Gemeinderat, 60. Sitzung vom 20.11.2024, Wörtliches Protokoll - Seite 54 von 100
Auf jeden Fall sind wir, wie gesagt, sehr gerne bereit zur Diskussion, dass wir hier in Summe Bedarf haben. Die Bestrebung, Schulen mit besonderen Herausforderungen zusätzlich zu stützen, ist, glaube ich, allgemein bekannt, und es sollte unser aller Anliegen sein, das in der nächsten Bundesregierung gemeinsam umzusetzen. -Vielen Dank. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)
Vorsitzende GRin Dr. Jennifer Kickert: Als Nächster zum Wort gemeldet ist GR Stadler. Sie sind am Wort.
GR Felix Stadler, BSc, MA (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Liebe Gäste!
Wir GRÜNE werden allen drei vorliegenden Poststücken zustimmen. Es geht, wie schon meine Vorrednerin dargelegt hat, vor allem um alternative Pflichtschulen und den Dachverband Wiener Alternativschulen, aber auch um Bildungsgrätzl. Ein ganz entscheidender Punkt speziell bei den Alternativschulen, aber auch bei den Bildungsgrätzln ist ja die Frage, welche Kinder in diese Schulen gehen und welche Schülerinnen und Schüler in den Bildungsgrätzln sind, ob das auch die Kinder sind, die sozusagen die Bevölkerung oder die Kinder der Stadt Wien repräsentieren und quasi auch adäquat abbilden.
Ich möchte Sie daher ganz kurz mitnehmen in den 16. Bezirk. Dort gibt es zwei Volksschulen, die sich sogar einen Schulhof teilen. Es geht um die Volksschulen in der Odoakergasse und in der Julius-Meinl- Gasse, die mehr oder weniger im gleichen Gebäude sind. Die eine Volksschule wird fast nur von Schülerinnen und Schülern besucht, die Deutsch als Erstsprache haben und/oder aus einem AkademikerInnenhaushalt kommen und/oder aus einem reicheren Haushalt kommen. Die andere Volksschule, die sich im gleichen Gebäude mit gleichem Innenhof befindet, hat ein ganz anderes SchülerInnenklientel. Die Schulen liegen direkt nebeneinander, aber in die zweite Volksschule gehen fast nur Kinder, die eine andere Erstsprache haben oder die eine andere Umgangssprache haben, die aus ärmeren Haushalten kommen, die nicht aus AkademikerInnenhaushalten kommen.
Diese Schulen haben, obwohl sie direkt nebeneinander liegen, einen unterschiedlichen Ruf, weil sie unterschiedlich gut sind. Der Ruf basiert viel weniger auf dem, was tatsächlich in der Schule passiert, weil kein Mensch in Österreich tatsächlich die Qualität einer Schule kennt, sondern der Ruf einer Schule ergibt sich - wir haben es vorher schon kurz gehört, und unsere Parteivorsitzende Judith Pühringer hat es letztens in einem Kommentar in der „Presse“ sehr schön ausgedrückt - Zitat: „In Wirklichkeit besteht der Ruf darin, dass die, die dort sind, ein bisschen so sind wie wir.“ Das macht den Ruf einer Schule aus.
Nun kann man sagen: Das ist kein Problem. Die einen gehen halt in diese Schule, und die anderen gehen in jene Schule. Das ist aber natürlich ein enormes Problem für ganz viele Schülerinnen und Schüler in dieser Stadt, weil deren Bildungs- und deren Lebenschancen eingeschränkt werden, wenn sie nicht mit anderen Lebensrealitäten und mit anderen Kindern in Berührung kommen und dadurch in ihrem Leben weniger Chancen haben. Daher müssen wir in der Politik dieses Problem, das in dieser Stadt besteht, dringend lösen.
Die Auswirkungen auf die Chancengerechtigkeit und auf die Bildungsgerechtigkeit sind offensichtlich eklatant. Das wird auch von allen Seiten angesprochen. Jetzt haben wir schon gehört, dass man die Frage der Segregation beziehungsweise dieser fehlenden Durchmischung lösen kann, indem man einen Chancenindex einführt. Wir sind auch für einen Chancenindex, und die nächste Bundesregierung ist gut beraten, diesen auch Österreich-weit einzuführen. Ich glaube allerdings nicht, dass durch den Chancenindex das eigentliche Problem gelöst wird. Wir sehen das ja auch im späteren Verlauf einer Schulkarriere: Eine Mittelschule bekommt in der Unterstufe mehr oder weniger doppelt so viele Ressourcen wie ein Gymnasium, trotzdem sind aber die Probleme in der Mittelschule nicht geringer. Nur durch mehr Ressourcen und die Einführung eines Chancenindex wird das Problem der fehlenden Durchmischung nicht gelöst. Ich finde den Chancenindex trotzdem gut, ich glaube nur, dass man damit eine andere Problematik als die fehlende Durchmischung löst.
Von Seiten der NEOS kamen ja beim letzten Mal, als wir über die fehlende Durchmischung an Schulen und darüber, dass man das dringend angehen muss, gesprochen haben, vor allem von Kollegen Ornig aufgebrachte Zwischenrufe, dass wir Kinder durch die ganze Stadt schicken wollen. - Das wollen wir natürlich nicht! Ich habe mir ein paar Ihrer Konzepte für die Zukunft angeschaut, und sage jetzt zu Ihnen, Herr Kollege Ornig, vor allem aber auch an die ganze Partei gerichtet: Ihre eigene Jugendorganisation JUNOS fordert überhaupt Quoten an Schulen, und zwar insofern, als ein Viertel aller Schülerinnen und Schüler aus Familien mit geringerem Einkommen an allen Schulen aufgenommen werden muss. Ich meine: Das vermindert die Wahlfreiheit der Eltern, und dagegen sind wir. Wir wollen die Wahlfreiheit der Eltern beibehalten und gleichzeitig die Durchmischung stärken. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Alle Expertinnen und Experten, aber auch Lehrerinnen und Lehrer sowie Direktorinnen und Direktoren haben in den vergangenen Wochen und Monaten darauf hingewiesen, dass wir dringend etwas gegen die fehlende sprachliche, ökonomische aber auch soziale Durchmischung an den Schulen tun müssen, ob es die Lehrerin Ilkay Idiskut aus dem Film „Favoriten“ ist, ob es die Direktorin der Volksschule Flotowgasse oder die Bildungsexpertin Christiane Spiel ist: Alle weisen in ihren Wortmeldungen und Interviews darauf hin, dass die fehlende Durchmischung endlich angegangen werden muss, nicht nur hinsichtlich einer Chancen- und Bildungsgerechtigkeit, sondern auch, um Leistung wieder an alle Schulen zurückzubringen, die Grundkompetenzen zu stärken und den Schülerinnen und Schülern wieder mehr Perspektiven zu geben.
Man kann zu diesem Problem Vorschläge machen, wie sie oft von konservativer Seite kommen und die dieses Problem sogar noch verschärfen, indem mehr Trennung beziehungsweise Segregation gefordert wird. Aber sei es drum! Man kann dieses Problem aber auch negieren und
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