Gemeinderat, 58. Sitzung vom 25.09.2024, Wörtliches Protokoll - Seite 131 von 135
Ich möchte Sie abschließend noch einmal dazu einladen, dass wir dieses Thema endlich angehen und lösen. Ich glaube, es wäre für die Demokratie, für dieses Land und für diese Stadt ungemein wichtig. Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)
Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau GRin Hanke, und ich erteile es ihr. Bitte, Frau Gemeinderätin.
GRin Marina Hanke, BA (SPÖ): Werte Stadträte und Stadträtinnen, werte Kolleginnen und Kollegen!
Ich möchte meine Rede damit beginnen, aus dem Misstrauensantrag zu zitieren. Im Misstrauensantrag schreiben Sie: „die Mindestsicherungspolitik Peter Hacker‘s, die sich zunehmend zu einem der größten sozialen Probleme der Stadt entwickelt“. Ich möchte das an den Beginn meiner Rede setzen. Warum? Weil ich gerne darüber sprechen möchte, dass ich ein bisschen eine andere Sichtweise habe, was die größten sozialen Probleme im gesamten Land sind.
Für mich gehört zu den größten sozialen Problemen in diesem Land, dass Alleinerziehende ganz besonders unter finanziellem Druck stehen. Rund 48 Prozent der Ein-Eltern-Haushalte sind von Armut oder von materieller Ausgrenzung bedroht. Für mich gehört zu einem der größten sozialen Probleme in diesem Land, dass in der Gesamtbevölkerung innerhalb von einem Jahr mittlerweile mehr als 100.000 Menschen mehr erheblich depriviert sind. Zu einem der größten Probleme gehört auch, dass unter den alleinlebenden Pensionistinnen zum Beispiel mit 46 Prozent fast die Hälfte aller Frauen sozial und materiell depriviert ist, aber auch, dass jedes 5. Kind armutsgefährdet ist. Zu einem großen sozialen Problem in diesem Land gehört für mich auch, dass es Löhne gibt, die so niedrig sind, dass es kein Auskommen mit dem Einkommen gibt.
Herr Wölbitsch, es ist sehr schön, wenn Sie heute hier sagen, dass Sie Vertrauen haben in die Sozialpartnerschaft. Das kann uns jetzt beruhigen oder nicht, aber vielleicht reden Sie da doch noch einmal mit Ihrem Spitzenkandidaten und dem derzeitigen Bundeskanzler Nehammer. Ich darf daran erinnern, dass er in einem vielzitierten Video - ich habe es Ihnen das letzte Mal schon vorgetragen - gesagt hat: „Wir haben letztes Jahr versucht, dass die Lohnabschlüsse weniger hoch ausfallen.“ Vielleich erinnern Sie ihn einmal daran. (Beifall bei der SPÖ.) Schauen wir uns an, von wem wir sprechen, wenn es um die Mindestsicherung geht. Auch das haben wir eigentlich hier schon oft besprochen. Aber ich möchte es einmal noch ansprechen. Warum? Weil wieder von der ÖVP, diesmal vom Herrn Kollegen Mahrer, der Begriff der Leistungsfeindlichkeit gekommen ist. Dieser Begriff der Leistungsfeindlichkeit, den Sie anwenden in einer Debatte um die Mindestsicherung, Herr Kollege Mahrer, ist, wenn wir uns anschauen, wer tatsächlich Mindestsicherung bezieht, von welchen Gruppen wir da sprechen, in einem großen Ausmaß eine Verhöhnung, finde ich. Es ist eine Verhöhnung für all diejenigen, die arbeiten gehen, die aufstocken müssen. Es ist eine Verhöhnung für die vielen AlleinerzieherInnen, die Mindestsicherung beziehen, die auf das Geld ganz dringend angewiesen sind. Es ist eine Verhöhnung von PensionistInnen, die ihr ganzes Leben lang hart gearbeitet haben, gerade die Frauen in einem großen Maß auch unbezahlt (Zwischenruf: Es ist eine Verhöhnung, wenn ... 4.600 EUR bekommen.), die auch aufstocken müssen. Knapp die Hälfte der MindestsicherungsbezieherInnen in Wien sind genau diese Leute. Das sind Kinder, PensionistInnen, Menschen mit Behinderung. Aber wenn man sich das anschauen würde, dann müsste man ja eben alle Fakten mit einbeziehen und nicht nur die paar, die einem gerade in den Ausschnitt passen. (Beifall bei der SPÖ.)
Wenn wir alle Fakten miteinbeziehen würden, würden wir auch darüber sprechen, dass Wien, wenn wir uns die konkreten Auszahlungen und Beträge anschauen, eigentlich gar nicht so weit weg ist von anderen Bundesländern. Dann würden wir auch darüber sprechen, dass es selbstverständlich eine Mitwirkungspflicht gibt und dass es alleine in diesem Jahr schon über 7.000 Sanktionen gegeben hat für Menschen. die in den Arbeitsmarkt wieder eintreten sollen, die Mindestsicherung beziehen, die eben nicht mitgewirkt haben.
Wenn wir davon sprechen, wie die Menschen wieder aus der Mindestsicherung herauskommen: Was wollen wir da? Was sind da Maßnahmen? Da gebe ich Ihnen gerne ein paar Beispiele. Ich darf da auch unseren Stadtrat zitieren. Ich habe mir gedacht, beim Misstrauensantrag ist das vielleicht recht praktisch. Sie werfen ihm ja auch in dem Misstrauensantrag vor, dass er sich Sachdebatten entzieht, was ich ein bisschen frech finde, ehrlicherweise. Aber gut. (Beifall bei der SPÖ.) Ich darf zitieren: „In Wien gibt es seit Jahren ein klares Bekenntnis dazu, dass wir insbesondere jungen Menschen ein Sprungbrett in ein finanziell unabhängiges Leben bieten wollen. Dabei soll Selbstverantwortung gestärkt und Anreize für die Aufnahme einer Beschäftigung geschaffen werden.“ Da sind wir jetzt nicht so weit entfernt von der christlichen Soziallehre und dem christlichen Solidaritätsbegrifft.
Was heißt das für uns? Das heißt, dass wir zum Beispiel seit 2021 mit dem U25 einen One Stop Shop haben, eine zentrale Anlaufstelle für alle unter 25 vom AMS Wien, von der Stadt und vielen anderen Partnern und Partnerinnen, um Angebote zu haben im Bereich Arbeit, Bildung, Soziales, wo wir auf junge Menschen schauen, von denen wir ganz besonders wollen, dass sie in den Arbeitsmarkt eintreten können, dass sie gut ausgebildet sind und dass sie ein gutes Leben führen wollen. Ein anderes Beispiel: Das College 25+, auch das ist ein Angebot ganz besonders für die Gruppe von Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten und ebenfalls eine Verbindung von Bildung, Beratung, Arbeit. Wir machen da sehr konkrete Dinge und gehen als Beispiel voran, weil wir eben genau nicht wollen, dass Menschen für immer in der Mindestsicherung bleiben, sondern Anreize schaffen wollen und Selbstverantwortung stärken.
Aber ja, wir wollen nicht - und das ist ein ganz wichtiges Thema -, dass irgendein Kind in unserer Stadt nicht sorgenfrei aufwachsen kann. Wenn es Ihnen so ein Anliegen ist, dass man junge Familien, die armutsbetroffen sind, stärkt - und es ist der FPÖ ja ein großes Anliegen,
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