Gemeinderat, 60. Sitzung vom 20.11.2024, Wörtliches Protokoll - Seite 67 von 100
Erstens, die zeitliche Dimension: Dem Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel, insbesondere der Wiener U-Bahn kommt angesichts der Bevölkerungsentwicklung in Wien und der geplanten CO2-Reduktion im Verkehrsbereich zentrale Bedeutung zu. Die dafür notwendigen Weichen wurden schon unter Rot-Grün gestellt. So sprach im Jahr 2014 die damalige Finanzstadträtin Renate Brauner wohl visionär von einer Inbetriebnahme der 1. Baustufe der neuen U2 sowie der neuen U5 im Jahr 2023. Bedauerlicherweise erwiesen sich alle bislang getroffenen Annahmen zeitlicher Natur als nicht haltbar, was die Funktionalität des öffentlichen Verkehrs in Wien auch im Zusammenhang mit der teilweise zeitgleich stattfindenden Sanierung der Schnellbahnstammstrecke sowie verschiedener Straßenbahnlinien regelmäßig vor neue Herausforderungen stellt.
Sprachen die Wiener Linien 2018 noch von einer Inbetriebnahme der 1. Baustufe U2 - Verlängerung Schottentor bis Matzleinsdorfer Platz - im Jahr 2027, so revidierte Finanzstadtrat Hanke dies nur zwei Jahre später auf 2028. Im Internetauftritt der Stadt Wien wird nun von 2030 ausgegangen. Selbst dieser Termin wird gegenwärtig immer wieder in Frage gestellt. Unter diesen Rahmenbedingungen wird der von den Wiener Linien 2018 genannte Fertigstellungstermin für die 2. Baustufe - Verlängerung bis zum Wienerberg - nicht haltbar sein. Aktualisierte Fertigstellungstermine für die 2. Baustufe wurden bislang nicht genannt.
Bei der U5 verhält es sich ähnlich. Die Verlängerung um eine Station vom Rathaus bis zum Frankhplatz verschiebt sich mittlerweile auf 2028. Für die notwendige und sinnvolle 2. Baustufe bis zum Elterleinplatz, wo der ursprüngliche Plan der Wiener Linien 2029 vorsah, gibt es ähnlich der U2 keinen aktualisierten Fertigstellungstermin. All dies nervt mittlerweile seit vielen Jahren nicht nur die Wiener Bevölkerung, sondern hat auch Auswirkungen auf den Modal-Split und die damit verbundene CO2-Reduktion im Verkehrsbereich.
Zweitens, die Kostenexplosion: Doch nicht nur die Bauzeit verlängert sich, auch die Baukosten explodieren. War im Jahr 2016 für die 1. Baustufe U2/U5 noch von 1,23 Milliarden EUR die Rede, so sprach StR Hanke 2020 von 2,1 Milliarden EUR. Mittlerweile sprechen die Wiener Linien - noch vor den Unwetterschäden - bereits von 2,4 Milliarden EUR. Die Kosten für die 2. Baustufe U2/U5 schätzte der Stadtrechnungshof im Jahr 2021 mit 4,4 Milliarden EUR, wobei in der Art. 15a B-VG-Vereinbarung mit dem Bund - Finanzierung U-Bahn-Bau - aus dem Jahr 2022 von 3,72 Milliarden EUR die Rede ist. Alles in allem eine deutliche Erhöhung der Gesamtkosten, wo Stand jetzt nicht absehbar ist, ob die Tragung dieser Mehrkosten zur Gänze der Stadt Wien obliegt oder ob es zu einer Kostenteilung mit dem Bund kommt. Angesichts der angespannten budgetären Situation Wiens bedroht diese Kostenexplosion den weiteren U-Bahn-Ausbau gewaltig.
Drittens, aktuelle Bauverzögerungen: Erdbewegungen, kaputte Glastüren und Bahnsteige, Hochwasser: Innerhalb der Wiener Linien erzählt man sich, dass nicht alle Bauverzögerungen der letzten Monate naturgegeben sind. Es laufen Gespräche über Fehlentscheidungen und Managementfehler, wobei dies alles auch dem Finanzstadtrat als Eigentümervertreter bekannt sein sollte. Selbstverständlich wurde die Frage des Hochwasserschutzes auch innerhalb der Wiener Linien schon vor dem dramatischen Hochwasser im September dieses Jahres thematisiert, jedoch die Entscheidung getroffen, dass der vorhandene Schutz ausreichend wäre, eine Fehlentscheidung, wie sich heute herausstellt. Inwiefern sich diese auch finanziell niederschlägt, wurde bislang nicht bekannt gegeben.
Auch bleibt die Frage offen, ob es zwischen der erstmaligen Ankündigung des dramatischen Hochwassers und seinem Eintritt sechs Tage später seitens der Wiener Linien beziehungsweise der jeweiligen Baufirmen die Möglichkeit gegeben hätte, Sicherungsmaßnahmen zur Verhinderung der Überflutung der Baustelle Pilgramgasse vorzunehmen. Auch die Ursache der kaputten hochkomplexen Glastüren im Bereich der künftigen U5-Stationen lässt sich anhand der bislang zirkulierenden Pressemeldungen nicht eindeutig beantworten. Als sicher gilt jedoch, dass diese viel zu früh eingebaut wurden. Ob es sich um Spannungsbrüche auf Grund von Erdbewegungen handelt oder um fälschliche Sanierungsmaßnahmen bei sich absenkenden Bahnsteigen wird wohl erst eine genaue Untersuchung zu Tage bringen. Welche Zusatzkosten dadurch verursacht werden, ist bislang noch komplett offen.
Viertens, Auswirkungen auf das Wiener Budget: Bei der Darstellung des Doppelbudgets 2024 und 2025 auf den Internetseiten der Stadt Wien findet sich der mittlerweile überholte Satz: ‚Die Stadt Wien hat beim Voranschlag für die kommenden beiden Jahre sehr vorsichtig budgetiert. Das schafft den nötigen Investitionsspielraum, um auf etwaige Herausforderungen reagieren zu können. Erwartet werden für das Jahr 2024 ein Defizit von 2,1 Milliarden EUR und für 2025 von rund 2,2 Milliarden EUR.‘
Überschreitungsanträge, die bereits heuer für das kommende Jahr beschlossen wurden, lassen einen weiteren Anstieg des Defizits erwarten. Insofern lohnt sich, neben einem kurzen Blick auf das Gesamtbudget, auch eine Aufklärung über die auf Ansatz 6501 für die Wiener Linien bereitgestellten Mittel. Für die Jahre 2024 und 2025 wurden ausgabenseitig als Betriebskostenzuschüsse 697 Millionen EUR - 2024 - beziehungsweise 807 Millionen EUR - 2025 - budgetiert. Der Rechnungsabschluss 2023 - 601 Millionen EUR - argumentiert mit Energiepreisen und allgemeiner Teuerung.
Für den U-Bahn-Bau stehen 438 Millionen EUR - 2024 - beziehungsweise 392 Millionen EUR - 2025 - zur Verfügung. An sonstiger Kapitalzufuhr sind 302 Millionen EUR - 2024 - beziehungsweise 344 Millionen EUR - 2025 - ausgewiesen. Mit dem starken Rückgang der Energiepreise gegenüber ihren Höchstständen sowie dem Rückgang der Inflation scheinen die ausgewiesenen Anstiege des Betriebskostenzuschusses nicht mehr nachvollziehbar, insbesondere, weil sowohl im April als auch im Juli in Summe rund 131 Millionen EUR des unter 1/6501/755 für
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