Landtag,
6. Sitzung vom 30.1.2002, Wörtliches Protokoll
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Mitgliedsstaaten haben dafür Sorge zu tragen, dass die
Grundsätze und Bedingungen für das Funktionieren dieser Dienste so gestaltet
werden, dass sie auch wirklich ihrer Aufgabe nachkommen können.
Ebenfalls seit Beginn der Neunziger wurden seitens
der Europäischen Union bedeutende Liberalisierungsschritte in
Infrastrukturbereichen gesetzt. In den Mitgliedsstaaten sind diese sehr
unterschiedlich umgesetzt worden und haben auch ebenso unterschiedliche
Ergebnisse gezeitigt.
Nun wäre es meiner Meinung nach einmal an der Zeit,
nach dieser Einleitung der strukturellen Veränderungsprozesse eine Phase der
empirischen Evaluierung in den bereits liberalisierten Wirtschaftsbereichen
durchzuführen, statt weiterhin Sektor für Sektor für Sektor einer
Liberalisierung zu unterwerfen. Denn eine umgehende und umfassende
Herangehensweise bei der "Daseinsvorsorge" ist notwendig, damit
Leistungserbringer ihren spezifischen Aufgaben entsprechend nachkommen können,
auch, wie schon erwähnt, für den sozialen und territorialen Zusammenhang, der
von großer Bedeutung ist.
Nicht erfolgreiche Privatisierungen zum Beispiel im
Telekommunikationsbereich in Österreich - wir haben es erlebt - und auch der
Druck auf Aktienkurse von anderen europäischen Telekom-Betreibern, der darauf
lastet, spiegeln eine gewisse Unsicherheit auch für die Zukunft dieses Bereichs
wider. Ich denke mir, da überschneiden sich zwei Dinge: Einerseits die viel zu
hoch gegriffenen Erwartungen in die Wirtschaftssektoren der New economy und
andererseits eine generelle Tendenz, durch übertriebenen Liberalisierungseifer
öffentliche Leistungen und die Universaldienstleiter politisch und
wirtschaftlich in der Öffentlichkeit abzuwerten.
Aus der Sicht der ArbeitnehmerInnen sind die
Entwicklungen im Bereich der "Daseinsvorsorge" aus zwei Gründen doch
höchst problematisch:
Einerseits sind diese Leistungen von grundlegender
Bedeutung für die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger und die Erfahrungen
zeigen, dass Privatisierung und Liberalisierung nicht immer zu den auch von der
Europäischen Kommission erwarteten Effekten bezüglich Versorgungssicherheit,
Zugang, Qualität, Kosten-Preis-Relation und für die Entwicklung eines
sinnvollen Wettbewerbs geführt haben.
Andererseits hat sich aber auch gezeigt, dass die
Bedingungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Sektor durch
Privatisierung und Liberalisierung verschlechtert wurden. Beides werden wir in
Wien nicht hinnehmen. Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten spielen
die Dienste der "Daseinsvorsorge" eine höchst bedeutsame Rolle für
die Sicherung der Lebensqualität, für die Bekämpfung der Armut und sozialen
Ausgrenzung, für die wirtschaftliche Entwicklung, die Beschäftigung, die
Arbeitsqualität und den gesellschaftlichen und räumlichen Zusammenhalt in
unserer Region. (Beifall bei der SPÖ.)
Präsident Johann Römer:
Zu einer zweiten Wortmeldung hat sich Herr Abg Dipl Ing Margulies gemeldet. Ich
erteile ihm das Wort. Die Restredezeit sind 5 Minuten.
Abg Dipl Ing Martin Margulies (Grüner Klub
im Rathaus): Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich möchte am Schluss von Kollegin Bayr anschließen,
wie wichtig es ist, dass es die kommunale "Daseinsvorsorge" gibt und
wie wichtig die Beschäftigten der kommunalen "Daseinsvorsorge" sind.
Was allerdings die Stadt Wien in letzter Zeit vermissen lässt, ist, gerade in
diesem Bereich die Innovation für die Beschäftigten voranzutreiben, nämlich
auch als Innovation für die Privatwirtschaft. In Wien arbeiten rund - erweitert
gesehen - 70 000 Personen im Rahmen des Magistrats inklusive KAV, et
cetera.
Warum wird hier nicht versucht,
ArbeitnehmerInnenpolitik in dem Sinne zu machen, dass man Vorreiter bei
Arbeitszeitverkürzung wird? Warum wird nicht versucht, dass man in diesem
Bereich Vorreiter bei Lohnabschlüssen wird?
Wir werden diesen Punkt beim nächsten
Tagesordnungspunkt noch ausführlich besprechen, aber vielleicht ein Satz
vorweg, weil Kollege Hundstorfer mich gerade anschaut: In einer
Presseaussendung vor ungefähr zwei Wochen haben Sie auf den Kollegen Görg, der
selbst 2 Prozent Lohnerhöhung für zu viel erachtet hat, noch geschrieben:
"Wien kann stolz darauf sein, 2 Prozent herausverhandelt zu haben,
weil die Inflationsrate bei 1,9 Prozent liegt."
Herr Kollege Hundstofer, ich habe es Ihnen schon
vorhin gesagt, dass sie darüber liegt und jetzt ist amtlich festgestellt:
2,7 Prozent Inflation im letzten Jahr. Und die Stadt Wien ist nicht einmal
bereit, einen Inflationsausgleich den Bediensteten der Stadt Wien zu bezahlen!
Das ist wirklich traurig und ich denke mir, wenn man sich am Vormittag
hinstellt und sagt, man steht zu den kommunalen Betrieben und man lobt die
Beschäftigten, dann sollte man sich dazu bekennen und sagen: Wir wollen, wenn
es schon budgetär nicht machbar ist, dann a) zumindest einen Sockelbetrag
oder b) zumindest bis zum Medianeinkommen eine endgültige Abgeltung der
Inflation und erst darüber, bei den Spitzengehältern, denken wir nach, ob es im
Sinne gemeinsamer Sparmaßnahmen möglich wäre, auch unterhalb der Inflationsrate
abzuschließen.
Herr Kollege Hundstorfer, das hätte ich mir von der
Gemeinde Wien erwartet und nicht Abschlüsse unterhalb der Inflationsrate! -
Danke sehr. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Präsident Johann Römer:
Als Nächster ist Abg Hundstorfer zum Wort gemeldet. Ich erteile es ihm. (Heiterkeit bei den GRÜNEN.)
Abg Rudolf Hundstorfer (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener
Landtags und Gemeinderats): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Es erfüllt mich irgendwie mit Humor, dass Kollege Margulies
auf einmal die Gewerkschaft entdeckt. Es erfüllt mich ... (Abg Dipl Ing Martin Margulies: Ich bin schon seit 20 Jahren
Gewerkschaftsmitglied!) Ja, Entschuldigung, zwischen Gewerkschaftsmitglied
seit ... (Abg Dipl Ing Martin Margulies:
Mein Vater auch!) Lieber
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