliedstaaten abgelehnt wird.
Dass diese Vorschläge des Konventspräsidenten gestern
so in Bausch und Bogen abgelehnt wurden, ist eigentlich ein europapolitischer
Eklat und zeigt, in welch tiefer Krise diese Europäische Union steckt, in einer
tiefen Krise, die mit dem Debakel um die nicht gemeinsame Irak-Politik, dem
Nichtfinden einer gemeinsamen Stimme gerade in der Außen– und
Sicherheitspolitik offensichtlich wurde.
Wir finden diese Entwicklung sehr, sehr schade, wir
finden sie sehr, sehr besorgniserregend, und wir stehen auch nicht an, hier den
deutschen Außenminister Joschka Fischer zu kritisieren, der eigentlich auch dem
Geiste der zunehmenden Integration widerspricht, weil er gerade in
Militärfragen und Sicherheitsfragen ein so genanntes Kerneuropa propagiert und
Initiativen gesetzt hat, wonach einige wenige Staaten unter Federführung von
Deutschland und Frankreich eigentlich nicht mehr Integration, sondern weniger
Integration wollen.
Die GRÜNEN lehnen diese Pläne des Auseinanderdriftens
der Staaten, gerade auch des Auseinanderdriftens mit den Erweiterungsstaaten,
ab und sehen das als sehr, sehr besorgniserregend an. Wir wollen, dass Europa
mit einer Stimme spricht. Wir wollen, dass es auch in der Außen- und
Sicherheitspolitik mit einer Stimme spricht. Wir wollen, dass es nicht nur in
Wirtschafts- und Währungsfragen, wie es bisher der Fall ist, mit einer Stimme
spricht, sondern dass es vor allem auch in sozialen Fragen mit einer Stimme
spricht.
Deshalb ist uns GRÜNEN auch die Entwicklung einer
Sozialunion und einer europäischen Demokratie das wesentlichste Anliegen. Wenn
wir das nicht schaffen, wenn der Konvent hier nicht erfolgreich ist – und es
steht an der Kippe –, dann werden unsere Bemühungen um eine weitere Integration
scheitern, und wir werden einen Rückfall erleiden. Das ist schlecht für Europa,
das ist schlecht für Wien, vor allem ist es schlecht für die 450 Millionen
Bürger und Bürgerinnen, die eigentlich von der Europäischen Union vertreten
werden sollten.
Ich würde mir hier auch mehr Reformeifer der
Bundesregierung wünschen, die, so scheint es, im europapolitischen Koma liegt,
wahrscheinlich deshalb, weil sie seit der Hereinnahme der Freiheitlichen in die
Bundesregierung nicht gerade ernst genommen wird auf europäischer Ebene. Man
hat hier völlig versagt, nicht nur in der Erweiterungsvorbereitung, sondern
auch in den Fragen der Beneš-Dekrete, in der Frage von Temelin und jüngst in
der Frage des Transitvertrages. Hier wäre in jedem Fall mehr drinnen gewesen,
doch hier hat die Bundesregierung wieder einmal – um es sehr freundlich
auszudrücken, denn, wie gesagt, ich will ja heute das Gemeinsame über das
Trennende stellen und nicht polemisieren; das wäre nicht dem Anlass
entsprechend – eine Chance vertan, gerade im Hinblick auf die
Erweiterungsvorbereitung, bei der Österreich sich nicht nur geographisch,
sondern eben auch politisch ins Zentrum hätte rücken sollen und ein positiver
politischer Dialog mit den neuen Beitrittsländern geführt hätte werden sollen.
Das Gegenteil ist leider passiert. Alte Gräben wurden aufgerissen, und es ist
sehr schade, dass Österreich so überhaupt keine Rolle spielt in diesem
Erweiterungsprozess und überhaupt im Prozess der Reform der Europäischen Union.
Ich möchte aber nun kurz auf die Punkte eingehen, die
wir in die Deklaration eingebracht haben, die den GRÜNEN sehr wichtig sind. Da
steht an erster Stelle die Bildung einer europäischen Sozialunion und die
Entwicklung von europaweiten sozialen Mindeststandards. Hier hat es nicht immer
Einigkeit gegeben unter unseren Fraktionen, deshalb freue ich mich besonders,
dass die sozialen Mindeststandards in die Deklaration aufgenommen werden
konnten, denn wir denken, dass Europa ohne eine Sozialunion nicht denkbar ist.
Eine politische Union ist nicht denkbar ohne eine Sozialunion. Wir sehen
Rekordarbeitslosigkeit in fast allen europäischen Ländern, wir sehen steigende
Armut, vor allem von Frauen in allen europäischen Ländern, wir sehen auch
gemeinsame arbeitsmarktpolitische Probleme.
Das heißt, hier unterstützen wir massiv die Anliegen
des Arbeitskreises Europas, der sich im Rahmen des EU-Konvents gebildet hat. Er
wurde unter Federführung von Johannes Voggenhuber propagiert und eingesetzt und
sieht die Hereinnahme der Vollbeschäftigung als Ziel der Beschäftigungspolitik
der Europäischen Union vor. Wir unterstützen das sehr. Wir halten das Ziel der
Vollbeschäftigung allerdings für ein bisschen mangelhaft, weil
Vollbeschäftigung nichts darüber aussagt, ob Menschen von ihrer Arbeit auch
leben können. Ich weise da auf die wachsende Tendenz zur Atypisierung von
Beschäftigungsverhältnissen in ganz Europa hin, was vor allem ein ernsthaftes
Problem für Frauen ist und die Grundlage für steigende Armut in Europa bildet.
Aus diesem Grund war uns auch wichtig, das Ziel der
Existenzsicherung von Arbeitsplätzen in dieser Deklaration zu verankern und
insbesondere auch für forcierte Maßnahmen für Frauenbeschäftigung und für die
Beschäftigung älterer Menschen zu sorgen und dies in der Deklaration zu
verankern.
Leider sieht ja die Realität in Österreich anders
aus. Obwohl wir gerade hier so klare Worte gefunden haben, ist die Politik der
Bundesregierung bekanntermaßen eine andere, und auch in Wien schaut es nicht
immer ganz so gut aus mit Wien als sozialer Stadt, wenn ich zum Beispiel an die
Tariferhöhungen, die wir gestern im Bäderbereich oder vor kurzer Zeit im
Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs erlebt haben.
Der zweite uns wichtige Punkte – das wurde auch von Bgm
Häupl angesprochen – ist eine Intensivierung der Beitrittsvorbereitungen. 2004
werden zehn Länder der Europäischen Union beitreten, an vier davon grenzt
Österreich. Die Unterzeichnung der Beitrittsakte am
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