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Gemeinderat, 60. Sitzung vom 20.11.2024, Wörtliches Protokoll  -  Seite 6 von 100

 

Bitte, Herr Stadtrat.

 

Amtsf. StR Mag. Jürgen Czernohorszky: Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Frau Gemeinderätin! Einen wunderschönen guten Morgen!

 

Wie Sie in der Anfrage richtigerweise feststellen, Frau Gemeinderätin, ist der Winterdienst ein Kompromiss. Es ist ein Kompromiss zwischen zwei sehr wichtigen Gütern für die Stadt: zwischen der Verkehrssicherheit zum einen und dem Umweltschutz zum anderen. Auf den öffentlichen Straßen und Radwegen ist, wie Sie wissen, die Sache so, dass der Winterdienst von der MA 48 durchgeführt wird.

 

Es gibt aber auch weitere öffentliche und andere Stellen, beispielsweise die Asfinag, die Wiener Linien und Wiener Wohnen. Darüber hinaus gibt es natürlich abertausende Liegenschaftseigentümer und -eigentümerinnen, welche für den Gehsteig vor ihrer Liegenschaft zuständig sind. Insbesondere, was die LiegenschaftseigentümerInnen betrifft, kann man keine Verbrauchszahlen abschätzen, beziehungsweise sind sie nicht so bekannt, dass ich, was das betrifft, Ihre Frage beantworten kann. Natürlich kann ich das aber im Hinblick auf die MA 48.

 

In den letzten 3 Wintersaisonen sind folgende Mengen eingesetzt worden: Splitt - letztes Jahr 21 t, 2022/2023 25 t und 2021/2022 30 t, Sole - letztes Jahr 4,773.197 l, 2022/2023 3,575.417 l und 2021/2022 3,153.453 l, Salz - 2023/2024 6.041 t, 2022/2023 4.583 t und 2021/2022 5.967 t, Calciumcarbonat - 2023/2024 45 t, 2022/2023 31 t und 2021/2022 54 t, Calciumchlorid, Magnesiumchlorid und Natriumacetat werden von der MA 48 nicht eingesetzt.

 

Vielleicht darf ich noch ein bisschen ausholen. Wie schon vorhin gesagt, geraten gerade auf Straßen zwei öffentliche Interessen in eine gewisse Kollision. Zum einen dient die Salzstreuung der Sicherheit des Straßenverkehrs im Winter. Der Straßenerhalter haftet nach § 1319a ABGB für durch Unterlassung der Salzstreuung verursachte Verkehrsunfälle. Andererseits droht durch die Salzstreuung eben eine Schädigung der Umwelt.

 

Rechtlich ist es relativ klar und in Österreich, wenn man so will, auch streng und anders als in anderen Staaten zu Gunsten eines Vorrangs der Straßensicherheit geregelt, und zwar ist es zuletzt nach einem Spruch des VwGH 2011 so: „Unter Bedachtnahme auf den notwendigen Ausgleich zwischen den Interessen an der Sicherheit im Straßenverkehr und der Vermeidung von Umweltschäden liegt eine unzulässige Immission nur vor, wenn der Straßenerhalter das im Interesse der Sicherheit verkehrsnötige Maß überschreitet.“ Das ist, wie gesagt, in Österreich die höchstgerichtlich angesehene Sichtweise zur Auflösung dieses Konflikts.

 

Was man vielleicht auch noch sagen kann - und das ist mir jetzt im Hinblick auf die konkreten Alternativen, die Sie in Ihrer Frage ansprechen, besonders wichtig: Es gibt aus Sicht der Stadt und aus Sicht aller Expertinnen und Experten, mit denen wir zusammenarbeiten, keine wirkliche Alternative zu Salz. Was es aber gibt, ist das Setzen auf neueste Technologien - im Wesentlichen die reine Solestreuung - und Schulungen, um den Verbrauch so gering wie irgendwie möglich zu halten.

 

Was wären die Alternativen? Splitt ist wirklich nur eingeschränkt nutzbar, weil er mechanisch wirkt. Das heißt, er wird zerrieben, er wird an den Fahrbahnrand gedrängt, es entsteht Staub, es entsteht Feinstaub. Abgesehen davon hat die Wirkung von Splitt bei Schnee und Eis die Tendenz, stark nachzulassen. Dadurch braucht es vermehrte Streufahrten. Das wieder verursacht Lärm, Abgase und Staub. Abgesehen davon kann Splitt im trockenen Fahrbahnzustand zum Rutschen führen. Das ist vielleicht für Kfz weniger problematisch, für Fußgänger und Fußgängerinnen und RadfahrerInnen aber ein großes Thema. Es gibt auch noch weitere Nachteile von Splitt. Wenn das von Interesse ist, dann gehe ich da gern einmal ins Detail. Da geht es um den Primärenergieaufwand bei der Erzeugung und um die Abfallmengen, die entstehen.

 

Natürlich gibt es auch andere bekannte Streumittel, die in aller Regel eine Sache gemein haben: Sie enthalten entweder ebenso umweltschädliche Chloride oder Stickstoff oder sind in der Herstellung sehr, sehr ressourcenintensiv, teuer und auch nicht frei von Umweltauswirkungen. Trotzdem testen Kommunen immer wieder Alternativen - und das ganz besonders auch für sensible Bereiche. Das wird oft auch von Herstellern von alternativen, auftauenden Stoffen angeregt. Die bringen dann gezielt Stoffe als Alternativen auf den Markt, die beispielsweise Neben- oder Abfallprodukte in der Industrie sind und tauwirksam sind. Es kommt aber häufig vor, dass das dann wieder Gemische sind. In den meisten Fällen ist dann erst recht die tauwirksame Substanz Calciumchlorid Teil dieser Gemische. Oft ist es auch so, dass das ohne eigene Recherche gar nicht leicht erkennbar ist, weil es von den Herstellern nicht bekannt gegeben wird.

 

Umso mehr sind der internationale Vergleich und der internationale Austausch mit Städten relevant, die immer wieder mit solchen Alternativen arbeiten. Die Stadt Wien macht das namentlich mit dem Weltstraßenverband. Da zeigt sich ein ähnliches Bild. Es kommen zwar weltweit immer wieder alternative Auftaumittel zum Einsatz, aber immer nur vereinzelt und testweise in einem sehr eingeschränkten Bereich. Grundsätzlich kann man zusammenfassen: Natriumchlorid ist weltweit das Mittel der Wahl, das eben die Aufgaben oder Herausforderungen, die es gibt, bestmöglich verbindet.

 

Jetzt vielleicht zu den etwas positiveren Nachrichten neben der, dass wir, was das chemische Produkt betrifft, keine Alternative haben. Wir haben in den letzten zehn Jahren massive Fortschritte durch die Entwicklung neuer Streutechnologien erzielt. Die MA 48 setzt auf Feuchtsalztechnologie. Schon mit der Einführung der Feuchtsalzstreuung gab es eine dramatische Verbesserung. Das können alle Fahrzeuge der 48er. Dadurch konnten 25 Prozent, also ein Viertel der Streumittel, eingespart werden. Das ist möglich durch die gezieltere Ausbringung und die Reduzierung von Verlusten.

 

Die neu angeschafften Fahrzeuge setzen auf die Ausbringung reiner Sole. Dabei werden in der Regel 20 g Sole

 

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