Gemeinderat, 60. Sitzung vom 20.11.2024, Wörtliches Protokoll - Seite 79 von 100
Es ist eben ein Faktum, dass die Großprojekte in der Regel über Ges.m.b.H.s abgewickelt werden. Ja, es stimmt: Die entziehen sich unserer unmittelbaren Kontrolle. Das halten wir für höchst problematisch. Dadurch wird es für uns fast unmöglich, klare Rechenschaft über die Verwendung öffentlicher Mittel zu bekommen. Wir erhalten dann - wie soll ich sagen - relativ vage Aussagen wie: Es ist inflationsbereinigt gesehen wohl alles im Kostenrahmen, die externe Kontrolle sagt, alles ist eh okay. Wirkliche Klarheit, wie Kollege Kraus gemeint hat, hat uns auch die Dringliche Anfrage heute nicht gebracht.
Für uns stellt sich aber natürlich die Frage, wer denn die Verantwortung trägt, wenn es beim U-Bahn-Bau oder bei anderen Projekten zu solchen Überschreitungen kommt, wie Sie vorhin beschrieben haben. Ja, es sind die Wiener und Wienerinnen. Das sind die Steuerzahler. Denn genau diese Kosten werden letztendlich durch Steuern und Abgaben oder durch den ständigen Griff in die Rücklagen abgedeckt. Das sind die Leidtragenden.
Wir sehen jetzt: Die explodierenden Kosten im Bereich des U-Bahn-Baus werden die Verschuldung in die Höhe treiben. Die ursprünglichen Kosten für den Ausbau der U-Bahn-Linien U2 und U5 wurden - wir haben es heute gehört - im Jahr 2020 noch auf rund 2 Milliarden EUR geschätzt, basierend auf einer angenommenen jährlichen Inflation von 2,5 Prozent.
Auf Grund der unvorhergesehenen geologischen Herausforderungen, der außergewöhnlichen Preissteigerungen, der Energiebaupreise und der Rohstoffpreise - es wurde heute alles genannt - errechnen sich Mehrkosten von rund 300 Millionen EUR. Diese Zahlen beziehen sich auf die 1. Baustufe des Projekts, die den Ausbau der U5 bis zum Frankhplatz und der U2 bis zum Matzleinsdorfer Platz umfasst. Die Gesamtkosten für den U-Bahn-Ausbau in Wien einschließlich aller Baustufen wurden in früheren Berichten auf rund 6,5 Milliarden EUR geschätzt. Jetzt schaut es so aus, dass allein für die Verlängerung der U2 und den Neubau der U5 mittlerweile von einer Kostensteigerung von über 30 Prozent im Vergleich zu den ursprünglichen Planungen ausgegangen werden muss. Was ursprünglich mit 6 Milliarden EUR angesetzt wurde, nähert sich inzwischen einer Marke von bedrohlichen 8 Milliarden EUR. Das Ende ist in Wirklichkeit nicht abzusehen.
Diese Summen verdeutlichen aus unserer Sicht die Dimension der Probleme, vor der wir stehen. Wir sprechen nicht von kleinen Fehlbeträgen, sondern von Milliarden, die durch mangelnde Planung, Verzögerungen und Nachlässigkeiten verschwendet werden - Geld, das wir dringend in anderen Bereichen benötigen: im sozialen Wohnbau - wir haben heute gehört, dass die Sanierung des sozialen Wohnbaus ganz im Argen liegt und nicht in der Weise vorangetrieben wurde, wie es sein müsste -, in der Bildung - wir müssen unsere Schulen zukunftssicher machen - und im Gesundheitswesen - eine ewige Baustelle.
Ein weiterer zentraler Punkt in unserer Kritik im Zusammenhang mit der finanziellen Gebarung der Stadt Wien ist die Einführung des Doppelbudgets. Diese hat sich einfach als gravierender Fehler herausgestellt. Wir haben uns von Anfang an klar dagegen ausgesprochen. Die aktuelle Entwicklung gibt uns ganz recht. Einem Doppelbudget fehlt die Flexibilität, um auf wirtschaftliche Entwicklungen oder plötzliche Herausforderungen wie die Inflation, eine Energiekrise oder sonstige unvorhergesehene Ereignisse zu reagieren. In einem Jahr, in dem die Baukosten auf Grund von Materialpreiserhöhungen, Fachkräftemangel und Energiepreisen explodieren, fehlt der Stadt Wien schlichtweg die Möglichkeit, die Budgetsituation zeitnah anzupassen.
Was ist das Ergebnis? Die Projekte werden unfinanzierbar, oder die Stadt verschuldet sich massiv weiter. Wir fordern daher im ersten Schritt eine Rückkehr zu einem jährlichen Budget. Denn nur so kann sichergestellt werden, dass die finanzielle Lage der Stadt Wien regelmäßig evaluiert und an neue Herausforderungen angepasst werden kann.
Ein Doppelbudget mag wohl auf dem Papier Stabilität suggerieren. In der Realität führt es aber doch zu einer gefährlichen Starrheit, die uns alle teuer zu stehen kommt. Der verzögerte Ausbau der U-Bahn-Linien U2 und U5 ist das Paradebeispiel für diese Probleme. Hier wurden ursprünglich klare Zeitpläne und Kostenrahmen kommuniziert. Heute sind wir Jahre hinter dem Zeitplan und Milliarden über den prognostizierten Kosten.
Ich komme aus Hernals. Wir waren immer für die Verlängerung der U5. Dass man die U5 auf Grund unseres Drucks, der wesentlich von Hernals und vor allem auch von uns, der FPÖ, ausgegangen ist, nicht nur bis zum Elterleinplatz, sondern auch bis zur S45-Station Hernals ausbaut, ist grundsätzlich die richtige Entscheidung. Die Leute in Hernals sind aber verunsichert. Man darf nicht vergessen: Jahrelange Baustellen haben gravierende Auswirkungen auf das tägliche Leben und lokale Unternehmer. Mich sprechen viele Unternehmer an, die rund um den Elterleinplatz situiert sind: Wie geht es weiter? Wann kommt die Baustelle? Muss ich mein Geschäft schließen, wenn die Baustelle da ist? Wie plane ich? Was mache ich mit meinen Mitarbeitern? Suche ich mir ein Ersatzlokal?
Wie auch immer: Es gibt keine klaren Informationen. Wir haben in der Bezirksvertretung x Mal nachgefragt. Auch die Bezirksvertretung hat eigentlich keine klaren Angaben oder Aussagen über den aktuellen Stand und den weiteren Verlauf der Bauarbeiten. Heute haben wir gehört: Na, das wird zwischen 2032 und 2035 sein. Das ist ein extrem langer Zeitrahmen für einen kleinen Gewerbetreibenden, der planen muss. Der muss sich überlegen, wie es mit seinem Geschäft weitergeht, weil er weiß: Wenn er die Baustelle vor der Tür hat, ist Schluss.
Anrainer, die dort wohnen, sagen: Wer weiß, ob ich das aushalte, wenn ich durch den U-Bahn-Bau die Vibrationen unter meinem Wohnhaus habe? Ziehe ich weg? Ziehe ich nicht weg? Auch da fragen mich die Leute: Wie ist die Streckenführung ganz konkret und ganz genau? Werden mich diese Tunnelbohrungen betreffen, oder werden sie mich nicht betreffen? Will ich das in meinem Alter?
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