Landtag,
14. Sitzung vom 24.04.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 16 von 83
dass sich die Damen und Herren Abgeordneten je einmal zum
Wort melden dürfen und ihre Redezeit mit fünf Minuten begrenzt ist.
Abg Ingrid Korosec
(ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Wiener Landtages!
Das Alter ist ein aufregendes Abenteuer. Das Leben in
der späten Freiheit hat sehr viele Gesichter. Die Politik, die Gesellschaft
muss es ermöglichen, dass ältere Mitbürger sie ohne Abhängigkeiten und in
Selbstständigkeit so lang wie nur irgend möglich nutzen können. Diese
altersbunte Gesellschaft - die Meinungsforscher nennen sie die Neugierigen, die
Flotten, die Urbanen - hat natürlich in einer Weltstadt wie Wien viele Möglichkeiten,
und das ist gut so.
Es gibt aber auch eine andere Seite der altersbunten
Gesellschaft, nämlich die Hochaltrigkeit, die Abhängigkeit, die
Pflegebedürftigkeit und die Hilflosigkeit. Dazu kommt noch die demographische
Entwicklung. Wir wissen, in Wien gibt es derzeit ungefähr
160 000 Menschen über 70 Jahre. In einigen Jahrzehnten werden es
fast 360 000 Menschen sein, der Anteil wird sich also weit mehr als
verdoppeln, wobei hier allfällige medizinische Quantensprünge nicht eingerechnet
sind.
Wie ist Wien auf diese Entwicklung vorbereitet? Wie
ist der Status quo? - Wir haben diese Debatte hier schon oft geführt. In den
Pflegeheimen besteht ein Personalnotstand. Es gibt wenige Ein- bis
Zweibettzimmer, aber sehr viele Sechs- und Achtbettzimmer, und dort gibt es für
die Patienten keine Rückzugsmöglichkeit in eine Privatsphäre. Bei jedem Besuch
als Privatmensch in einem Pflegeheim - für eine Politikerin schaut die Welt
etwas anders aus - denke ich mir: Der liebe Gott oder meine Kinder mögen mich
vor solch einem Schicksal bewahren!
Wir haben in Wien nach wie vor kein Pflegeheimgesetz.
Ich habe mir das ein bisschen angeschaut: Vor zehn Jahren wurde ein
Maßnahmenkatalog beschlossen, "Hilfe im hohen Alter", da war auch das
Pflegeheimgesetz dabei. Ich habe weiters gesehen, dass 1995 der Abg Margulies
bereits die fünfte Anfrage danach stellte, wann endlich das Pflegeheimgesetz
verabschiedet wird. Es wurde ihm vom damaligen StR Rieder gesagt: ja, in diesem
Jahr! Bei all diesen Anfragen hat es geheißen: in diesem Jahr wird es
verabschiedet! In der Zwischenzeit sitzt schon die nächste Generation hier, der
Sohn des Abg Margulies ist bereits im Gemeinderat, aber wir haben noch immer
kein Pflegeheimgesetz.
Es gibt jetzt einen Entwurf. Dieser Entwurf ist
zahnlos, er ist mutlos, und es ist besser, man schweigt darüber. Es gibt keinen
Pflegeheimplan. Ein solcher wäre ebenfalls unendlich wichtig, weil dies für die
sozialen Kontakte der Hochaltrigen von besonderer Bedeutung ist. Betreutes
Wohnen steckt in den Kinderschuhen, Hospizbetten gibt es kaum - meine Kollegin
Lakatha wird darauf näher eingehen.
Das Familienhospizgesetz wurde von der
Bundesregierung - ich halte das für eine ganz, ganz wichtige Maßnahme - mit
1. Juli 2002 eingeführt. Im heutigen Landtag beschließen wir für Wien
dieses Gesetz, das heißt, fast ein Jahr später - eine Maßnahme, die man sofort
hätte umsetzen können! Daher muss ich sagen, allzu schnell ist man in Wien
nicht gerade bei Maßnahmen, die für die Menschen in dieser Stadt sehr wichtig
sind. (Beifall bei der ÖVP.)
Dass das Landesseniorengesetz ein Unsinn ist, hat uns
heute die Frau Vizebürgermeisterin eindrucksvoll mitgeteilt.
Meine Damen und Herren von der Alleinregierung! Wie
ernst nehmen Sie das, was Sie in Sonntagsreden immer wieder sagen: dass die
Würde des Menschen, vor allem im Alter, von besonderer Bedeutung ist und von
Ihnen so ernst genommen wird? Ich habe mir als Zitat aufgeschrieben, was die
Frau Gesundheitsstadträtin oder -landesrätin am 17. Jänner in der
Sondersitzung gesagt hat; damals hat sie gemeint: "Der Wert einer
Gesellschaft zeigt sich darin, wie diese Gesellschaft mit ihren
hilfsbedürftigen, schutzbedürftigen und alten Menschen umgeht." Das kann
man nur dick unterstreichen! Allerdings tun Sie das sehr langsam und sehr zögerlich,
wenn Sie wissen, wie die demographische Entwicklung ist.
Meine Damen und Herren! Bei den Besuchen in den
Pflegeheimen stelle ich immer wieder fest, dass die Pflegenden unglaublich
engagiert sind, allerdings an den Realitäten fast scheitern. Daher geht es hier
- ich sage das in diesem Haus nicht zum ersten Mal - wirklich um eine
Grundsatzdiskussion: Wie viel ist der Politik in Wien der alte, der
pflegebedürftige Mensch wert? Genügt es, wenn er warm ... (Abg Johann Driemer: Wie ist das in der Bundespolitik ...? -
Zwischenruf der Abg Helga Klier.) Wir reden jetzt von der Wiener Politik.
Immer, wenn Ihnen das unangenehm ist, kommen Sie auf die Bundespolitik zu
sprechen. Reden wir einmal von dem, was Sie hier tun können! (Beifall bei der ÖVP. - Zwischenrufe bei der
SPÖ.)
Sagen Sie, genügt es Ihnen, wenn immobile Menschen
warm und satt aufbewahrt werden? (Abg
Johann Driemer: ... in der Bundespolitik keine alten Menschen?) Damit ist
es so ... (Abg Godwin Schuster: Der
größte Raubzug in der Zweiten Republik! - Abg Kurth-Bodo Blind - in Richtung
SPÖ -: ... Blödsinn! Wir werden darüber reden, wie es in den Altersheimen
ausschaut in Wien! Ich habe das erlebt! Hört einmal auf mit dem Geschwafel! Das
ist empörend!) Herr Kollege, es ist leider so, dass sehr viele Menschen den
sozialen Tod längst vor ihrem physischen Tod erleiden. Das müssen wir ändern,
und das muss in Ihrem Interesse sein! (Beifall
bei der ÖVP.)
Meine Damen und Herren! Es ist Aufgabe der Politik,
vor allem auch der Wiener Politik, nicht nur kommende Entwicklungen zur
Kenntnis zu nehmen, sondern auch - und vor allem das ist wichtig - auf kommende
Entwicklungen zeitgerecht und richtig zu reagieren. Tun Sie das endlich! (Beifall bei der ÖVP.)
Präsident Johann Hatzl:
Als nächste Rednerin hat sich Frau Abg Cordon gemeldet. Ich erteile ihr das
Wort.
Abg Waltraud Cecile Cordon
(Grüner Klub im
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