Gemeinderat, 58. Sitzung vom 25.09.2024, Wörtliches Protokoll - Seite 99 von 135
geschrieben, das für die große Mehrheit der Menschen eine Verbesserung gebracht hätte, auf Kosten der Besitzenden.
Jetzt kann man politisch diskutieren, ob das richtig oder falsch ist und man kann in Folge politisch diskutieren, was Jahrzehnte später damit gemacht wurde. Ist es aber tatsächlich Karl Marx, der das Böse war oder ist es dann Stalin, wo man darüber reden muss, was Stalin daraus gemacht hat, was Trotzki daraus gemacht hat? (Zwischenrufe bei der ÖVP. - GR Mag. Manfred Juraczka: Das gilt auch für die Lueger-Diskussion!) Noch einmal, deshalb habe ich von Beginn weg gesagt, dass ich eigentlich diese Diskussion für legitim halte, und ich finde, im Großen und Ganzen machen wir das. Was ich mir erwarte, ist die Auseinandersetzung im Kontext. Und weil vorher auch Che Guevara gekommen ist: Wie war denn die Situation in Kuba, als Che Guevara dann gemeinsam mit Fidel Castro die Revolution gemacht hat? Wie war die Regierung davor? Es war eine faschistische Batista-Diktatur, so wie dann später in vielen anderen südamerikanischen Ländern, Pinochet, Somoza, et cetera.
Setzen wir Che Guevara in den zeitlichen Kontext und überlegen wir uns, was gut gelaufen ist, was weniger gut gelaufen ist. Und dann diskutiere ich gerne. (GR Mag. Manfred Juraczka: … Allende noch nicht, das ist problematisch!) Ich verstehe nicht, was, das Allende-Regime war problematisch? (GRin Martina Ludwig-Faymann: Das ist ja kein Workshop!) Das würde ich einmal haglich so stehen lassen. Lange hat Allende nicht gelebt, aber es wäre sehr spannend, sich damit auseinanderzusetzen. (Zwischenrufe bei ÖVP, SPÖ, NEOS, FPÖ und GRÜNEN.) Gut, es hat Sie zumindest alle bewegt, ich danke für die Aufmerksamkeit. (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP, NEOS, GRÜNEN und SPÖ. - Weitere Zwischenrufe.)
Vorsitzende GRin Dr. Jennifer Kickert: Als Nächste zu Wort gemeldet ist GRin Hungerländer. - Bevor Sie mit Ihrer Rede anfangen: Der Beitrag von Kollegen Margulies war energetisierend, aber jetzt können wir uns wieder beruhigen und zuhören und die Seitengespräche wieder einstellen. Ich danke. - Bitte sehr, Frau Hungerländer.
GRin Mag. Caroline Hungerländer (ÖVP): Vielen herzlichen Dank! Ich glaube, zwei Punkte kann man aus der bisherigen Debatte mitnehmen: Erstens, ein gutes Niveau, ich freue mich, dass wir eine wirklich gute historische Diskussion hatten. Ich freue mich auch, dass seitens der GRÜNEN erstmals gesagt wurde, dass historische Persönlichkeiten im Kontext ihrer Zeit zu sehen und zu bewerten sind. Das ist einmal ein großer Fortschritt an Erkenntnis. Ich freue mich, dass unsere bisherige Diskussion den gebracht hat. (Beifall bei der ÖVP und von GR Wolfgang Irschik.) Sie wissen, dass das für die meisten historischen Persönlichkeiten zu gelten hat, für die, die Sie genannt haben, genauso wie für die Lueger-Statue. Was aber diese ganze Diskussion, diese gute Diskussion gezeigt hat, ist, dass wir mit unserem Antrag völlig richtig liegen: Dass sich in den letzten Jahren eine Atmosphäre etabliert hat, dass der Umgang mit unserem geschichtlichen Erbe, nämlich mit der Gedenkkultur, für politische Zwecke instrumentalisiert wird. Und das wollen wir nicht.
Wir haben nicht den Eindruck, dass wir einen geordneten Umgang mit Gedenkkultur haben, einen etablierten Umgang, einen Umgang, wo Vertreter aller Parteien, wo Expertinnen und Experten aller Couleur eingebunden werden, wo wir nicht hier diskutieren, sondern in einem eigenen Raum, und wir uns wirklich einmal überlegen, wie wir mit Gedenkkultur umgehen.
Frau Stadträtin, Sie haben in einer Anfragebeantwortung zu Sobieski gesagt, Sie knüpfen das Sobieski-Denkmal an den Umgang mit dem Lueger-Denkmal, weil das präzedenzlos ist, wie mit Lueger verfahren wird. Wir möchten keine Verknüpfung zweier Denkmäler, die überhaupt keinen geschichtlichen Zusammenhang haben. Was wir wollen, ist, dass wir die gesamte Gedenkkultur, wie sie zustande kommt, neu aufsetzen und uns gemeinsam einen Prozess überlegen. Das ist der Hintergrund für unseren Antrag. Ich freue mich, dass die GRÜNEN zumindest die Intention verstanden haben.
Ich habe über den Sommer einige Anfragen gestellt, weil ich wissen wollte, wie denn eigentlich die Texte auf Gedenktafeln zustande kommen. Das war momentan ein bisschen eine Blackbox für uns. Und da wurde mir gesagt, Gedenktafeln werden durch private Vereine errichtet, und das macht die Stadt Wien bewusst, damit sie sich nicht den Vorwurf gefallen lassen muss, bestimmte Personen und Ereignisse zu bevorzugen oder andere zu vernachlässigen.
Dennoch sehen wir, wenn wir uns nur die kürzere Vergangenheit anschauen, eine gewisse Willkür. Wir haben einerseits in der jüngeren Vergangenheit diese Gedenkstelle für Opfer des politischen Regimes 1934 bis 1938 errichtet, im Übrigen mit einer Wortwahl, die Anton Pelinka - und das ist nicht irgendwer - in Frage stellt. Wir haben das Che-Guevara-Denkmal errichtet. Was wir nicht errichtet haben, ist ein Sobieski-Denkmal. Sie werden verstehen, wenn wir sagen, da besteht eine gewisse Willkür, das ist kein ausgewogener Umgang.
Aus der Anfragebeantwortung geht auch her, dass diese Texte durch einen Beirat für die Errichtung von Gedenk- und Erinnerungszeichen abgestimmt werden. Ich habe mir die Mitglieder dieses Beirates angesehen. Die Vorsitzende hat eindeutig eine Verbindung zur SPÖ, sie war im Kabinett einer SPÖ-Kulturministerin. Sie können nicht sagen, dass da kein Bias besteht. Also entweder wir setzen in diesen Beirat Menschen mit politischer Couleur hinein, dann aber aller Couleur, denn es ist unser aller Stadtgeschichte und nicht nur die Geschichte des Roten Wien.
Oder wir sagen, Parteipolitik völlig raus und wir setzen dort tatsächlich objektive Experten hinein. Dass Sie aber Personen hineinsetzen, die deklariert SPÖ-nahe sind und dann sagen, das ist der offizielle Beirat und der bestimmt dann, das bekommt einen Gedenkstein mit diesem Text und das bekommt kein Denkmal, das ist willkürlich. Das ist nicht objektiv, und genau das ist unser Kritikpunkt, genau das ist es, was wir mit unserem Antrag ändern möchten. (Beifall bei der ÖVP.)
Ich habe auch gefragt, wie viele Neubenennungen von Verkehrsflächen in den letzten zehn Jahren nach politischen Funktionären passiert sind und die Antwort war: 75
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