Gemeinderat, 60. Sitzung vom 20.11.2024, Wörtliches Protokoll - Seite 87 von 100
seinen Sinn. Das möchte ich schon sagen. Es ist natürlich so, dass man deswegen ein bisschen Zeitdruck hat auf allen Ebenen.
Aber ich möchte Sie mitnehmen auf eine kleine Reise. Eine Reise rund um die Welt zum Thema U-Bahn-Bau. Ich möchte gleich bei unseren Nachbarn anfangen, das ist die Stadt Hamburg. Wir blicken nach Norden, da wird im Moment auch eine U5 gebaut. Da wurden für das 1. Teilstück zum Beispiel 1,75 Milliarden EUR veranschlagt. Da stehen wir im Moment aber mittlerweile im 2. Schritt schon bei 2,8 Milliarden EUR nur für das 1. Teilstück, und die Schätzungen für die Gesamtkosten hat man jetzt auch noch einmal nachgebessert, die sind 14 Milliarden bis 16,5 Milliarden. Das heißt, die Stadt Hamburg gibt sich jetzt gleich einmal einen Korridor von 2,5 Milliarden. Lustig ist: Was sagen die Verantwortlichen dort? Die sagen: Schwer planbar, die Budgetierung, wir sind massiv hinten nach und die Baukosten explodieren. Das kennen wir vielleicht auch aus den Argumentationen in Wien.
Dann ziehen wir weiter Richtung Süden nach München, Deutschland. Dort gibt es ein Großprojekt, nämlich einen S-Bahn-Nordring. Da wurde jetzt auch schon gleich einmal das Projektende von 2025 auf Mitte der 30er Jahre verschoben. Das heißt, dort wird die Umsetzung gleich einmal um 19 Jahre nach hinten nachgebessert, weil man einfach nicht weiß, wie es weitergeht. Beim Budget ist es auch so, in München hat man eigentlich mit 3,2 Milliarden EUR kalkuliert, und jetzt hat man gleich einmal auf 8,5 Milliarden hochrevidiert. Was ist die Antwort der Verantwortlichen dort? Inflation, hohe Baukosten.
Wir ziehen weiter nach Berlin, wenn wir gerade in Deutschland sind. Dort wird ja seit 2022 die U6 gebaut, und der Bau verzögert sich auch maximal. Da hätte man eigentlich 2025 fertig sein sollen. Was sagen sie dort jetzt? 2027, also 2 Jahre nach hinten gezogen. (GR Dipl.-Ing. Martin Margulies: Das ist jetzt echt die offizielle Argumentation der NEOS: Weil überall alle anderen es nicht gescheit können …) Nein, jetzt lass mich einmal ausreden. Ich habe 15 Minuten, ich komme schon noch zum Punkt. Auch wenn es dich langweilt, aber es ist nicht unspannend.
In Köln ist ein U-Bahn-Tunnel sogar bei den Bauarbeiten eingestürzt. Dort wird auch eine U-Bahn gebaut, da werden 550 Millionen allein durch diesen eingestürzten Tunnel zu den ursprünglichen Kosten dazugeplant, und mit über 1,3 Milliarden EUR haben sich auch dort schon die Kosten verdoppelt.
In Rom - da waren wir ja als gesamter Finanzausschuss - haben wir alle ganz gebannt zugehört, als der Bürgermeister gesagt hat: Bist du narrisch, ihr in Wien habt es gut, ihr baut mit Baggern und Schaufeln, ich baue mit Zahnbürste. Allein, wenn ich jetzt alle Verzögerungen und die Baukostenerhöhungen von Rom aufzähle … (Ruf: Die bauen seit 20 Jahren!) Die bauen seit 20 Jahren, völlig richtig, und ich bin in Europa nicht fertig. (GR Dipl.-Ing. Martin Margulies: Gut, das darf man nicht vergleichen.)
