Landtag,
11. Sitzung vom 13.12.2002, Wörtliches Protokoll - Seite 37 von 90
Bildungsbürgern. Wirkliche Bildungsbürger stimmen nämlich
diesem Entwurf zu - darf ich das auch sagen (Beifall bei den GRÜNEN.) -,
die haben nämlich nichts am Hut mit einer ÖVP-Position, bei der man nicht nur
kein Blattl zwischen den Herrn Strache und den Herrn Ulm bringt, sondern
eigentlich, wenn man es wegnimmt, glaubt, dieselben reden. Weit hat es die ÖPV
gebracht, und mit so einer ÖVP, die so agiert, haben wir nicht nur überhaupt
nichts am Hut, sondern die werden wir schärfstens bekämpfen und ein gutes
Argument haben, warum wir ÖVP-Wählerinnen und -Wähler dazu bringen, nicht ÖVP
zu wählen, denn diese Position vertreten sie mit Sicherheit nicht.
Ein Zweites. Es ist mir zu wichtig, und auch wenn es
von der FPÖ kommt, möchte ich darauf eingehen: die Idee einer Volksabstimmung
über dieses Wahlrecht. Ich mache einen anderen Vergleich, denn ich glaube, dass
durchaus die, die jetzt in Einzelfällen gegen Volksabstimmungen sind,
argumentieren müssen, warum.
Stellen wir uns vor, man hätte über die Einführung
des Frauenwahlrechts Männer abstimmen lassen, ob sie dafür sind. (Abg
Martina Malyar: Ja, das ist ein gutes Beispiel! Da würden wir lange warten!
Nicht einmal heute hätten wir es!) Es gibt in der Schweiz heute noch Kantone,
wo Frauen nicht abstimmen, und Männer entscheiden dort darüber, ob Frauen
abstimmen - ja oder nein.
Ich mache es noch extremer, gerade weil ich leidenschaftlicher
Demokrat bin und in der Tat Volksabstimmungen oder Volksentscheide eine
wichtige, eine hohe Bedeutung haben. Aber es gibt einen Bereich, da sind aus
meiner Sicht Volksabstimmungen demokratiepolitisch grundsätzlich unzulässig,
und zwar in Fragen von Minderheitsrechten. Das Wesen einer Demokratie ist, dass
Minderheitsrechte Rechte sind und nicht die Mehrheit darüber abstimmen darf.
Das ist der Grund, warum wir grundsätzlich dagegen sind. Wenn man hier einmal
die Tür öffnet, dann: Gute Nacht, Wien! (Beifall bei den GRÜNEN und bei der
SPÖ.)
Ein Allerletztes noch, bevor ich dann unsere Anträge
einbringen möchte: das immer wieder gebrachte Argument der
Verfassungswidrigkeit. Als wäre die Verfassung irgendwie die in Stein gehauenen
Tafeln von Moses und würde man sich quasi einem Frevel hingeben. Ich weiß es
nicht - ich sage bewusst als Nichtjurist, ich weiß es nicht -, das werden die
Höchstgerichte klären. Aber gab es nicht vielleicht einmal eine Zeit, wo auch
das Frauenwahlrecht verfassungswidrig war? Vielleicht hat man da die Verfassung
geändert. Die Verfassung ist auch etwas, was sich weiterentwickelt. Und in
einer Zeit, wo das Parlament hinsichtlich Taxikonzessionen Verfassungsbestimmungen
macht, wäre es, glaube ich, durchaus möglich und sinnvoll, auch den
verfassungsrechtlichen Rahmen zu ändern. Sollte sich herausstellen - was ich
nicht glaube, aber sollte es sich herausstellen -, dass dieser
demokratiepolitisch notwendige Schritt nicht mit der derzeitigen Verfassung
übereinstimmt, dann wird man auch die Verfassung weiterentwickeln, was dem
Wesen einer dynamischen Verfassung entspricht.
Deswegen schreckt mich das überhaupt nicht, wenn Sie
da drohend und apokalyptisch von der Verfassungswidrigkeit reden. Wir werden
das einführen, es wird das nächste Mal so gewählt werden, und dann wird eben
auch eine Verfassung weiterentwickelt werden - nicht nur für Taxikonzessionen.
Trotzdem, ohne das jetzt noch einmal lange zu argumentieren,
sind wir für die Gleichstellung aller mit EU-Bürgern und -Bürgerinnen, nicht
zuletzt deswegen, weil es im Jahre 2006 nicht mehr eine EU der 15, sondern - es
wird dieser Tage beschlossen - eine sehr viel größere EU sein wird. Tschechen,
Slowaken, Polen, Slowenen, alle werden EU-BürgerInnen sein, und sie werden nach
wenigen Monaten wahlberechtigt sein. Wir halten es für überhaupt nicht
argumentierbar, warum man hier zwei Klassen schafft, und deswegen bringen wir
den Antrag ein und hoffen auf Ihre Zustimmung, dass man einen mutigen Schritt
setzt und das Wahlrecht, das allen EU-BürgerInnen zukommt, auch all jenen gibt,
die in Wien leben.
Wir werden deswegen, weil wir ein sehr komplexes
Procedere bei der Abstimmung haben, all jenen Eckpunkten wie Einführung des
Wahlrechts für alle Wienerinnen und Wiener, Vorzugsstimmen, Wahlen mit 16 selbstverständlich
gerne zustimmen. Wir werden in erster Lesung all jenen Punkten, die die
Fünfjahresfrist leider aufrechterhalten, nicht zustimmen, sondern werden den
Antrag einbringen, von dem wir hoffen, dass er Ihre Mehrheit findet. Wir werden
dann aber in Abwägung des Gesamtgewichts in zweiter Lesung diesem Gesetz
zustimmen. Damit schmälern wir nicht die Kritik, die wir an diesem Gesetz
haben, aber anerkennen den großen Schritt, der hier passiert, der wichtig für
Österreich ist.
Ein Allerletztes. Weil es hier um ein Demokratiepaket
geht, möchte ich noch einen Punkt einbringen, der nicht unmittelbar mit dem
Wahlrecht zu tun hat, der aber für die Demokratie wichtig ist. Es geht um einen
Antrag, der von uns in sehr vielen Bundesländern bereits eingebracht wurde und
in einigen Bereichen auch schon Zustimmung erfahren hat, um einen Antrag
betreffend Information des Wiener Landtags über Beratungen und Beschlüsse der
Landeshauptleutekonferenz.
Erst gestern haben wir wieder erlebt, dass ein Gremium,
das nicht in der Stadtverfassung steht, das nicht in der Bundesverfassung
steht, weitreichendste Entscheidungen trifft, nämlich die
Landeshauptleutekonferenz, wo man das Gefühl hat, das sind irgendwie die
Kurfürsten des 21. Jahrhunderts, von denen gnädig erklärt wird, wie die
Landtage dann zu entschließen haben. Sogar - siehe gestern - eine derartige
auch innerhalb der SPÖ umstrittene Geschichte wie diese Kultursubvention hat
dann umgesetzt zu werden.
Es wird eine längere grundsätzliche Diskussion, ob es
überhaupt dieser Landeshauptleutekonferenz bedarf und auf welcher Grundlage sie
beruht. Ich meine, sie gehört überhaupt abgeschafft, das ist ein spätfeudales
Relikt. Das werde ich jetzt über einen Beschlussantrag natürlich nicht
abschaffen, dessen bin ich mir als Realpolitiker bewusst, aber eines kann man:
Man kann detailliert informieren. Man sollte informieren, auf welcher
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