Landtag,
11. Sitzung vom 13.12.2002, Wörtliches Protokoll - Seite 25 von 90
Wahlrechts hat sowohl reale Auswirkungen, wie ich soeben
erläutert habe - über 100 000 neue Wählerinnen und Wähler in Wien -, aber
diese Beschlussfassung des Wahlrechts hat auch hohe Symbolkraft in der Stadt.
Jetzt könnte ich mich also zügellos freuen darüber,
aber es gelingt mir leider nicht. Die Freude ist getrübt, bedauerlicherweise,
denn - und jetzt muss ich Kritik anbringen - sosehr wir Grüne uns freuen, sosehr wir dafür gekämpft haben - und nicht
nur wir Grüne, sondern
Zuwanderinnen und Zuwanderer, MenschenrechtsaktivistInnen,
AntirassismusaktivistInnen, Tausende Menschen in dieser Stadt haben in den
letzten 10 bis 15 Jahren systematisch tagein, tagaus für diesen Moment
gekämpft -, sosehr sind es gerade die, die gekämpft haben, die heute nicht nur
das Recht, sondern auch die Pflicht haben, Kritik anzubringen, Kritik an jenen
Punkten, die dieses Gesetz, so wie es hier vorgelegt wird, enthält und die
problematisch sind, die trotzdem nicht das Gelbe vom Ei sind, die trotzdem noch
immer zu korrigieren und besser zu machen sind.
Was ich damit meine - das wissen Sie alle -, ist die
Vorschrift, dass nur diejenigen Zuwanderer wahlberechtigt sein sollen, die zum
Zeitpunkt, zu dem die Wahl stattfindet, bereits fünf Jahre lang ununterbrochen
in Wien gelebt haben. Ja, diese fünfjährige vorangegangene Aufenthaltsdauer ist
leider ein Wermutstropfen, und damit fange ich schon einmal mit dem
verwaltungstechnischen Argument an, wenn Sie so wollen.
Ich habe gerade erläutert, dass im Jahre 2006 über
100 000 Zuwanderer wahlberechtigt sein werden. Wieso? - Weil bereits zum
heutigen Zeitpunkt etwa 75 Prozent der Zuwanderer bereits länger als fünf
Jahre in Wien leben. Bis 2006 werden es sogar mehr sein. Das heißt, in Wahrheit
beschließen wir heute ein Gesetz mit dieser fünfjährigen vorangegangenen
Aufenthaltsdauer, das bewirkt, dass zum Schluss lediglich etwa 18 000
Zuwanderer vom Wahlrecht in Wien ausgeschlossen sein werden.
Um diese 18 000 Menschen vom Wahlrecht
auszuschließen, nehmen wir einen enormen Verwaltungsaufwand auf uns, nämlich
die Aufenthaltsdauer aller anderen zu überprüfen. Und ich frage Sie: Wäre es
nicht einfach verwaltungstechnisch auch sinnvoller zu sagen: Schluss und Aus!?
Mit Stichdatum? (Abg Gerhard Pfeiffer: Mit Stichtag!) Jeder Mensch, der
in dieser Stadt auf Dauer niedergelassen ist und angemeldet ist, ist
wahlberechtigt.
Zweitens gibt es natürlich auch das politische
Argument. Immer wieder und immer wieder wird hier wiederholt, dass es
letztendlich etwas ist, das man nicht vergleichen kann. Ich vergleiche hier
Äpfel mit Birnen, EU-Bürgerinnen und EU-Bürger würden sofort ab Niederlassung
in Wien stimmberechtigt sein, weil das ja sozusagen auf internationale
Agreements zurückzuführen ist (Abg Mag Hilmar Kabas: Das geht auf
Gegenseitigkeit!) - gegenseitig stimmt auch -, wohingegen Zuwanderer aus,
na sagen wir, der Türkei oder aus Jugoslawien, die zurzeit die größte Gruppe
sind, sich nicht auf so etwas berufen können und daher nicht wahlberechtigt
sind.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gegenseitige
Vereinbarungen, bilaterale Vereinbarungen sind Dinge, die man beschließt, die
aber keinesfalls ausschließen, dass man den Gegenstand von bilateralen Vereinbarungen
auch auf andere Menschen überträgt. Es ist ja nicht so, dass alles, was auf
Basis von bilateralen Vereinbarungen beschlossen worden ist, nur für die Bürger
dieser Länder zu gelten hat. Ein Land und eine Stadt haben immer und zu jedem
Zeitpunkt durchaus die Möglichkeit zu sagen: Gut, und darüber hinaus gewähren
wir bestimmte Rechte auch Menschen, die aus anderen Ländern kommen, mit denen
es keine bilateralen Vereinbarungen gibt. Wenn alles nur auf Basis von
bilateralen Vereinbarungen weitergehen würde auf dieser Erde, da hätten wir
aber ein sehr, sehr langsames Tempo, wie sich die Dinge verändern.
Deshalb sage ich: Rein menschlich und rein politisch
betrachtet wird mir nie jemand erklären können, warum es zum Beispiel für
meinen Vater, der dieser Tage übrigens in Wien zu Besuch ist und der kein Wort
Deutsch spricht, möglich ist, sich in Wien anzumelden und sofort wählen zu
können, und wieso es für meinen türkischen Nachbarn, der hier länger lebt, der
ausgezeichnet Deutsch spricht, der sich durchaus auskennt, nicht möglich ist,
wieso er mit einer fünfjährigen Stehzeit belegt wird. Und deswegen, liebe
Kolleginnen und Kollegen, lehnen wir diese fünfjährige Aufenthaltsdauer
entschieden ab, und wir werden heute auch einen Antrag einbringen, um diese zur
Streichung zu bringen. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Lassen Sie
mich abschließend auch ein, zwei Details kritisieren. Wenn man schon davon
ausgeht, dass diese fünfjährige vorangegangene Aufenthaltsdauer aus welchen
Gründen auch immer notwendig ist, dann sollte sie bitte nicht ununterbrochen
ausgerechnet in Wien vorgeschrieben sein. 80 Prozent der Zuwanderer in
Österreich arbeiten in den Branchen Baugewerbe, Gastgewerbe. Das sind zwei
Branchen, die eine hohe Mobilität erfordern, und es ist nicht üblich, dass man
für die Dauer, die man zum Beispiel in einem anderen Bundesland verbringt, in
Wien angemeldet bleibt. Es ist überhaupt nicht so. Ich könnte viele, viele
Fälle aufzählen von Menschen, die ich persönlich kenne, die eine Zeit lang nach
Salzburg oder nach Innsbruck gegangen sind, dort ein kleines Lokal aufgemacht
haben, geschaut haben, ob sie dort überleben können und draufgekommen sind,
dass es nicht gut funktioniert, und die nach ein, zwei Jahren nach Wien
zurückgekommen sind.
Nach diesem Vorschlag, den Sie hier vorgelegt haben, wären
diese Menschen von der demokratischen Teilhabe ausgeschlossen. Für sie würde
die ganze Dauer ihres vorangegangenen Aufenthalts in Wien - es könnten 10,
15 Jahre sein - nicht zählen. Die Zeit würde neu zu laufen beginnen ab dem
Tag, wo sie nach Wien zurückkommen. Wir sagen, das ist nicht ausgereift. Wenn
man schon eine fünfjährige Aufenthaltsdauer vorschreibt, dann sollte man sie
zumindest auf das gesamte Bundesgebiet ausdehnen, denn Sie werden mir doch
nicht weismachen wollen, dass ein Zuwanderer, der eine
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