In Hanoi: 9 Jahre Verspätung. (GR Dr. Markus Wölbitsch, MIM: Ja. okay …) Amerika, das großartige Amerika, New York: Also, wenn sie etwas nicht können in New York, dann ist das U-Bahn bauen, denn dort haben sie 1,4 Milliarden Dollar nicht für das gesamte Projekt, sondern pro Kilometer ausgegeben. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen.
Warum erzähle ich das alles? (GR Dipl.-Ing. Martin Margulies: Wissen wir nicht! - Weitere Zwischenrufe.) - Jetzt sind alle ganz unruhig. - Vor der Inflation rechnete der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages aus, dass rund 300 Millionen EUR pro Kilometer U-Bahn-Bau ausgegeben werden, im Durchschnitt aus Überland- und Tunnelbau, wie auch immer sich das ergibt. So. Dann habe ich mir gedacht, jetzt schaue ich mir einmal Wien an. Jetzt wissen wir die absurde Summe in New York (GR Dr. Markus Wölbitsch, MIM: Du weißt aber, dass sie dort mit Stein bauen!), in Deutschland die 300 Millionen durchschnittlich, und wo stehen wir eigentlich in Wien? Da gibt es eine ganz tolle Seite im Internet, die heißt „www.transitcosts.com“. Die habe ich mir angeschaut. Die Verlängerung der U2 war unglaublich günstig, hat nur 99 Millionen EUR pro Kilometer gekostet, was daran liegt, dass sie 0 Prozent Tunnelanteil hat. Die Verlängerung der U1 hatte immerhin 57 Prozent Tunnelanteil - Durchschnittskosten 166 Millionen pro Kilometer. Jetzt sind wir auch schon bei der U2/U5, was ja heute das Thema ist, da liegen wir bei einem 100-prozentigen Tunnelteil bei 317 Millionen EUR, das heißt, im Durchschnitt von Deutschland und weit unter dem internationalen Vergleich.
Tatsächlich, was will ich denn sagen? Das ist jetzt keine Entschuldigung, dass in Wien alles so super rennt und alles perfekt ist. Es wünscht sich jeder, dass es besser laufen würde! Aber es passieren nun einmal Dinge beim U-Bahn-Bau auf der ganzen Welt, bei jedem U-Bahn-Bau gibt es Verzögerungen und bei jedem U-Bahn Bau gibt es Preissteigerungen. Es ist keine Entschuldigung für Wien (StR Peter Kraus, BSc: Warum redet dann …), es zeigt nur: Vielleicht ist das Unterfangen nicht ganz so einfach, wie es manche hier darstellen.
Also. Wir wissen, die Wiener Linien bemühen sich. Wir wissen, der Stadtrat bemüht sich. Wir wissen, alle hier bemühen sich, und ich bin auch sehr dankbar für diese Dringliche, dass wir dieses Thema diskutieren. Es geht bei diesem Thema nicht darum, dass sich irgendwer entschuldigt oder irgendwer groß schuldig ist, das habe ich an der Diskussion auch nicht bemerkt. Das ist so ein bisschen ein, schauen wir uns den Status an, es könnte ein bisschen besser sein, und wir könnten ein bisschen transparenter sein, und wir könnten anders informieren - total nett. Ich glaube, alle hier wollen das. Ich glaube, auch alle tun das zum Großteil. Manche wollen ein bisschen mehr, manche wollen ein bisschen weniger, das ist die politische Diskussion.
Was ich aber zum Schluss noch mitnehmen will, das ist auch hier dargestellt worden von der Kollegin der FPÖ: Wen betrifft denn das eigentlich? Öffentliche Verkehrsmittel, wenn sie nicht funktionieren - das ist auch auf der ganzen Welt gleich -, das trifft alle. Jeder ärgert sich, wenn eine U-Bahn, eine Straßenbahn, ein Bus zu spät ist, blockiert wird in irgendeiner Art und Weise. Das ist Alltag auf
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